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Bücher des Monats September 2011

In diesem Monat empfehlen wir folgende Bücher:

John Green: Margos Spuren (ab 13 Jahren)

Salah Naoura: Matti und Sami und die größten Fehler des Universums (ab 9 Jahren)

 


Margos Spuren, John Green

Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG; 5.Auflage 2010
ISBN 978-3446234772
336 Seiten

Altersempfehlung: ab 13 Jahren

Das Ende der Kindheit, wenn das Netz der Sicherheiten nicht mehr hält und alle Erfahrungen zum ersten Mal gemacht werden müssen, ist das beherrschende Thema in "Margos Spuren". Und es gelingt John Green, die Wirrnisse und Komplikationen der Pubertät auf spannende und einfühlsame Weise zu schildern. Denn sein Buch ist Liebesroman, Detektivgeschichte und Roadmovie zugleich. Es handelt von Jugendlichen, die dabei sind, das College zu verlassen und damit zugleich den Schritt in die Erwachsenenwelt tun.
Im Mittelpunkt stehen die schöne, ebenso extrovertierte wie unnahbare Margo und der unscheinbare, ein bisschen langweilige Quentin, der die gleichaltrige Nachbarstochter von Kindheit an bewundert. Eine Woche vor der gemeinsamen Abschlussprüfung taucht Margo plötzlich mitten in der Nacht in Quentins Zimmer auf und überredet ihn zu einer Spritztour. Aus Freundschaft und weil er in die eigenwillige Freundin eigentlich zutiefst verliebt ist, lässt er sich auf das Abenteuer ein. Hin- und hergeworfen zwischen Skrupeln und dem Gefühl von Exklusivität, von Margo auserwählt zu sein, wird der brave Quentin unerwartet Komplize bei spektakulären und nicht ungefährlichen Streichen, die Margo im Dunkel der Nacht minutiös geplant durchführt. Am nächsten Tag jedoch ist Margo verschwunden. Wieder einmal scheint sie lediglich von zu Hause abgehauen zu sein. Doch diesmal hinterlässt sie Spuren, deutliche, aber schwer zu enträtselnde Hinweise, die für Quentin gedacht sind und auf ihren Verbleib hindeuten. Die von Margo unterstrichenen Zeilen eines Gedichts, das von Liebe und Tod handelt, sowie die Erinnerung an ein lange zurückliegendes schreckliches Kindheitserlebnis, als sie zusammen beim Spielen im Park einen Toten entdeckten, geben Quentin Anlass, das Schlimmste zu befürchten und sogleich auf eigene Faust mit der Suche nach der Verschwundenen zu beginnen.
Schnell muss er erkennen, dass er von seiner Freundin nicht viel weiß und letztlich auch sich selbst nicht recht kennt. So wird die Suche nach Margo zur Suche nach sich selbst, denn Quentin muss aus seinem bisher wohl geordneten Leben ausbrechen, wenn er Margos Spuren folgen will. Begleitet von seinen beiden schwer pubertären College-Freunden, die sich bis dahin ausschließlich in den virtuellen Welten der Chatrooms und Computerspiele bewegt haben, begibt er sich in dem gebrauchten Van, den er von den Eltern zum Schulabschluss geschenkt bekommen hat, auf eine Reise quer durch die USA.
Eines sei verraten: Quentin wird Margo letztlich finden. Doch klischeehafte Hoffnungen werden nicht erfüllt, schließlich wird in diesem Buch die Kindheit dieser so gegensätzlichen wie sympathischen Protagonisten zu Grabe getragen. Und das auf eine überaus amüsante, witzige Weise. Denn es gelingt John Green, die komischen und albernen Seiten der Pubertät auf unterhaltsame Weise zu beschreiben, indem er der College-Szenerie mit ihrem hormongeschwängerten Teenager-Jargon Glaubwürdigkeit verleiht und zugleich die ernsthaften Ängste und Fragen seiner Hauptfiguren mit poetischem Feingefühl behandelt.
Es ist ein spannendes Buch mit einem streckenweise gehörigen Drive und ein nachdenkliches Buch über die Entdeckung des eigenen Lebens durch mitunter schmerzhafte Erfahrungen wie Verlust und Tod, erste Liebe, Sexualität und Selbstbestimmung.

(ubh, Arbeitskreis Lesen)


Matti und Sami und die größten Fehler des Universums,
Salah Naoura

Beltz & Gelberg, 2011
ISBN 978-3-407-79438-3
144 Seiten

Altersempfehlung: ab 9 Jahren

"Mama saß im Gras und schluchzte leise vor sich hin. (…) ‚Da sitzen wir nun!', schnauzte Mama mich zwischen zwei Schluchzern an. ‚Vielen Dank, Matti!' Das war kein echter Dank, sondern ironisch. Inzwischen kenne ich das von Mama. Ironisch ist, wenn man das Gegenteil von dem meint, was man sagt. Auch so etwas, was ich bei Erwachsenen nicht kapiere. Man kann doch auch gleich sagen, was man meint." (S. 5)

So beginnt der Kinderroman von Matti und seinem kleinen Bruder Sami, die mit ihren Eltern zusammen am Ufer eines einsamen Sees in Finnland sitzen, ohne Auto, ohne Unterkunft und mit wenig Gepäck, nachdem sie ihr altes Zuhause in Deutschland aufgelöst haben. Das Buch setzt mit dem Höhepunkt der Geschichte ein - gerade ist das gesamte Lügenkonstrukt geplatzt - und erzählt nun in Rückblenden aus Mattis Perspektive, wie es so weit kommen konnte.

Dies hat mit einigen Fehlern des Universums zu tun, denn eigentlich geht es Matti nur darum, Dinge in Ordnung zu bringen, die schief gelaufen sind. So haben beispielsweise Mattis Eltern ihren Kindern erzählt, sie würden Geld für eine Tierschutzorganisation spenden, um bedrohte Tierarten zu retten. Tatsächlich aber - so erfährt Matti später - haben seine Eltern kein Geld gespendet, sondern wollten lediglich ihre besorgten Kinder beruhigen. Für Matti ist dies erschütternd und nicht hinnehmbar. Und so beschließt er, diesen Fehler des Universums zu korrigieren, indem er das Zigarettengeld seines Vaters und das gesammelte Kleingeld seiner Mutter auf der Bank einzahlt, um endlich bei der Rettung der Giraffen in Afrika zu helfen.

Der allergrößte Fehler des Universums aber ist die Ankündigung von Mattis Vater, er habe eine Stelle als Entwickler von Handyspielen in der Schweiz erhalten und die Familie werde bald in ein großes Haus am See umziehen. Davon hatte Matti immer geträumt - ein Haus am See mit einem Schlauchboot statt ihrer beengten Wohnung in einer Hochhaussiedlung. Mattis finnischer Vater ist Busfahrer, doch in seiner Freizeit programmiert er tage- und nächtelang Handyspiele. Und nun scheint Mattis Traum endlich wahr zu werden... Natürlich erzählt Matti überall freudestrahlend von diesen guten Neuigkeiten: in der Schule, im Freundeskreis, und im Schulsekretariat holt er sich gleich das Abmeldeformular! In der Klasse darf Matti sogar seinen Aufsatz zum Thema "Was sich in meinem Leben gerade ändert" vorlesen.

Doch dann stellt sich heraus, dass alles nur eine dicke Lüge war! Mattis Vater wollte sich lediglich vor seinem Bruder Jussi aufspielen, mit dem er schon immer in Konkurrenz stand und der damit geprahlt hatte, bald die Leitung eines Holzhofs in Finnland zu übernehmen. Matti ist bitter enttäuscht und zugleich ist ihm die ganze Sache sehr peinlich - schließlich kann er nicht überall erzählen, dass sein Vater ein Lügner ist!
"Papas Märchen von der Schweiz war ein Riesenfehler, der mein Universum durcheinanderwirbelte. Und an diesem Abend lag ich lange wach und grübelte darüber nach, wie man so einen Fehler korrigieren konnte." (S. 67)

Schließlich scheint eine Lösung in Sicht, auch wenn Matti ein bisschen nachhelfen muss: Matti überredet seine Mutter, an einer Hausverlosung teilzunehmen, bei der man ein Eigenheim in Finnland gewinnen kann. Er entdeckt ein Stellenangebot für eine Hausmeistertätigkeit in Finnland während der Sommermonate und in allen Briefkästen des Hochhauses findet Matti sogenannte "Glückslose" mit der Aufschrift: "Sie haben gewonnen! Dies ist kein Scherz! Rufen sie unter der folgenden Nummer an…" Ohne Wissen seiner Eltern und durch geschickte Kombination entsteht ein gewagtes Lügenkonstrukt, das auf sehr wackeligen Beinen steht und eine ungeahnte Eigendynamik entwickelt, bis die Wahrheit schließlich mit einem großen "Knall" in der finnischen Einöde ans Licht kommt…

Mit sehr viel Wortwitz, Charme und Humor wird dieser Kinderroman aus Mattis Perspektive erzählt. Das amüsante Buch, das mit dem Peter-Härtling-Preis ausgezeichnet wurde und auch als Hörbuch erhältlich ist, handelt von kleinen und großen Flunkereien des Alltags, die ein ungeahntes Ausmaß annehmen können. Es regt zum Nachdenken an, doch der Roman wird ohne moralischen Fingerzeig erzählt. Dem Berliner Autor Salah Naoura gelingt es, die unterhaltsame wie auch lehrreiche Sommergeschichte mit großer Leichtigkeit und Warmherzigkeit zu schildern. Es ist erstaunlich, dass Matti und seine Eltern am Ende so unbeschadet aus ihren Flunkereien herauskommen. Der Einsturz des Lügengeflechts lässt die Familie näher zusammenrücken und führt schließlich mit einem Augenzwinkern zum Happy End. Ein sehr empfehlenswertes, liebevoll erzähltes Buch für Kinder - und sicherlich auch für den Rest der Familie!

(wm, Arbeitskreis Lesen)



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