Widerstand im Dritten Reich: das Beispiel Gertrud Luckner in Freiburg

Methodenvorschlag

Lernorterkundung

Durchführung der Lernortbegehung:

Bei der Lernortbegehung sind vier verschiedene Arten des Gedenkens zu unterscheiden. Zum einen können auf relativ engem Raum in der Innenstadt Freiburgs drei Denkmäler, die an die Verfolgung erinnern, betrachtet werden. Zum anderen können – verteilt über das Stadtgebiet – drei Straßennamen, die an Helfer für Verfolgte bzw. Widerständler erinnern, gesucht werden. Zum Dritten sind drei Schulen in Freiburg nach Verfolgten bzw. Helfern benannt worden und viertens können exemplarische Stolpersteine zum Widerstand in Freiburg aufgesucht werden. Bezieht man diese unterschiedlichen Gruppen in eine Lernortbegehung ein, können folgende Arbeitsvorschläge gemacht werden. Ein Vorgehen in Gruppenarbeit bietet sich hier in jedem Fall an.

Denkmäler:
Je drei Schülergruppen (mit ca. vier bis sechs Schülerinnen und Schülern) beschäftigen sich mit den drei exemplarisch ausgesuchten Denkmälern. Sie besuchen diese, fertigen eine Zeichnung des Denkmals an bzw. fotografieren es und schreiben eine Interpretation der künstlerischen Ausgestaltung. Das Ergebnis wird dann in Form einer Vorstellung des Denkmals vor der ganzen Klasse präsentiert. Als Hilfestellung bei der Interpretation kann der Artikel von Sabine Herrle in Ethik und Unterricht zu den Denkmälern der Verfolgten in Freiburg einbezogen werden, der zudem Interviews mit den Künstlern enthält, die die Denkmäler geschaffen haben.

Straßennamen:
Hier bietet es sich an, die Schülerinnen und Schüler (in einer Gruppe) die drei Straßen im Stadtplan Freiburgs suchen zu lassen. Ggfs. könnte man noch den Auftrag geben, die am zentralsten gelegene Straße mit einem Straßenschild zu fotografieren. Dann recherchieren die Schülerinnen und Schüler die Lebensgeschichte der drei verewigten Personen – wahlweise per Internet oder über Literatur (hier bietet sich insbesondere das Buch von Marlies Meckel zu den Stolpersteinen in Freiburg an). Alternativ könnten die Schülerinnen und Schüler noch den Auftrag bekommen, bei der Stadt Freiburg die Beweggründe zu erfragen, warum nach diesen drei Personen Straßen benannt wurden, wann das geschehen ist und wie normalerweise das Verfahren dabei ist.

Schulen:
Zur Betrachtung der drei nach Verfolgten und Helfern in der NS-Zeit benannten Schulen wäre es passend, die Schülerinnen und Schüler wieder in drei Gruppen einzuteilen – eine je Schule. Hier könnte der Auftrag lauten, dass die Schülerinnen und Schüler sich zuerst mit Hilfe der Homepages der Schulen vorbereiten und dann im Sekretariat sich wenn möglich um einen Termin bei der Schulleitung bemühen, um diese zu interviewen. Die Schülerinnen und Schüler könnten dabei insbesondere Fragen nach der Namensgeberin der Schule stellen, nach dem Schulkonzept und der Umsetzung dieses besonderen Vorbildes im Schulleben. Insbesondere bei der Getrud-Luckner-Schule wäre ein Besuch im Gertud-Luckner-Archiv bzw. ihrer Bibliothek – evtl. unter sachkundiger Führung der Schule – lohnend.

Stolpersteine:
Bei einer Analyse der Stolpersteine könnte wieder nur eine, maximal noch eine zweite Gruppe zum Einsatz kommen. Der erste Auftrag würde lauten, ausgewählte Stolpersteine zu suchen und dann ihren Text mit Butterbrotpapier abzupausen (alternativ zu fotografieren). Folgen sollte dann eine Recherche der Persönlichkeiten, die sich dahinter verbergen. Das Vorgehen dabei könnte ähnlich wie bei den Straßennamen aussehen.

Alternativ
Die Lehrkraft trägt an ausgewählten Stationen der vier Bereiche Denkmal, Straßennamen, Schulen und Stolpersteinen die Informationen in einem kleinen Vortrag vor.

Bei den vorgeschlagenen Leitfragen, Arbeitsblättern und Materialien wird zwischen drei Niveaustufen analog der verschiedenen Schularten Grundschule, Haupt- / Realschule / Sekundarstufe I sowie Sekundarstufe II (Gymnasium) unterschieden. Die Zuordnung der Schularten im beruflichen Bereich ist entsprechend vorzunehmen. In der Grundschule bzw. der Sekundarstufe I könnten die o.g. Arbeitsaufträge auf die ersten Aufgaben – d.h. zeichnen, fotografieren, abpausen – beschränkt bleiben. Die darauf folgenden kognitiven Prozesse könnten entsprechend dem Niveau der Schülerinnen und Schüler verkürzt bzw. weggelassen werden.
Die Stationen werden nachfolgend in Rahmen der vier Kategorien exemplarisch vorgestellt.

 

Durchführung der Lernortbegehung: siehe dazu AB 6

Denkmäler (exemplarisch):

Gedenkstein-Alte-Synagoge

B 4
Gedenkstein der Alten Synagoge (© Bömicke)

Gurs-Schild.

B5
Denkmal Gurs-Schild (© Bömicke)

Straßennamen (exemplarisch):

Stefan-Meier-St

B6
Stefan-Meier-Strassenschild (© Bömicke)


Schulen (exemplarisch):

Getrud-Luckner-Schule

B7
Schild II: Gertrud-Luckner-Schule (© Bömicke)

Edith-Stein-Schule

B8
Schild I: Edith-Stein-Schule (© Bömicke)


Stolpersteine:
Siehe AB 4 , AB 5 , und AB 6


Behandlung des Themas in der Schule

Neben der Stadtbegehung anhand der Arbeitsaufträge und der vier Kategorien kann das Thema ergänzend im innerschulischen Unterricht behandelt werden. Vorgeschlagen ist hier ein Vorgehen analog der Nummerierung der Arbeitsblätter. Die vorgeschlagenen Materialien sind für die Sekundarstufe I und II dieselben, jedoch unterscheiden sich die Arbeitsaufträge in ihren Formulierungen und ihrem Anspruchsniveau. Daneben könnte die Unterrichtszeit für die Sekundarstufe I länger veranschlagt werden als für die Sekundarstufe II.

Lernziel eines möglichen vorbereitenden Unterrichts:
Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass Widerstand gegen das NS-Regime in vielfältigen Formen stattgefunden hat. Sie lernen exemplarische Schicksale mutiger Menschen aus der Region kennen und beschäftigen sich auch mit der Frage, warum nur wenige Widerstand leisteten bzw. Verfolgten halfen. Abschließend wird der Versuch gewagt, aus den exemplarischen Biografien allgemeine Kenntnisse abzuleiten.

Möglicher Ablauf:
Zu Beginn der Einheit wird ein Rollenspiel ( AB 1 ) vorgeschlagen, das sehr flexibel ist, relativ wenig Zeit braucht und in allen Niveaus einsetzbar ist. Das Vorgehen ist hier induktiv und die Schüler erhalten anhand fiktiver Kurzbiografien einen ersten Überblick darüber, wer mit dem NS-Regime in Konflikt geraten ist bzw. wer verfolgt wurde. Sie versetzen sich in persönliche Schicksale hinein und erkennen, was diese Verfolgung auch für ihre eigene Klasse hätte bedeuten können. Das Rollenspiel eignet sich sehr gut dafür, anschließend die verschiedenen Gruppen der Verfolgten zu sammeln.

Darauf aufbauend könnte eine Sammlung verschiedener Definitionen zum Thema Widerstand ( AB 2 ) folgen. Hier ist das Vorgehen deduktiv, was eine Abwechslung bedeutet. Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass es nicht DEN Widerstand gab, sondern dass viele unterschiedliche Spielarten und Ausprägungen möglich waren. Zum ersten Mal deutet sich hier schon die Frage an, warum einige Menschen halfen – warum viele andere aber auch nicht – immer auch unter dem Aspekt, was hätte ich persönlich tun können.

Nachfolgend beschäftigt sich AB 3 eben gerade mit der Frage der verschiedenen Arten von Widerstand. Diese werden gesammelt und in Form einer Tabelle unter bestimmten Gesichtspunkten geordnet. Diese Kategorisierung soll und kann je nach Blickwinkel verändert und vor allem ergänzt werden. Den Schülerinnen und Schülern wird nochmals klar, dass Widerstand sehr vielfältig und unterschiedlich geleistet wurde.

Die folgenden drei Arbeitsblätter bauen praktisch auf dem ersten eher theoretischen Teil der Einheit auf und beschäftigen sich mit regionalen Biografien – allen voran Getrud Luckner ( AB 4 ). Das nächste Arbeitsblatt betrachtet drei – ihr mehr oder weniger verbundene – Frauen ( AB 5 ), während das dritte der Reihe weitere Schicksale aus den Freiburger Stolpersteinen vorstellt, die z.T. planmäßig Widerstand leisteten, z.T. einfach durch ihren Glauben oder ihre Lebensweise in Gegensatz zum NS-Regime gerieten ( AB 6 ). Das Vorgehen ist wieder induktiv. Die Arbeitsaufträge versuchen neben einer Würdigung und Betrachtung der einzelnen Personen auch einen Transfer: Ist eine Ableitung allgemeiner Erkenntnisse aus diesen Biografien möglich – wenn ja welche. Was kann ich heute daraus lernen – und was hätte ich getan? AB 6 (und ggf. auch AB 5 ) bildet hier einen Puffer, falls das Thema vertieft oder eine höhere Niveaustufe erreicht werden soll.

Die Stadtbegehung als außerschulischer Lernort findet ihren Widerhall im AB 7 , das sich mit der heutigen Würdigung und öffentlichen Darstellung der Verfolgten bzw. Helfenden befasst. Dabei wird in drei Kategorien unterschieden, nämlich Denkmäler (exemplarisch), Straßennamen und Schulen. Die vierte Kategorie der Stolpersteine findet ihren Einbezug in die Stadtbegehung durch AB 4 , AB 5 , und AB 6 . Hier empfiehlt sich ein projektorientiertes Vorgehen in Gruppenarbeit. Die Arbeitsaufträge können erneut je nach Niveaueinschätzung gekürzt bzw. weggelassen werden. Insgesamt wird hier auf einen möglichst hohen Praxisbezug Wert gelegt.

AB 8 bietet den Schülerinnen und Schülern anhand eines exemplarischen Freiburger Schicksals, das sehr persönlich von einem Sohn der Verfolgten kommentiert wurde, eine erneute Möglichkeit zur Empathie und der Behandlung der Frage, was hätte ich getan. Diese Biografie bildet den Ausgangspunkt für eine Dilemmadiskussion und lenkt den Fokus darauf, dass der Verfolgte bzw. Widerstand Leistende ja nie ganz allein war, sondern Familie hatte, die von ihm abhängig war bzw. die er mit gefährdete. Häufig gerät dieser Punkt nicht genug in den Fokus der Aufmerksamkeit. Leider zu Unrecht, denn er bietet zum einen eine andere Sichtweise und zum anderen einen sehr emotionalen Zugang.

Ergänzt wird AB 8 durch ein Planspiel ( AB 9 ), das ebenfalls die Folgen des eigenen Tuns näher beleuchtet, und den Schülerinnen und Schüler noch intensiver die Auseinandersetzung mit der Frage, was hätte ich getan, ermöglicht. Der Stundenbedarf liegt hier bei ca. 90 Min. Übertragen werden können die aus dem Planspiel gewonnenen Erkenntnisse am Ende durch die Darstellung des wahren Schicksals, das die Idee für dieses Vorgehen gab. Neu ist hier noch die Analyse des Umgangs mit den Verfolgten und Helfenden nach dem Krieg.

Die Konsolidierung des Unterrichtsstoffes kann durch eine ethische Betrachtung des Themas Widerstand erfolgen ( AB 10 ). Hierbei ist insbesondere die Frage spannend ob und inwiefern Gewalt gegen Diktatoren erlaubt ist. Dabei kann auf die Kategorisierung von Widerstand ( AB 3 ) zurückgegriffen werden, indem hier der Fokus auf „gewaltsam“ und „gewaltlos“ gelegt wird. Ach ein Einbezug der Strafen auf Widerstand kann in der Diskussion in Interesse sein.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -