Hintergrundinformationen

1. Bedeutung

Es ist sehr lohnenswert, die Materialien des Schulbuchs durch diesen Lernort zu ergänzen, da er die Möglichkeit bietet, originale Anlagen zu besichtigen und zu erleben. Nach Absprache mit der Stollengemeinschaft e.V. gibt es für Schulklassen die Möglichkeit, zusätzlich zu den geführten Stollenbesichtigungen bestimmte Aspekte der Thematik handlungsorientiert näher zu erfahren, wie „Bearbeitung von Stein“, „Transport des Erzes“, „Vermessen eines Stollenabschnitts“ u.a.

Für das Fach Geschichte wird vor allem ein Bezug zur Epoche des Mittelalters hergestellt, da sie die Hochphase des Bergbaus in Neubulach markiert. Der Bergbau in Neubulach hat eine bis mindestens ins 12. Jahrhundert zurückreichende Tradition. Er hatte damals nicht nur große wirtschaftliche Auswirkungen für den Herrschaftsbezirk, sondern wurde auch gesellschaftspolitisch wirksam, indem direkt auf dem Abbaugebiet die Siedlung Neubulach errichtet und mit Stadtrechten versehen wurde.

Die Tatsache, dass der Bergbau Neubulachs einst regional landschaftsprägend war und eine wirtschaftlich überregionale Bedeutung hatte, andererseits aber heute auf der Hochfläche nichts mehr davon zu sehen ist und auch die Stollen fast in Vergessenheit geraten wären, bietet für Schüler die Möglichkeit der Erkenntnis der Vergänglichkeit historischer Überreste. Dinge verschwinden unwiederbringlich, wenn sie nicht, meist mit großem Aufwand, erhalten und gepflegt werden.

Für das Fach Erdkunde bietet der Lernort die Möglichkeit, die Geologie unter Tage kennenzulernen und etwas über die Kräfte zu erfahren, die unsere Landschaft gestaltet haben.

Das Fach Technik kann über die demonstrierten Verfahren (Steinbearbeitung, Trennung und Wasserbeförderung) einbezogen werden.

Die Einbeziehung weiterer Fächer, etwa Mathematik (Vermessung, Kartografierung), Biologie (Fledermäuse, Ökologie Schluchtwald) oder sogar Kunst (Steinbearbeitung, Fotografie) und Deutsch wäre im Rahmen eines fächerübergreifenden Projekts leicht möglich.

Die besondere Bedeutung der Anlage als historische Quelle liegt in der Tatsache, dass die meisten schriftlichen und bildhaften Quellen aus der Hochphase des Bergbaus bei mittelalterlichen Stadtbränden in Neubulach sowie einem Fliegerangriff auf Stuttgart 1944 zerstört worden sind, sodass es heute fast ausschließlich die Überreste der Anlagen und Stollen sind, die uns Aufschluss über das mittelalterliche Arbeiten und Leben geben.


2. Geschichte

Im Folgenden finden Sie eine grobe Auflistung chronologischer Daten.
Bitte beachten Sie hierzu auch die Darstellenden Texte D 1 (Erdgeschichte), D 2 (Mineralienbildung), D 3 (Anfänge des Bergbaus), D 4 (Blütezeit), D 5 (Ab 1500), D 6 (Das Zwanzigste Jahrhundert) und D 7 (Die Arbeit im Bergwerk) im Materialteil.

11. Jhdt.
(vermutlich) Beginn des Bergbaus und Entstehung der ersten Siedlung Neubulach.

12./13. Jhdt.
Hochphase des Bergbaus in Neubulach.

1274
Erste urkundliche Erwähnung Neubulach; Verleihung der Stadtrechte unter den Grafen von Hohenberg

1326
Vernichtung eines Großteils Neubulachs durch den ersten Stadtbrand, in der Folgezeit Dezimierung der Bevölkerung durch die Pest

14. Jhdt.
weiterhin Bergbau, aber mit rückläufigem Erfolg

1406
König Ruprecht ordnet den Bergbau neu an und gibt der Stadt Neubulach besondere Freiheitsrechte (u.a. Steuerbefreiung, Aufnahme neuer Bürger). In der Folgezeit werden Stollen bis weit unter die Stadt angelegt

1440
Stadt und Herrschaft Neubulach werden an die Grafen von Württemberg verkauft

Ende 15.Jhdt.
Auffahrung des Ziegelbach-Stollens (heute Oberer Stollen) und des Tiefen Stollens (heute Mariastollen)

1505
Abermalige Vernichtung Neubulachs durch einen Großbrand bis auf ein Haus

1525
Bauernkrieg, Zeitweilig hielten sich Bauern „aus dem Hintern Wald“ in der Stadt auf, jedoch wurde die Stadt und das Bergwerk nicht zerstört

1536
Verleihung der Bergfreiheiten durch Herzog Ulrich an Bulach und Dornstetten: Silber wird zu einem garantierten Preis an die Herren von Württemberg verkauft, für die Bergleute freie Bauplätze und Bauholz, Fischerei- und Jagdrecht, Recht auf Handel und Gewerbe, Marktrecht; der Tiefe Stollen wird weiter ausgebaut

ab 1557
Erste Versuche, das alte Haldenmaterial zu verarbeiten; Bau eines Pochwerks im Ziegelbachtal (1558 an die Nagold verlegt) und einer Schmelzhütte im Nagoldtal; immer wieder werden neue Schächte (u.a. auch bei Liebelsberg und Altbulach) angelegt und alte Schächte freigeräumt

1608
Beleg über den Verkauf von 33 Pfund „Blauer Farbe“ (Azurit)

17. Jhdt.
mehrere Plünderungen der Stadt durch die Bayern (Dreissigjähriger Krieg) und die Franzosen (Pfälzischer Erbfolgekrieg)

1708
Neuer Bergbauerlass durch Herzog Eberhard-Ludwig, in der Folge umfangreiche Arbeiten in älteren Stollen; ein neuer Förderschacht wird angelegt (Nähe Gasthaus Lamm)

1749
Errichtung einer Schmelzhütte und eines Pochwerks nördlich von Wildberg (Unterlauf des Agenbachs), der Betrieb wird 1761 wieder eingestellt.

1773
Der Wasserstollen im Ziegelbachtal wird angelegt

1820
Neubeginn des Bergbaus durch Erlass König Wilhelms I; der Wilhelm-Stollen (später Hella-Glück-Stollen) wird angelegt

1892
Das Grubenwasser aus dem Wasserstollen wird zur Trinkwasserversorgung Altbulachs genutzt

1906
Der St-Georgs-Stollen bei Liebelsberg wird als Besucherstollen eingerichtet

1916 – 32
Erneute Bergbauversuche auf Gold, Silber, Kupfer und Wismut, Abbau in der Azurit-Höhle im Hella-Glück-Stollen; die alten Halden werden aufbereitet, zunächst zur Kupfer-, dann zur Wismutgewinnung. Dies wurde jedoch aufgrund des Preisverfalls unrentabel.

Ab 1943
Bau von Aufbereitungsanlagen bei den Halden, geschätzte Restmengen im Haldenmaterial: 2000t Kupfer, 1500t Wismut, 25t Silber, 250kg Gold

1945
Geplanter Beginn des Betriebs der Haldenaufbereitung, jedoch nach Kriegsende Demontage der Aufbereitungsanlagen

Folgezeit bis heute:
komplette Überbauung der historischen Pingen und Halden durch Wohngebiete

1969
Gründung der Stollengemeinschaft

1970
Eröffnung des Besucherstollens Hella-Glück

2004
Eröffnung des Unteren Stollens für Sonderführungen

(Quellen: Bergbau Neubulach, Heinrich Meier, Neuenbürg, 1984 2. Aufl. und Festschrift „40 Jahre Besucherbergwerk Neubulach“, Hrsgb Stollengemeinschaft der hist. Bergwerke Neubulach e.V. 2010)


3. Anlage

Einen sehr guten Eindruck von der Anlage geben die 360-Grad-Panoramaansichten auf der Homepage der Stollengemeinschaft mit den wichtigsten Punkten der Aussenanlagen und der Stollen.

Grubenanlagen bei Neubulach
B 60  Grubenanlagen bei Neubulach
© Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung LGL

Das Besucherbergwerk befindet sich im Ziegelbachtal südlich des Ortsrandes von Neubulach. Es ist gut ausgeschildert und von der Stadtmitte aus in ca. 30 Gehminuten zu erreichen.
Vom Besucherparkplatz im Ziegelbachtal oberhalb des Hella-Glück-Stollens führt ein Gehweg ca. 500m hinunter zum Stolleneingang. Dort befindet sich die Stollenklause mit Bewirtung. Ein Brunnen fängt das aus dem Stollen laufende Wasser auf. Der Überlauf des Brunnens betreibt eine Widderpumpe. Mit einer solchen Pumpe wurde Wasser aus dem Ziegelbach bzw. aus dem Stollen zur Wasserversorgung der Gemeinden auf die Höhe befördert.

Vom Vorplatz am Stolleneingang über Stufen zum Ziegelbach hinunter und eine Strecke den Bach entlang verläuft der ausgeschilderte und mit Infotafeln versehene Fledermauspfad. Von diesem zweigt eine Treppe hinunter zum Pochwerk ab.

Am Ziegelbach, auf dem Fledermauspfad

B 32  Am Ziegelbach, auf dem Fledermauspfad
© Gerd Krügler

Einige hundert Meter weiter talabwärts gelangt man über den vom Reichsarbeitsdienst in den 30er Jahren angelegten „Arbeitsdienstweg“, vorbei am ehemaligen Eingang des „Oberen Stollens“ (heute Fledermausstollen) zum Eingang des Unteren Stollens, der für Erlebnisführungen genutzt wird.

Der Besucherstollen (Hella-Glück-Stollen):

Eingang Hella-Glück-Stollen

B 23  Eingang Hella-Glück-Stollen
© G. Krügler

Der Hella-Glück-Stollen bietet die Möglichkeit einer 30-minütigen geführten Besichtigung. Er ist sehr gut ausgebaut und für jedermann ohne Anstrengung zugänglich. Einige Stationen mit Vitrinen und Einblicken in vom Stollen abgehende Nischen bieten Informationen zur Arbeit unter Tage, mit den typischen historischen Werkzeugen der Bergleute (Hammer, Schlegel, Bekleidung, Grubenlampen usw.) sowie den vorkommenden Mineralien.

Werkzeuge eines Bergmanns

Transport des Erzes, Figur im Hella-Glück-Stollen

B 24  Werkzeuge eines Bergmanns
© G. Krügler

B 25  Transport des Erzes, Figur im Hella-Glück-Stollen
© G. Krügler

Der Weg geht unter anderem vorbei an Erzadern mit den typischen Begleitmineralien, den Spuren ehemaligen Abbaus (Bohrlöcher, Hauspuren von Schlegel und Eisen), einer Feuersetze, an hölzernen Sicherungsmaßnahmen, ehemaligen nach oben führenden und heute verstürzten Schächten oder dem Asthma-Therapieraum. Ein Höhepunkt ist die Azurithöhle, in der noch im 20. Jhdt. Erz abgebaut wurde. Sie ist eine nach oben und in die Tiefe führende Kluft, an der die Ausmaße eines Erzgangs sichtbar werden.

Mächtigkeit des Erzgangs in der „Azurithöhle“

Feuersetze

B 26  Mächtigkeit des Erzgangs in der „Azurithöhle“
© G. Krügler

B 27  Feuersetze
© G. Krügler

Holzstempel dienen der Stollensicherung

B 28  Holzstempel dienen der Stollensicherung
© G. Krügler

Der Untere Stollen:

Eingang Unterer Stollen „Erlebnisführung“ Skizze: Stollen und Erzgänge
B 29  Eingang Unterer Stollen „Erlebnisführung“
© G. Krügler
B 44 Skizze: Stollen und Erzgänge
© Stollengemeinschaft

Einige hundert Meter unterhalb des Hella-Glück-Stollens wurde 2004 der Untere Stollen zugänglich gemacht. Hier wird eine Erlebnisführung angeboten. In Gruppen bis 10 Personen kann eine 3-stündige Führung gebucht werden (Mindestalter 12 Jahre). Gummistiefel sowie Helme mit Lampen werden gestellt.

Dieser Stollen wurde als Entwässerungsstollen weiterer, darüber liegender Stollen (z.B. Maria-Stollen) angelegt und diente zu Anfang des 20. Jahrhunderts zur Wasserversorgung der Bevölkerung. Der heutige Eingang ist die ehemalige Brunnenstube.

Der ältere, etwas weiter talaufwärts liegende Eingang ist verschlossen, da dieser Stollenabschnitt als Quartier für Fledermäuse reserviert ist.
Vom Wasserstollen kann man über alte Schächte in die darüberliegenden Stollen aufsteigen, so dass der „Erlebnisstollen“ eigentlich aus mehreren Ebenen übereinanderliegender Stollen besteht. Sie verlaufen in nordwestlicher Richtung dem Segen-Gottes-Hauptgang entlang bis weit über den Hella-Glück-Stollen hinaus unter die Stadt Neubulach.

Aufstieg in den Maria-Stollen über alte Förderschächte

B 30  Aufstieg in den Maria-Stollen über alte Förderschächte
© G. Krügler

Die Stollen sind nicht beleuchtet und im Großen und Ganzen im mittelalterlichen Originalzustand erhalten.
Interessant sind sie auch aufgrund geologischer Besonderheiten wie Harnische, tektonische Verschiebungen unter Tage, Tropfsteine und Bergperlen, Trockenrisse, Quarzdrusen, usw.

Tropfsteinbildung

B B 31  Tropfsteinbildung
© G. Krügler

Das Pochwerk:

Pochwerk, historisch Infotafel Pochwerk
B 33  Pochwerk, historisch
© agricola, de re metallica ????
B 34  Infotafel Pochwerk
© G. Krügler

Es befindet sich vom Fledermauspfad über Treppen gut erreichbar unterhalb des Eingangs zum Oberen Stollen. Es veranschaulicht die mittelalterliche Aufbereitung des abgebauten Gesteins. Es ist eine wasserradbetriebene Steinschlagmaschine, deren Stempel die größeren Brocken zertrümmern. Dieser Vorgang war nötig, bevor das Material der Schmelzhütte zugeführt werden konnte.
Nach Voranmeldung bzw. im Anschluss an die Führung in den Unteren Stollen besteht die Möglichkeit, das Pochwerk in Aktion zu sehen.

Hütte Pochwerk

B 37  Hütte Pochwerk
© G. Krügler

Pochwerk innen (Wasserrad mit Nockenwelle, Stempel)

B 35  Pochwerk innen (Wasserrad mit Nockenwelle, Stempel)
© G. Krügler

 

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- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -

letzte Änderung: 2014-11-17