Heinrich Schickhardt als Ingenieur-Techniker: Holzsparkunst - Energiesparen mit Tradition

Geschichte

Die Geschichte der Holzsparkunst sollte mit folgenden Schwerpunkten erarbeitet werden:

  1. Die Voraussetzungen für die Notwendigkeit einer Holzsparkunst (Missbrauch im Umgang mit den Wäldern führte zu akutem Holzmangel) und gesetzgeberische Maßnahmen zur Verbesserung der Situation;
  2. die Holzsparkunst im engeren Sinne (technische Realisierung des Energiesparens).

Zu a)
Heinrich Schickhardt bemerkte am Beginn seines für den Herzog bestimmten Gutachtens zur Aufforstung der Wälder in Württemberg vom Jahre 1634: "In waß großen Abgang, die gehölz Im ganzen Herzogthumb würtemberg, laider von Jar Zu Jar kommen, erfehrt mann täglich (…)". (Landesarchiv BW/HStA Stuttgart N 220 T 253)

Er griff damit das auf, was im gesamten 16. Jh. - und nicht nur in diesem - zentrales Thema der obrigkeitlichen Sorge um den Bestand der Wälder im Lande war:

  • die Feststellung des schlechten Zustands der Wälder;
  • die Sorge wegen des akuten Holzmangels, der nicht nur die Untertanen betraf, sondern zunehmend auch ein Problem der landesherrlichen Bauvorhaben und Kassen wurde;
  • der - häufig vergebliche - Kampf gegen den schädigenden Umgang mit dem Wald;
  • die dadurch nur bedingt realisierbaren Aufforstungsmaßnahmen.

forst
Beginn der Denkschrift Schickhardts über die Aufforstung der Wälder von 1634: "In waß großen Abgang, die gehölz Im ganzen Herzogthumb würtemberg, laider von Jar Zu Jar kommen, erfehrt mann täglich (…)".
Angesichts der Vielseitigkeit Schickhardts darf es nicht erstaunen, dass er sich auch mit grundsätzlichen Fragen der Forstwirtschaft zur Besserung des Holzmangels beschäftigte.
© Landesarchiv BW (HStA Stuttgart): N 220 T 253 Bl 3

Wie kam es zu diesem Verfall der Wälder?

Er führte zusammen mit einem ständig steigenden Holzbedarf in der Tat zu einem akuten Holzmangel.

Der Wald zur Zeit Heinrich Schickhardts kann mit unseren heutigen Forsten nicht verglichen werden. Aus den Wäldern wurde in großer Menge ungeregelt Brennholz entnommen, häufig mehr als notwendig; den Rest verkaufte man vielfach unter der Hand weiter. Herzogliche Beamte erhielten Holz als Teil ihrer Besoldung. Der Wald diente als Viehweide, vor allem zur Eichel- und Bucheckernmast, wodurch eine Selbstregeneration der Bestände verhindert wurde. Besonders gefährlich für junge Bäume war der Abbiss durch weidende Ziegen, ebenso durch die großen Rudel von Hirschen und Rehen, die nicht durch Abschuss dezimiert werden durften, da sie der landesherrlichen Jagd vorbehalten waren. Hinzu kam wegen des Vorherrschens der Holzbauweise ein sehr großer Bedarf an Bauholz. Holzintensive Gewerbe wie die Glasmacherei und Köhlerei griffen ebenfalls auf die ohnehin schon schwerst in Anspruch genommenen Wälder zu. Mit dem Aufkommen der merkantilistischen Wirtschaftspolitik unter Herzog Friedrich I. blühte der Bergbau, für dessen hohen Holzbedarf weitgehend der Herzog aufkam, indem er gegen eine finanzielle Beteiligung an den Bergwerken das notwendige Holz zur Verfügung stellte. Schließlich kam es auch noch zu einer Art Ausverkauf der Wälder durch das Fällen der sogenannten Holländertannen. Diese besonders großen Stämme wurden über die Schwarzwaldflüsse und den Rhein geflößt und vor allem in Holland gewinnbringend für den Schiffbau verkauft.

Obwohl der Landesherr selbst an der Dezimierung der Wälder mit beteiligt war, versuchte er deren Verfall und damit auch dem akuten Holzmangel durch gesetzgeberische Maßnahmen entgegen zu wirken, indem die landesherrliche Forsthoheit geltend gemacht wurde. So waren schon im Rahmen der ersten württembergischen Landesordnung unter Eberhard im Bart 1495 Bestimmungen über den Umgang mit "Prenn und bawholtz" erlassen worden. Nach dem Zwischenspiel der habsburgischen Herrschaft in Württemberg (1520-1534), während der erstmals eine umfassende Forstordnung erlassen worden war, entstanden in der darauf folgenden zweiten Regierungsphase Herzog Ulrichs (1534-1550), danach im Rahmen der gesetzgeberischen Tätigkeit Herzog Christophs (1550-1568) und unter den nachfolgenden Herzögen bis 1614 insgesamt 5 Forstordnungen, die in Teilen aufeinander aufbauten. Sie waren begleitet von zusätzlichen regional begrenzten Waldordnungen wie z. B. den beiden für den Schönbuch von 1565 und 1581, aus denen ein drastisches Bild der Schädigung der Wälder erkennbar wird.

ordnung
Die Forstordnung des Herzogtums Württemberg von 1614 war die fünfte im Lande und wird zurecht als "ernewerte [erneuerte] Vorstordnung" bezeichnet, denn es war üblich geworden, aus der Vorgängerordnung weite Teile zu übernehmen und mit neuen Inhalten zu ergänzen. Das Wappen zeigt die seit der Erhebung zum Herzogtum durch Kaiser Maximilian I. übliche Form: Die Hirschstangen des Hauses Württemberg, die Rauten der Herrschaft Teck, die Reichssturmfahne von Markgröningen und die beiden Barben der Grafschaft Mömpelgard. Teck und Mömpelgard werden auf der Helmzier wiederholt, ergänzt durch das Hifthorn von Urach.
© Landesarchiv BW (HStA Stuttgart): A 59 Bü 17

Nicht allein das Herzogtum Württemberg musste auf Holzersparnis bedacht sein; auch andere Territorien waren von zunehmendem Holzmangel bedroht; denn die schwierige Situation der Wälder war weit verbreitet und der Holzbedarf allgemein steigend, vor allem wenn holzintensive Gewerbe wie z. B. das Salzsieden zunehmend expandierten. Auch dies war nicht nur in Württemberg der Fall; ein exemplarisches Beispiel dafür ist das Salzkammergut, wo die Quellen reiche Hinweise über die Ausmaße der Holztrift in der Traun und ihren Nebenflüssen überliefern. Das Holz wurde überwiegend nicht geflößt, sondern getriftet, d. h. die großen anfallenden Mengen wurden einfach in die Alpenflüsse mit ihrem hohen Gefälle geworfen und an eigens angelegten Sperren flussabwärts festgehalten und wieder herausgeholt.

Das Herzogtum Württemberg war zwar das Territorium des Deutschen Reiches, in dem die Landesherren besonders früh begonnen hatten, sich der Verbesserung der Situation in den Wäldern anzunehmen, aber trotzdem war den Ordnungen kein durchgreifender Erfolg beschieden. Dafür gab es mehrere Gründe:

  • Altüberlieferte Regelungen wie z. B. die über die Entnahme von Brennholz standen den neuen Bestimmungen der Forstordnungen entgegen, denen die Waldnutzer nicht Folge leisten wollten.
  • Hinzu kamen die vagen Formulierungen der Vorschriften, die die Entscheidungen und deren Begründungen nicht einer zentralen Behörde überantworteten, sondern weitgehend in die Zuständigkeit der Forstmeister verwiesen, wodurch die notwendige Konsequenz in der Umsetzung der Vorschriften fehlte und sich außerdem leichter Korruption einschleichen konnte.
  • Auch der Geltungsanspruch der Forstordnungen bereitete Probleme: Der Landesherr erhob den Anspruch der Forsthoheit nicht nur über seine Wälder, sondern auch über die darin in Gemengelage befindlichen Bestände von Privat- und Gemeindewäldern und solchen anderer Herrschaften. Ihre Eigner waren aber nicht gewillt, sich den württembergischen Vorschriften zu unterwerfen.
  • Nicht flächendeckend umsetzbar war auch der Umgang mit den für die Aufforstung der Wälder dringend notwendigen Hauen, Arealen vorgegebener Größe, in die für eine bestimmte Zeit kein Vieh zur Weide getrieben werden durfte, um diese Neuanpflanzungen nicht sofort wieder zu zerstören. Die Größe der Haue, der Zeitpunkt der Anlage und vor allem die Dauer der Sperrung (meist 4 Jahre) waren ständige Streitpunkte zwischen den Waldnutzern und den Vertretern der landesherrlichen Forsthoheit.

 

Zu b)
Da die Probleme des Umgangs mit den Wäldern und damit der sich stetig steigernde Holzmangel auf dem Wege der Gesetzgebung nicht beseitigt werden konnten, war der sparsame Einsatz von Holz (Holzsparkunst) eine notwendige Alternative, die die Herzöge förderten und technische Spezialisten wie Heinrich Schickhardt auf vielfältige Weise zu realisieren versuchten. Zu dieser Beschäftigung mit dem Brennvorgang gehörte ergänzend die Suche nach Ersatzenergieträgern wie Torf und Steinkohle.

Unter den von Heinrich Schickhardt im Hauptstaatsarchiv erhaltenen Dokumenten zur Holzsparkunst befinden sich zahlreiche von ihm angefertigte Abbildungen und Kommentare zu Anlagen, die er auf Reisen oder bei Vorführungen gesehen hatte und aus denen er Anregungen übernahm. Ihr Spareffekt beruhte im wesentlichen wie bei seinen eigenen Entwürfen auch auf der Nutzung der Abwärme, die über eine entsprechende Führung des Rauches optimiert wurde.

Einige Beispiele machen deutlich, wie im Falle Heinrich Schickhardts dieser Techniktransfer in der frühen Neuzeit vor sich ging:

1579
Schickhardt gutachtete aus Anlass einer Vorführung zur Holzsparkunst, die Heinrich Mäurer aus Zürich in der Hofwäsche in Stuttgart unter Anwesenheit von Kammerräten und Baumeistern durchführte.

1596
Schickhardt bezog Stellung zu einem Stubenofen aus Hessen ( B 4), der mit Steinkohle und Torf beheizt werden konnte und den er als "ein gut Werckh" bezeichnete. Er hatte ihn auf einer Reise "ins land Hessen" gesehen.

1606
Er zeichnete holzsparende Öfen in Straßburg und Guebwiller, deren Funktion ihm der dortige Großhofmeister erläutert hatte.
Etwa zur gleichen Zeit entstanden seine Zeichnungen der Ofenkunst des Joseph Murlot, mit dem er in Briefwechsel stand. Es handelte sich um .eine Kombination von Herd und Stubenofen.

Wohl kurz nach 1600

Es entstanden seine Zeichnungen zu den in Bäckereien und Bauernhäusern in Bayern ( B 1) üblichen Stubenöfen, die mit einem Backofen im darunter liegenden Keller kombiniert waren. Diese Anlagen hatte er wiederum auf Reisen kennen gelernt.

ordnung
"Mitt dorfferden, Stain Kolen, oder wenig holtz Saltz zu sieden" lautet der Titel von Schickhardts Denkschrift über holzsparendes Salzsieden. Der Holzverbrauch war hoch, wo immer im sog. nassen Verfahren das Salz aus den Salzlagerstätten ausgespült und aus der Sole anschließend durch Verdampfung das gereinigte Salz gewonnen wurde. Häufig waren in der Umgebung der Salinen die Wälder schon weitgehend abgeholzt wie etwa in Sulz am Neckar, das Schickhardt schon 1595 besichtigt hatte. In seiner Denkschrift versuchte er nun (um 1620), im Auftrag des Herzogs "an zu zeigen, wie man das holtz spahren, und an statt des selbigen (: wa man die gelegenhait haben kann :) dorfferden oder stain kolen brauchen, und den wald so vil miglich veschonen soll."
© Landesarchiv BW (HStA Stuttgart): N 220 T 18 Bl 1

Auch Schickhardts eigene Entwürfe, deren Ausführung häufig Präsentationsqualität hat und die wohl für die Hand des Herzogs bestimmt waren, enthalten Erklärungen für das Funktionieren der jeweiligen Anlage. Dabei wurde er nicht müde, immer wieder auf das dadurch mögliche Einsparen von Holz hinzuweisen. Für wie viele unterschiedliche technische Bereiche Schickhardt entsprechende Konstruktionen einer holzsparenden Heizanlage lieferte, zeigt ein Blick auf einige der Zwecke, für die sie bestimmt waren:

  • Stubenöfen für große Räume - geeignet für den Wohnbereich in Schlössern oder aufwändigen Bürgerhäusern;
  • Stubenöfen für die Räume der herzoglichen Kanzlei; die vom Herzog geforderte Einsparung bestand darin, dass jeweils zwei Räume mit einem Ofen beheizt werden sollten, was sich aber in der Realität, wie Schickhardt in seinem Gutachten bemerkte, wegen der notwendigen Wanddurchbrüche aus statischen Gründen nicht immer realisieren ließ;
  • Kalköfen, die im Umfeld größerer Baustellen errichtet wurden, z. B. für die im herzoglichen Auftrag von Schickhardt errichtete Anlage des Bades in Boll und für den Bau von Freudenstadt;
  • Dörröfen für die Herstellung von Trockenobst (Hutzeln), dem damals eine große Bedeutung für die Vorratshaltung zukam;
  • Salzsiedeanlagen wie die von Sulz am Neckar - ein drastisches Beispiel für die Dringlichkeit des Holzsparens, denn die Wälder in der näheren Umgebung waren bereits für den Holzbedarf der Saline abgeholzt.

Aus Schickhardts Zeichnungen kann man aber auch ablesen, wie er immer wieder mit anderen Energieträgern versuchte, in der Form eines Energiemix mit Torf und Steinkohle das knappe Holz einzusparen. Bei aller Bereitschaft jedoch, andere Energieträger zu suchen, abzubauen und einzusetzen, war er stets darauf bedacht, dass die Rentabilität einer solchen Anlage stimmte. Als sich z. B. zeigte, dass der Steinkohleabbau am Kriegsberg nahe Stuttgart zurückging und darum keine entsprechende Menge Kalk auf dem Seewasen mehr gebrannt werden konnte, stellte er den Abbau sofort ein. Als Grund für den Rückgang nannte er die zunehmend größere Abbautiefe und den Rückgang der Qualität. Er ließ den Herzog wissen, dass er sich entschlossen habe, "bis auf weiter gnädigen Bescheid [d.h. des Herzogs] das Stainkolenbergwerkh sammt dem Kalkbrinnen auff dem See wasen einzustellen, welches auch geschehen ist." (Landesarchiv BW/HStA Stuttgart N 220 T 45-2)

kessel
Bei der Anlage von 1633 wird die Bedeutung gut erkennbar, die beim Holzsparen dem Rauch und der von ihm transportierten Abwärme zukam. Schickhardt betonte ausdrücklich, dass der Vorteil im Aufsteigen des Rauches bestehe, so dass bei der Heizöffnung (A) weder Hitze verloren gehe, noch Rauch austrete. Das Problem der Anlage war das Hochheben des kalten Wassers in den oberen Kessel. Nachdem es dort durch die Abwärme vorgewärmt worden war, floss es in den unteren Kessel, aus dem es dann - mit geringerem Holzaufwand vollends erwärmt - entnommen werden konnte.
© Landesarchiv BW (HStA Stuttgart): N 220 T 16-1


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