Hintergrundinformationen

1. Bedeutung

Die Entwicklung der Luftschiffe war bis zur Katastrophe der "Hindenburg" 1937 ein äußerst wichtiger Zweig der internationalen Luftfahrt und der zivilen Fluggesellschaften. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist dieser Zweig der Fliegerei mit dem Namen des Luftschiffpioniers Ferdinand Graf von Zeppelin (1838 - 1917) untrennbar verbunden. Dessen LZ 1 stieg am 2.Juli 1900 um 20.03 Uhr zum ersten Mal von der Manzeller Bucht am Bodensee auf. Weniger bekannt ist der Name von Prof. Dr. Ing .h. c. Dr. phil. h. c. Major August von Parseval (1861-1942), dessen PL 1 am 3.0ktober 1909 an einer Wettfahrt bei Zürich teilnahm. Der dritte maßgebliche Entwickler von Luftschiffen waren Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Ing. h. c. Johann Schütte und Kom. Rat Dr. Karl Lanz, deren SL 1 sich auf Brühler Gemarkung am 17.0ktober 1911 nachmittags gegen 17 Uhr in die Luft erhob.

Es war die Zerstörung des Zeppelins LZ 4 am 6. August 1908 bei Echterdingen, welche Aufmerksamkeit des Schiffsbauingenieurs Johann Heinrich Karl Schütte in Danzig auf sich zog. In Schiffsbauskreisen hatte man von Beginn an die Konstruktionen der Luftschiffe aufmerksam verfolgt. Insbesondere galt es, die günstigste Strömungsform für die Hülle der Luftschiffe zu finden. Wesentliche Konstruktionsmerkmale der Schütte-Lanz-Luftschiffe wurden später von den Zeppelinen übernommen. In den 1920er Jahren fanden sie beim Bau der britischen Luftschiffe der R-Serie Eingang.

Die Zusammenarbeit mit dem wohlhabenden und luftfahrtbegeisterten Mannheimer Unternehmer Heinrich Lanz ergab sich eher zufällig: Beide arbeiteten an der Optimierung der Ventilsteuerung "System Lentz", die sowohl bei Landmaschinen als auch bei Schiffsmotoren Verwendung fand. Man begegnete sich auf Ausstellungen und in den Mannheimer Lanz-Werken. Schließlich war es wohl die bereits erwähnte Katastrophe von Echterdingen, die Schütte und Lanz zur gemeinsamen Entwicklung eines Luftschiffes zusammen führte. Im April 1909 unterzeichneten beide einen Vorvertrag. Die Gründung der Luftschiffbau Schütte-Lanz folgte bald darauf.

Das Unternehmen konstruierte und fertigte bis 1917 Starrluftschiffe für das Militär. Insgesamt wurden zweiundzwanzig Luftschiffe an Heer und Marine abgeliefert, die als Aufklärungs-, Angriffs- und Ausbildungsluftschiffe eingesetzt wurden.


Nach dem Ersten Weltkrieg mussten die Anlagen zum Luftschiffbau auf der Brühler Werft abgebrochen werden. Die Firma und ihre Mitarbeiter sahen sich gezwungen, für die technischen Möglichkeiten der Fertigungsanlagen und für ihr persönliches technisches Wissen andere Tätigkeitsbereiche zu finden. Die Firma spezialisierte sich sehr erfolgreich auf die Produktion von Sperrholzplatten, versuchte sich kurze Zeit mit der Herstellung von Automobilen und Ingenieur Franz Kruckenberg entwarf einen Schienenzeppelin.

Der Luftschiffbau Zeppelin assimilierte die erfolgreichen Neuerungen der Schütte-Lanz-Luftschiffe. Gegen Kriegsende waren Zeppeline und Schütte-Lanz-Luftschiffe optisch nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Nach dem Krieg konnten sich die finanziell stärkeren Zeppelinwerke halten und später als Luftschiffwerft die Fertigung von Zeppelinen wieder aufnehmen.


2. Geschichte

1909
Firmengründung "Luftschiffbau Schütte-Lanz" auf Brühler Gemarkung. Bau einer Luftschiffhalle mit anschließenden Werkstätten, Kantinegebäude und Wohnhäusern für Arbeiter und Ingenieure.

1910
Die "Taufe" des im Bau befindlichen Luftschiffes SL1 wird am 30. April 1910 in Anwesenheit von Großherzog Friedrich II.

1911
Jungfernfahrt von SL 1 am 17. Oktober 1911.
Dreiundfünfzig weitere Testfahrten sind notwendig, bis das Luftschiff am ...

30.12.1912
an die Heeresverwaltung übergeben werden kann.

1913
SL 1 zerschellt am 17. Juli 1913 bei Schneidemühl / Posen (heute Pila in Polen) in einem Sturm. Im April des Jahres sichert das Heeresministerium weitere Aufträge zum Bau von Luftschiffen an die Firma Schütte-Lanz zu. Der Bau von SL 2 wird in Angriff genommen. Fehler in den Berechnungen zu SL 1 werden korrigiert und ein völlig neues Luftschiff entwickelt, das zum Standard für alle nachfolgenden SL-Luftschiffe wird.

1914
Jungfernfahrt von SL 2 über Mannheim am 28. Februar 1914. Nach dem Kriegsbeginn im August wird das Schiff zu Aufklärungsfahrten an der Ostfront eingesetzt, später an die Westfront verlegt. Im Dezember Luftangriff auf Nancy.


1915
Angriffsfahrten auf zwei weitere Ziele in Frankreich. Im September Luftangriff auf London.

1916
SL 2 havariert im Januar bei Luckenwalde.

1917
Die Firma Schütte-Lanz entwirft bis zum Jahr ...

1918
insgesamt 22 Luftschiffe, aber nur 21 Schiffe werden an verschiedenen Standorten gebaut. Neun Luftschiffe gibt die Marine in Auftrag, dreizehn Bestellungen kommen vom Heer.



1919
Nach dem Krieg wird es still in der Luftschiffwerft Schütte-Lanz, denn durch den Versailler Vertrag ist es dem Deutschen Reich verboten, eine Luftwaffe zu haben.

1920
Schütte versucht, über das neutrale Ausland in das zivile Luftverkehrsgeschäft einzusteigen. Von Mai bis Juli 1920 hält er sich in den Vereinigten Staaten auf und knüpft Kontakte zu einflussreichen Geschäftsleuten, dem Kriegsministerium und dem Marineamt.

1921
Vertreter der amerikanischen Militärbehörde kommen nach Deutschland. Sie zeigen sich von den Werksanlagen in Zeesen beeindruckt. In dem Büro von Kruckenberg werden bei einer Präsentation die möglichen Neukonstruktionen von Luftschiffen vorgestellt, die entscheidend von den bisherigen Typen abweichen. Karl Lanz, der bisherige Geldgeber, verstirbt am 18. August 1921. Der Teilhaber A. Röchling sieht keine Zukunft für den Luftschiffbau bei Schütte Lanz.

1922
Die Zusammenarbeit mit Militärbehörden und Geschäftsleuten in den USA kommt in diesem und dem folgenden Jahr nicht voran.

1923
Streitigkeiten über die Patentrechte zwischen den Schütte-Lanz-Werken und Luftschiffbau Zeppelin führen ...

1924
zum Rückzug der amerikanischen Interessenten.

1925
Begünstigt durch die Erfahrungen in der Sperrholzproduktion entsteht die Schütte-Lanz Holzwerke A.-G.

1939
Umstellung der Produktion auf Spezialprodukte für Rüstungszwecke, sog. "Flugzeugplatten", zu Propellern.

1942 - 1944
Produktionsanlagen zur Herstellung von Holzspanhartplatten.

März 1945
Teilweise Zerstörung der Lager- und Fabrikationshallen durch Bombenangriffe. Einstellung der Produktion am 23. März (Frontlage).

April 1945
Wiederaufnahme der Produktion für die amerikanische Militärverwaltung.

1946
Arbeit für die Militärbehörde und Beginn einer eigenen Produktion.

1948
Nach der Währungsreform wird die Produktpalette erweitert.

1955
erfolgt die Umstellung auf die Herstellung von Feinspanplatten für die Bauindustrie, hochwertigen Platten für die Möbelindustrie, Modellbauindustrie und Segelfliegerei.

1961
Herstellung der wetterfesten Schütte-Lanz-Industrieplatte (SEMPER-Schalung).

1963
Einstellung der Furnierproduktion.

1970
Einstellung der Produktion von Tischler- und sog. Flugzeugplatten.

1971
Auflösung der Schütte-Lanz AG; Gründung der Schütte-Lanz-GmbH mit fast gleicher Produktionspalette.

2007
Genehmigungsverfahren für eine neue Verwertung des Betriebsgeländes und der teils denkmalgeschützten Gebäude laufen und sind 2010 noch nicht abgeschlossen.


3. Anlage

Die frühere Anlage der Luftschiffbau Schütte-Lanz ist im Kern heute noch vorhanden. Allerdings ist das Betriebsgelände Privatbesitz und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Von der Straßenseite her sichtbar sind noch die unter Denkmalschutz stehenden Werkstatthallen, deren Eintönigkeit jedoch nicht zu einem Besuch reizt. Darüber hinaus ist eine Begehung des äußeren Areals mit Schulklassen nicht empfehlenswert, da das ehemalige Betriebsgelände an der Zufahrt von stark frequentierten Einkaufszentren und im Industriegebiet liegt. Die Zufahrt zur Autobahn und die mehrspurige Bundesstraße 36 zwischen Mannheim und Schwetzingen durchschneiden ebenfalls das Areal der einstigen Luftschiffwerft.
Das Gasthaus "Zum Luftschiff", das am Rande des Werksgeländes lag, ist heute im Besitz einer Fast-Food-Kette und allseitig von stark befahrenen Straßen umgeben.

Die Gemeinde Brühl verfügt derzeit (noch) über keine aufbereitete Sammlung von Bildern oder Relikten aus der Zeit der Luftschiffbau Schütte-Lanz.

Wer heute mit dem Auto südwärts auf der B 36 nach Schwetzingen fährt, kann sich kaum vorstellen, welch großes Fabrikgelände gleich hinter Rheinau auf der rechten Seite angesiedelt war. Das Areal umfasste 420.000 qm und enthielt sechs Fabrikgebäude sowie verschiedene Büros, Lagerhallen, Wohngebäude und ein riesiges Kantinengebäude: Zusammen waren es 28.000 qm überbaute Fläche. Diese Anlagen dienten bis zum Kriegsende 1918 in erster Linie dem Bau von Schütte-Lanz Luftschiffen. Von der Bevölkerung wird das Werk heute noch liebevoll "die Luftschiff" genannt. Durch die 1905 erbaute Bahnlinie Mannheim - Rheinau ? Brühl und die Nähe des Mannheimer Hafens waren die Fabrikanlagen verkehrstechnisch sehr gut erschlossen.

Und noch eine Anmerkung: Häufig findet sich in den Texten die Ortsangabe Mannheim-Rheinau für die Firma Schütte-Lanz. Dies ist der engen Nachbarschaft zu dem Stadtteil Mannheims geschuldet, wird der Lage allerdings nicht gerecht. Die Firma Schütte-Lanz liegt zweifelsfrei auf Brühler Gemarkung.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -


letzte Änderung: 2013-08-06