Methodenvorschlag

2.1 Lernorterkundung

Das Modul umfasst insgesamt vier Materialienpakete, die sich an unterschiedliche Altersgruppen wenden und verschiedene inhaltliche Schwerpunkte in den Blick nehmen. Wenn eine Exkursion nach Forbach aus zeitlichen oder andere Gründen nicht stattfinden kann, lassen sich sämtliche Materialien auch im Rahmen des „normalen“ Unterrichts im Schulhaus einsetzen. Allerdings entfiele dann der „sinnliche“ Eindruck der von Menschenhand gebändigten Wasserkraft in einem Wasserkraftwerk sowie die von der EnBW angebotene, sehr lohnende Führung durch das einhundert Jahre alte Krafthaus.

Überblick über die Materialien
Zwei Arbeitsblätter befassen sich vorrangig mit der historischen Thematik der Elektrifizierung Badens bzw. des Murgtals. Dabei spielen technische, vor allem aber politische Aspekte eine Rolle.
Das dritte Arbeitsblatt widmet sich vor allem der Technik von Pumpspeicherkraftwerken sowie der Frage, warum solche „uralten“ Wasserkraftwerke im Rahmen der „Energiewende“ plötzlich als hochmodern gelten.
Das vierte Materialienpaket schließlich befasst sich in Form eines Rollenspiels mit dem von der EnBW geplanten Ausbau des Rudolf-Fettweis-Werkes. Der Zugang ist zwar nicht historisch, greift aber mit der „Energiewende“ ein Themengebiet auf, das politisch von herausragender nationaler Bedeutung ist. Anhand des regionalen Beispiels lassen sich umwelt- und energiepolitische Interessenkonflikte zudem besonders eindrücklich aufzeigen.

Die Arbeitsmaterialien im Einzelnen
Das dreiseitige Arbeitsblatt AB 1a „Strom für Baden“ richtet sich ausschließlich an die Sekundarstufe II. Es behandelt vorrangig die Vorgeschichte des ab 1914 erbauten „Murgwerks“. Die Schüler befassen sich vor allem mit der Notwendigkeit einer staatlichen Energiepolitik, wägen deren Vorteile und Risiken gegenüber einer durchweg privaten Energiewirtschaft ab und vergleichen die Ziele staatlicher Energiepolitik damals und heute.
Das Arbeitsblatt eignet sich besonders zur Vor- oder Nachbereitung einer Exkursion zum Rudolf-Fettweis-Werk. Während die Schüler in Forbach im Rahmen einer Betriebsbesichtigung vor allem mit technischen Aspekten des Werkes Bekanntschaft machen, bietet ihnen das Arbeitsblatt Einblick in die politische Dimension der Elektrifizierung eines Landes. Viele Überlegungen, die badische Politiker bereits vor 100 Jahren umtrieben – etwa hinsichtlich der Erschwinglichkeit von Strom für die breite Masse –, haben nichts an Aktualität eingebüßt, wie die heutigen Debatten im Kontext der „Energiewende“ zeigen.
Denkbar ist auch, das Arbeitsblatt zur Vorbereitung eines Referats zu nutzen. Das Referat wiederum könnte während einer Exkursion nach Forbach bestens zur Geltung kommen.

Eher an die Voraussetzungen der Sekundarstufe I angepasst ist das Arbeitsblatt AB 2 „Strom statt Mehl – der erste Strom im Murgtal!“. Das zweiseitige Material beschäftigt sich mit der Geschichte des Müllers Johannes Trück, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine wasserbetriebene Getreidemühle in Obertal bei Baiersbronn zum ersten Elektrizitätswerk des Murgtals umfunktionierte. Über die Arbeitsaufträge befassen sich die Schüler zunächst mit den typischen Eigenschaften eines „klassischen“ Unternehmers: Aus eigener Kraft, auf eigenes Risiko und unter dem Einsatz erheblicher finanzieller Mittel schafft Trück „aus dem Nichts“ ein Unternehmen, von dem letztlich nicht nur er profitiert. Sein Heimatdorf Obertal erhält als eine der ersten Gemeinden des Murgtals ein eigenes, leistungsfähiges Stromnetz. Die Lebensgeschichte Johannes Trücks könnte Anlass bieten, über die Stärken einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung zu sprechen.

Der zweite Teil des Arbeitsblattes beschäftigt sich mit der weiteren Geschichte des Trück’schen Elektrizitätswerkes. Eswird ersichtlich, dass auch weiterhin Innovationsgeist und Mut erforderlich waren, um das Unternehmen immer wieder an die jeweiligen Marktbedingungen anzupassen. Heute ist das Unternehmen, das inzwischen von einem Enkel des Gründers geleitet wird, neben der Stromerzeugung auf die Installation von Solarstromanlagen sowie auf Gesundheitsschutz im Bereich Elektronik und Licht spezialisiert.

Das doppelseitige Arbeitsblatt AB 3 „Pumpspeicherkraftwerke – modern seit 100 Jahren“ richtet sich vorrangig an Lerngruppen der Sekundarstufe I. Zum einen wird die Funktionsweise eines Pumpspeicherkraftwerkes anschaulich dargestellt; gerade dadurch bietet es sich zur Vorbereitung einer Exkursion nach Forbach an. Zum anderen zeigt das Arbeitsblatt die Vorzüge der Pumpspeichertechnologie gegenüber allen anderen Arten der Energiegewinnung auf.
Schüler der Sekundarstufe II könnten das Arbeitsblatt nutzen, um sich einen schnellen Überblick über die Pumpspeichertechnologie und die Ausbaupläne der EnBW zu verschaffen. In diesem Sinne wäre das Arbeitsblatt eine gute Vorarbeit für eine Exkursion nach Forbach – zumal wenn dort das Rollenspiel (s.u.) zum Einsatz kommen soll.

Schematische Darstellung eines PumpspeicherkraftwerkesB 7  Schematische Darstellung eines Pumpspeicherkraftwerkes.
© EnBW / Dieses Bild ist von der Lizenz CC-BY 4.0 ausgenommen

Die Arbeitsaufträge zielen darauf ab, dass die Schüler nach dem Erwerb der notwendigen Sachkenntnis selbst zu „Multiplikatoren“ werden. Sie fertigen eine Grafik an, die das Rudolf-Fettweis-Werk nach dem geplanten Ausbau schematisch darstellt; sie schlüpfen in die Rolle eines „großen Bruders“ oder einer „großen Schwester“, der/die einem kleinen Geschwisterkind in einfachen Worten den Begriff „Energiewende“ sowie die Technik und spezifischen Vorzüge eines Pumpspeicherkraftwerkeserklärt. Schließlich stellen sie eine „Kosten-Nutzen-Kalkulation“ zum Ausbau des Rudolf-Fettweis-Werkes an.

Das vierte, umfangreichste Materialienpaket AB 4 sieht ein Rollenspiel für Lerngruppen aus der Sekundarstufe II oder leistungsstarke Mittelstufenklassen vor.Vier Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft diskutieren im Rahmen einer Podiumsdiskussion die Chancen und Risiken des von der EnBW geplanten Ausbaus des Rudolf-Fettweis-Werkes. Dazu bereiten sich vier Gruppen anhand eines Infotextes 60 Minuten auf ihre jeweilige Rolle vor. Mehrere Arbeitsaufträge leiten die Schüler dazu an, Argumente für ihre Position, zu erwartende Gegenargumente sowie eine Gesprächsstrategie zu erarbeiten. Eröffnet wird die Podiumsdiskussion von einer kurzen Anmoderation des Moderators und pointierten, etwa 30 Sekunden langen Kurzstatements der vier Diskussionsteilnehmer. Als Diskutanten treffen der Bürgermeister von Forbach, ein Pressesprecher der EnBW, ein Vertreter mehrerer Umweltverbände sowie der Bundesumweltminister aufeinander.

Ziel der Podiumsdiskussion ist die Aneignung grundlegender Kenntnisse im Bereich Energie- und Umweltpolitik sowie ein Einblick in die Komplexität aufeinandertreffender Interessen in pluralistisch organisierten Gesellschaften. Methodisch üben die Schüler wesentliche Diskussionstechniken ein, indem sie Strategien und Argumentationsstränge entwickeln, Gegenargumente gedanklich vorwegnehmen, gegnerische und eigene Positionen abwägen bzw. in Frage stellen und (idealerweise) am Ende sogar zu einem Konsens oder einem Kompromiss kommen. Ganz nebenbei gewinnen sie einen Eindruck von der Notwendigkeit, aber auch Kompliziertheit eines jeden demokratischen Interessenausgleichs.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion sollten die Ergebnisse im Rahmen eines Lehrer-Schüler-Gespräches noch einmal gebündelt werden. Die Lehrerhinweise bieten für eine inhaltliche und methodische Reflexion des Podiumsgespräches einige Anregungen.

2.2 Behandlung des Themas in der Schule

Wie unter 2.1 beschrieben, lassen sich die vier didaktischen Angebote allesamt auch im Rahmen des üblichen innerschulischen Unterrichts anwenden. Die Vorzüge des lokalgeschichtlichen Ansatzes bleiben beim Einsatz der Materialien im Klassenzimmer in vollem Umfang gewahrt.

 

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -