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Bücher des Monats September 2010

In diesem Monat empfehlen wir folgende Bücher:

Polly Shulman: 6 Küsse und ein Ballkleid (ab 12 Jahre)

Kevin Brooks: Being (ab 14 Jahre)

Polly Shulman: 6 Küsse und ein Ballkleid

cbj 2010
ISBN 978-3-570-40021-0
256 Seiten (broschiert)

Altersempfehlung: ab 12 Jahre

Aus dem Amerikanischen von Catrin Fischer

Julias beste Freundin Ashleigh ist eine große Enthusiastin, wie die Leserinnen und Leser gleich zu Beginn des Buches erfahren. Hat sie sich einmal für eine Sache begeistert, dreht sich alles in ihrem Leben nur noch um dieses eine Thema: sei es Pralinenherstellung, Ballett, Spionage oder ihre Begeisterung für "Unsere kleine Farm", die sie sogar beinahe im geblümten Flanellnachthemd einkaufen gehen lässt.

Julia Lefkowitz selbst liebt die Bücher von Jane Austen, doch sind ihre Gefühle eher tief und still, wenngleich sie deshalb nicht weniger stark ausgeprägt sind als einer von Ashleighs Fimmeln, wie Julia selber sagt.

Kaum hat sie ihrer liebenswerten Freundin Ashleigh den Roman "Stolz und Vorurteil" ausgeliehen, ist es um diese geschehen, und sie begrüßt Julia enthusiastisch mit den Worten "Meine liebe Miss Lefkowitz, (...) warum haben Sie so viel Zeit vergehen lassen, ehe sie mich mit den Freunden von Miss Austens Werk bekannt machten? Elizabeth Bennett! Jane Bennett! Der unvergleichliche Mister Darcy!" (S. 8)

Und es kommt, wie es kommen muss: Natürlich beschließt Ashleigh sogleich, die 200 Jahre alte Liebesgeschichte nachzuspielen mit Julia Lefkowitz und Ashleigh Rossi in den Hauptrollen.

Ashleigh spricht von nun an in der Sprache Austens, trägt lange, wallende Röcke und erklärt ihrer entsetzten Freundin Julia: "Ich halte es nicht für notwendig, mit Ihnen, Miss Lefkowitz, darüber zu diskutieren, wie unziemlich es für eine junge Dame ist, Beinkleider zu tragen. Wie Sie sehr wohl wissen, bleibt es uns aus Gründen des Anstands versagt, die Konturen unserer unteren Gliedmaßen fremden Blicken preiszugeben." (S. 12 f.)

Auch auf der Suche nach Mr. Darcy hat Ashleigh sogleich einen Einfall: Eine nahe gelegene exklusive Privatschule für Jungen veranstaltet in Kürze einen Ball, bei dem hoffentlich beide Mädchen ihren Mr. Darcy finden werden! Als Vorbereitung fordert Ashleigh ihre Freundin auf, gemeinsam mit ihr ein Tanzbuch von 1888 zu studieren, um Menuett, Walzer und Quadrille zu lernen.

Zu Gefühlsirrungen und Komplikationen kommt es dann, als sich beide Mädchen in denselben Mr. Darcy verlieben: Charles Grandison Parr. Doch weil Julia ihre Freundschaft zu Ashleigh wichtiger ist, verbirgt sie ihre wahren Gefühle für Grandison. Ashleigh hingegen glaubt, in Grandisons Freund Ned den idealen Mr. Darcy für Julia entdeckt zu haben und dichtet Julia eine Verliebtheit in Ned an. Damit richtet sie ein heilloses Durcheinander an, und es stellt sich die Frage, ob am Ende beide Heldinnen ihren Traumprinzen finden werden...!

Durch die Ich-Erzählung aus der Sicht Julias sind die Leserinnen und Leser unmittelbar am Geschehen beteiligt und erleben die Gefühlsirrungen und –wirrungen direkt aus der Perspektive der Protagonistin.

Polly Shulmans Verehrung von Jane Austen und Shakespeare wird nicht nur durch die Begeisterung der Mädchen für "Stolz und Vorurteil" oder Ashleighs Sprache im Stil von Austens Helden deutlich. Hinzu kommt eine Schultheateraufführung mit dem Titel "Mittwinter Erwachen" – ein Verwirrspiel mit ähnlichen Motiven wie in der sommerlichen Vorlage bei Shakespeare – und Julia erhält schließlich ein Sonett von einem geheimnisvollen Verehrer. Auch während der Geschichte werden Austen und Shakespeare immer wieder mit ihren Werken erwähnt.

Selbstverständlich kann das Buch auch ohne Hintergrundwissen über Austens Charaktere gut verstanden und empfohlen werden, wobei den Leserinnen und Lesern dann natürlich manche Pointe entgehen mag.

Außer den genannten Personen treten noch eine Reihe origineller Nebencharaktere auf, die den amüsanten, unterhaltsamen Jugendroman weiter bereichern. Das Buch ist sehr spritzig und kurzweilig mit witzigen, geistreichen Dialogen geschrieben und ist sehr zu empfehlen für Jane Austen Fans und solche, die es noch werden wollen.

(w-m, Arbeitskreis Leseerziehung)


Kevin Brooks: Being

Deutscher Taschenbuch Verlag 2009
ISBN 978–3–423–71345–0
368 Seiten

Altersempfehlung: ab 14 Jahre

Robert Smiths Leben ändert sich auf einen Schlag. Während einer Routineuntersuchung im Krankenhaus wacht der siebzehnjährige Teenager auf und stellt entsetzt fest, dass er kein richtiger Mensch ist. Statt Blut und menschlichen Organen besteht sein Innerstes aus Leitungen und einem seltsamen Schutzschild. Neben den Ärzten stehen da noch Agenten um ihn herum. Nach einem harten Kampf gelingt es ihm aus dem Krankenhaus zu entkommen.

Nach der Flucht in ein Hotel stellt Robert schnell fest, dass diese Geschichte weit größer ist, als er sich vorstellen konnte. Es verschwinden Menschen aus seinem Umfeld und seine Verfolger sind ihm weiter auf der Spur. Die einzige Rettung scheint die junge Eddi zu sein. Gemeinsam mit der Computerhackerin taucht er unter. Eddi weiß zu diesem Zeitpunkt nichts von Roberts außermenschlichem Wesen. Nach einer erneuten Begegnung mit den Agenten flüchten die beiden nach Spanien. Hier kommt es dann zum großen Showdown mit dem Geheimdienstler Ryan.

Kevin Brooks surreale Geschichte ist ein Genremix aus Action, Thriller, Science Fiction und einer Liebesgeschichte. Dabei geht er der Frage nach, was genau einen Menschen ausmacht. Ist es das Fleisch und Blut, oder sind es die Empfindungen und Gefühle? Er ist nicht der erste Autor, der sich dieser Grundfrage annimmt. Bereits 1969 hat sich Philip K. Dick in "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" dieser Thematik angenommen. Zu einer allumfassenden Lösung kommen beide nicht.

Being liest sich insgesamt einfach und lebt von der direkten Sprache, für die der Autor bekannt ist. Dabei bestimmt der innere Dialog Roberts die Erzählhaltung (Ich-Erzähler). Das Thema Gewalt, ein weiteres Charakteristika der Texte von Kevin Brooks, der als Autor schon vom Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, bleibt leider an der Oberfläche. Weder Eddi beschäftigt sich mit ihren verbrecherischen Taten, sie verdrängt diese, noch Robert zeigt irgendwelche Gefühle beim Töten. Hier gebe es Chancen, der Thematik und den Figuren mehr Tiefgang zu verleihen.

Die kurzen Kapitel und die rasante Handlung dürften vor allem für Jungen einen attraktiven Lesestoff bieten, der allemal lesenswert ist.

(ab, Arbeitskreis Leseerziehung)



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