Hintergrundinformationen
1. Bedeutung
 
Die Staumauer mit dem betonierten Überlauf an der Nordseite
 © Michael Tocha
 
Die Linachtalsperre ist ein herausragendes technisches Denkmal. Sie ist die einzige Vielfachbogensperre aus Eisenbeton, die je in Deutschland gebaut wurde (die meisten Talsperren sind als massive Schwergewichtsmauern ausgeführt, die sich, oft mit einer leichten Wölbung, den Wassermassen entgegenstemmen). Ihre wechselvolle Geschichte veranschaulicht nicht nur die Möglichkeiten und Probleme der Energiegewinnung im 20. Jahrhundert, sondern spiegelt darüber hinaus Entwicklungstendenzen der deutschen Wirtschaft von der Weimarer Republik bis heute. Insbesondere ihre Stilllegung und Wiederinbetriebnahme 1969-2008 verdeutlichen die aktuelle Energiewende in Deutschland und sind zugleich ein Lehrstück dafür, wie im demokratischen Staat Entscheidungsträger "oben" und engagierte Bürger "unten" bei der Lösung von Problemen zusammenwirken können.
 
 
 2. Geschichte
 
 
 Das Kraftwerk am Ausgang des Linachtals
 © Michael Tocha
 
 Nach dem Ersten Weltkrieg herrscht in Deutschland Kohlemangel, der u. a. durch 
 die Reparationsleistungen bedingt ist. Wo immer es möglich ist, wird Kohle 
 durch Elektrizität ersetzt. Daher steigen Strombedarf und Stromverbrauch der 
 Industrie und der Privathaushalte ständig an. In dieser Lage gewinnt die 
 Wasserkraft eine neue Bedeutung, in vielen Gemeinden wird ihre intensivere 
 Nutzung geplant. In Vöhrenbach ergreift Robert Kupfer, der Leiter des 
 städtischen E-Werks, die Initiative, und 1921 beschließt der Gemeinderat die 
 Errichtung einer Talsperre im Linachtal.
 
 Im Frühjahr 1922 beginnen die Bauarbeiten. Arbeiter aus der Umgegend werden 
 angeworben, aber auch Österreicher, Italiener und Schweizer bevölkern die 
 Baustelle und beziehen dort armselige Unterkünfte. Es kommt zu mancherlei 
 Zwischenfällen und zu Spannungen mit den Einheimischen, weshalb der 
 Vöhrenbacher Polizeiposten von zwei auf drei Mann verstärkt wird. Um den 
 Materialtransport zu erleichtern, wird vom Haltepunkt der Bregtalbahn an der 
 Kohlbrücke ein Gleis zur Baustelle verlegt. Es stellt sich heraus, dass der 
 Untergrund keineswegs so solide ist, wie es das geologische Gutachten erwarten 
 ließ. Daher verzögern und verteuern sich die Bauarbeiten, die Inflation von 
 1923 kommt hinzu. Als das Bauwerk 1926 schließlich vollendet wird, steht die 
 Stadt Vöhrenbach vor dem finanziellen Ruin.
 
 
 Notgeld der Stadt Vöhrenbach von 1923 mit Abbildung der im Bau befindlichen 
 Linachtalsperre
 
 In den folgenden Jahren liefert die Anlage zwar steigende Strommengen, die 
 schlechte Wirtschaftslage verhindert jedoch ihre wirtschaftliche Nutzung. Zudem 
 kommen neue Kosten auf die Gemeinde zu, weil bereits in den 30er Jahren 
 zahlreiche Baumängel zum Problem werden und beseitigt werden müssen.
 
 Die Nationalsozialisten in Vöhrenbach machen Bürgermeister Kraut für die 
 Talsperren-Misere verantwortlich. Kaum an der Macht, verstummt ihre Polemik 
 jedoch sogleich: Im Zuge der ihrer Wirtschafts- und Rüstungspolitik steigt die 
 Nachfrage nach elektrischer Energie, die Anlage gilt jetzt als kriegswichtig. 
 1937 werden undichte Stellen an Mauer und Hangrohrleitung beseitigt, außerdem 
 1937, 1940 und 1942 die ursprünglichen Turbinen durch die heute noch in Betrieb 
 befindlichen Francis-Turbinen ersetzt (s. Bild unten). Die Stromausbeute 
 steigert sich dadurch um 35 %, erstmals erzielt die Stadt Vöhrenbach Gewinne 
 aus der Stromproduktion. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs verlangt der 
 Donaueschinger Landrat, wegen der Gefahr von Bombenangriffen den Stausee 
 abzulassen, die Stadt weigert sich jedoch und kommt damit durch - zu groß ist 
 der Strombedarf der Kriegswirtschaft. Den Zweiten Weltkrieg übersteht die 
 Talsperre ohne Angriffe und Beschädigungen.
 
 B
 Turbinen und Generatoren im Kraftwerkshaus
 © Michael Tocha
 
 1946 und 1947 müssen zunächst wieder Undichtigkeiten an der Staumauer und der 
 hölzernen Hangrohrleitung beseitigt werden; bis 1955 wird diese komplett durch 
 Stahlrohre ersetzt. In den 60er Jahren verhindern der ständige Reparaturbedarf 
 und strengere Sicherheitsauflagen der Behörden einen rentablen Betrieb. Als in 
 dieser Lage der regionale Stromversorger, das Kraftwerk Laufenburg, anbietet, 
 die Vöhrenbacher und Langenbacher Stromnetze für DM 800.000 zu kaufen und noch 
 einen Zuschuss von DM 250.000 zum Abbruch der Staumauer dazulegt, ist das (aus 
 heutiger Sicht vorläufige) Ende der Linachtalsperre gekommen: Am 3. Dezember 
 1969 beschließt der Vöhrenbacher Gemeinderat mit 8:3 Stimmen die Stilllegung.
 
 In den nächsten drei Jahrzehnten fällt die Anlage, wie die örtlichen Zeitungen 
 es formulieren, in einen "Dornröschenschlaf". Zwar bleibt die Mauer erhalten, 
 aber 1988 wird im Zuge von Sanierungsarbeiten der Stausee auf Dauer abgelassen, 
 1994 der Übergang über die Mauerkrone wegen Baufälligkeit gesperrt. Im gleichen 
 Zeitraum verändern sich die Bedingungen der Energieversorgung: Der Ölpreis 
 steigt ständig, die Atomkraft gilt immer mehr Menschen als zu gefährlich; daher 
 fördern Bundesregierung und Bundestag die Nutzung alternativer Energiequellen 
 (Kartellrechtsnovelle 1980, Stromeinspeisungsgesetz 1990).Vor diesem 
 Hintergrund kommt es in den 80er und 90er Jahren zu zahlreichen Vorstößen 
 seitens der Politik und der Denkmalpflege, die Linachtalsperre zu sanieren. Sie 
 scheitern jedoch alle an zu hohen Kosten, 1994 wird sogar der "kontrollierte 
 Zerfall" der Staumauer erwogen. 
 
 Die Wende kommt 1995. Die "Gedea" (Gesellschaft für dezentrale Energieanlagen), 
 ein aus Bürgerinitiativen hervorgegangenes Unternehmen zur Erzeugung 
 regenerativer Energie, will das Kraftwerk an der Kohlbrücke von der Stadt 
 Vöhrenbach pachten und zunächst als reines Laufwasserkraftwerk wieder in 
 Betrieb nehmen; die wesentlich teurere Sanierung der Mauer könne in einem 
 zweiten Schritt folgen. Private Geldgeber und örtliche Banken bringen bis 1997 
 die erforderliche Summe von 1,2 Mio. DM zusammen. So können im Dezember 1998 
 die runderneuerten Turbinen aus den 30er Jahren wieder anlaufen und bis 2008 
 durchschnittlich 1 Mio. kW pro Jahr liefern. Ende der 90er Jahre wenden sich 
 die Vöhrenbacher Stadtverwaltung, die Gedea und ein neu gegründeter 
 Förderverein "Rettet die Linachtalsperre" energisch auch dem zweiten Teil des 
 Projekts zu. Pläne und Gutachten werden erstellt, Geldquellen erschlossen. Am 
 4. April 2003 beschließt der Gemeinderat einstimmig die Sanierung der Mauer, 
 nach langwierigem Genehmigungsverfahren wird im Frühjahr 2006 mit den Arbeiten 
 begonnen. Zu diesen gehört der komplette Neubau des Fußgängerüberwegs und die 
 wasserseitige Abdichtung der Mauer mit einer neuartigen Geomembran durch eine 
 italienische Spezialfirma. Nach erfolgreichem Probestau im Lauf des Jahres 2007 
 wird das erneuerte Bauwerk am 1. Juni 2008 mit einem großen Fest eingeweiht.
 
 
 
 Die Linachtalsperre kurz nach ihrer Erneuerung, Juli 2008
 © Michael Tocha
 
 
  
 
 
 3. Anlage
  
  
 Die gesamte Anlage lässt sich funktional und topographisch in drei Bereiche 
 aufteilen:
 
 
 1. Stausee und Staumauer
 
 Am oberen Einlauf der Linach in den See befindet sich eine Pegelmessanlage. Der 
 Stausee ist ca. 1 km lang und fasst 1,15 Mio. m3. Er ist an seiner 
 tiefsten Stelle 23 m tief. 
 
 
 
 
 Aufrecht stehende Wandscheiben halten die wasserseitigen Tonnengewölbe und sind 
 durch Riegel und Streben mit einander verbunden.
 © Michael Tocha
 
 
 Die Talsperre ist an der Krone 143 m lang und 25 m hoch. Sie besteht 
 wasserseitig aus 13 kreisbogenförmigen Tonnengewölben. Deren Öffnungswinkel 
 beträgt 130°, die Spannweite 10,80 m. Sie sind unter der Wasseroberfläche um 
 50°, oberhalb um 70° gegenüber der Horizontalen geneigt. Die Tonnengewölbe 
 werden gehalten von insgesamt 12 parallel stehenden Wandscheiben. Sie sind 
 unten 1,20 m, oben 0,80 m stark. Die Wandscheiben sind auf mittlerer Höhe durch 
 bogenförmige Riegel (vorn) und diagonale Streben (Mitte), auf der Mauerkrone 
 durch die Brüstungen des Fußgängerüberwegs verbunden. An der Nordseite der 
 Mauer befindet sich im See ein kahnartiger Überlauf (s.
 B 
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2. Leitungssystem
In der Nähe des alten Überlaufbeckens beginnt in 18 m Tiefe ein 315 m langer Stollen durch den Fels. Durch ihn fließt das Wasser bis zum Venturihaus hinter der Biegung der Kreisstraße. Hier wurde früher mit einer sog. Venturidüse, heute mit elektronischer Messtechnik der Wasserdurchfluss kontrolliert; bei Bedarf kann hier der Wasserfluss unterbrochen werden. Beim Venturihaus beginnt die Hangrohrleitung. Sie ist 1576 m lang, ruht auf Betonsätteln und ist an vielen Stellen im Wald nördlich der Kreisstraße zu sehen (s. Bild unten). Sie bestand ursprünglich aus einbetonierten Holzrohren, wurde wegen ständiger Undichtigkeit aber in den 50er Jahren durch Stahlrohre ersetzt. Der Wasserkraftlehrpfad (beginnend beim Kraftwerk, gelbe Raute) folgt dem Verlauf der Hangrohrleitung. Sie mündet oberhalb des Kraftwerks in das Schieberhaus. Von hier stürzt das Wasser durch die 234 m lange Fallrohrleitung 73,1 m tief auf die Turbinen. 20 m oberhalb des Schieberhauses liegt das Wasserschloss, das dem Druckausgleich beim Anfahren und Abschalten der Turbinen dient.
 
 
 
 Die Hangrohrleitung auf der Nordseite des Linachtals
 © Michael Tocha
 
 
 3. Kraftwerk
 
 In dem gefälligen Jugendstilbau oberhalb der Kohlbrücke arbeiten noch die drei 
 Francis-Turbinen aus den Jahren 1937, 1940 und 1942. Die beiden größeren 
 Maschinen leisten jeweils 172 kW, die kleinere 90 kW. Erzeugt werden seit 2008 
 jährlich ca. 1,4 Mio. kW. 
 
 
 
 
 Schüler des Gymnasiums am Hoptbühl, Villingen-Schwenningen, warten am Kraftwerk 
 auf den Beginn ihrer Führung.
 © Michael Tocha
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -


