Weimarer Republik - Demokratie ohne Demokraten ?

Landesgeschichtliche Einordnung

Autor: Dr. Rainer Hennl (Arbeitskreis RP Karlsruhe)
(die Baden betreffenden Textteile stützen sich auf einen Beitrag von Dr. Konrad Exner)
Menschenmenge Ebert Blick
Menschenmenge vor dem Karlsruher Rathaus
am 10. November 1918
© StadtAK 8/PBS VI-Plan-o0226
Reichspräsident Friedrich Ebert
1920 in Stuttgart
vor dem Kunstgebäude
© LMZ 025577
Blick vom Turm des Höhenrestaurants
auf die Weißenhofsiedlung, 1930
© LMZ030086

Übersicht

I. Einführung

II. Die Novemberrevolution und die Gründung der badischen und der württembergischen Republik

III. Die Verfassungen Badens und Württembergs; staatliche Verwaltung und kommunale Selbstverwaltung Hohenzollerns

IV. Krisenhafte Anfänge der badischen und der württembergischen Republik

V. Parteientwicklung

VI. Die „Goldenen Zwanziger“

VII. Wirtschaftlich-politische Krise und Ende der badischen und württembergischen Republik


Staatenübergreifender/ europäischer/ globaler Bezug

I. Einführung

Der deutsche Südwesten war zur Zeit der Weimarer Republik politisch-territorial untergliedert in denDer deutsche Südwesten war zur Zeit der Weimarer Republik politisch-territorial untergliedert in den

  • Freistaat Baden
    (Hauptstadt Karlsruhe, 15.070 km2, 2.208.503 Einwohner im Jahr 1924),

  • Freien Volksstaat Württemberg
    (Hauptstadt Stuttgart, 19.508 km2, 2.518.773 Einwohner im Jahr 1924) und

  • preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen,
    die so genanten Hohenzollernschen bzw. Hohenzollerischen Lande
    (1.142 km2, 70.751 Einwohner im Jahr 1924).

Insofern muss die Betrachtung der historischen Entwicklung zwischen 1918 und 1933 notwendigerweise zwischen Baden und Württemberg differenzieren und darf nicht übersehen, dass das kleine hohenzollernsche Territorium eine eigenständige, was die großen Linien der Politik jedoch betrifft, von Berlin aus bestimmte Existenz führte.

Freilich stand der Gedanke eines gemeinsamen Südweststaates, eines „Großschwabens“, schon zur Zeit der Weimarer Republik im Raum und gewann zwischen 1918 und 1923 und dann wieder vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise besondere Aktualität. Die entsprechenden Überlegungen basierten weniger auf der Befürchtung, dass die – im Vergleich zu anderen Bundesländern der Weimarer Republik recht großen – Länder Baden und Württemberg wirtschaftlich oder aus politischen Gründen nicht lebensfähig seien, sondern zielten auf die Stärkung der föderalistischen Struktur des Reiches ab, das seit Gründung der Weimarer Republik unitarische Züge trug als zwischen 1871 und 1918.

Anhänger des Südweststaates fanden sich in Baden in politischer Hinsicht vor allem in den Reihen der SPD, der Kommunal- und der wirtschaftlichen Interessenverbände, in regionaler Hinsicht in Nordbaden, im Schwarzwald und im Bodenseegebiet. In Württemberg erzielte der Südweststaatsgedanke deutlich breitere Zustimmung und hatte in den Reihen der SPD, der DDP und des Zentrums seine Anhänger (z. B. Wilhelm Keil, Theodor Heuss und Eugen Bolz).

Die Hohenzollernschen Lande waren wirtschaftlich und kulturell eng mit Württemberg und Baden verbunden, doch bestand bei der Mehrheit der hohenzollernschen Bevölkerung kein Verlangen nach einer Trennung von Preußen. Folgt man dem Gutachten des hohenzollernschen Regierungspräsidenten Emil Belzer vom Dezember 1920 wurde in Hohenzollern aber für den Fall einer staatlichen Neugliederung des Südwestens der Anschluss an einen Südweststaat präferiert. Weniger populär war der Anschluss an Württemberg, und geradezu ein Schreckbild stellte die Vision einer Aufteilung Hohenzollerns zwischen Württemberg und Baden dar.

II. Die Novemberrevolution und die Gründung der badischen
und der württembergischen Republik

Der Übergang von der Monarchie zur Republik gestaltete sich sowohl in Baden als auch in Württemberg eher evolutionär als revolutionär. Die Monarchie war – im Gegensatz zu Preußen – weder in Baden noch in Württemberg delegitimiert, hatte sich doch in beiden Ländern unter Großherzog Friedrich II. von Baden bzw. unter König Wilhelm II. von Württemberg eine nahezu parlamentarische Regierungsweise herausgebildet. Dennoch war im November 1918 nach der Abdankung Kaiser Wilhelms II. und der Proklamation der deutschen Republik auch in Baden und Württemberg die Monarchie als Staatsform nicht mehr zu halten.

In Baden bildete sich durch Verhandlungen zwischen dem Karlsruher Soldatenrat und einem durch den Karlsruher Oberbürgermeister Karl Siegrist einberufenen Wohlfahrtsausschuss, dem Vertreter aller im Karlsruher Rathaus vertretenen Parteien angehörten, am 10.11.1918 eine „Vorläufige Volksregierung“. Diese stand unter dem Vorsitz des Mehrheitssozialdemokraten Anton Geiß, doch gehörten ihr neben SPD und USPD auch Vertreter der bürgerlichen Parteien (mit Ausnahme der Konservativen) an.

Menschenmenge_vor_dem_Karlsruher_Rathaus

Menschenmenge vor dem Karlsruher Rathaus
am 10. November 1918
© StadtAK 8/PBS VI-Plan-o0226

Großherzog Friedrich II. ließ am selben Tag eine Erklärung abgeben, die keinen expliziten Widerspruch gegen die Bildung der neuen Regierung anmeldete und den Rücktritt der bisherigen Minister erklärte. Am späten Abend des 11.11.1918 verließ Großherzog Friedrich II. dann fluchtartig Karlsruhe, nachdem einige Soldaten, angeführt von dem Obermatrosen Heinrich Klumpp, Schüsse auf das Karlsruhe Schloss abgegeben hatten.

Die_am_10.November_1918_gebildete_vorlaeufige_

Die am 10.November 1918 gebildete vorläufige Badische_Volksregierung.
Sitzend v. l. n. r. Joseph Wirth (Zentrum), Gustav Trunk (Zentrum), Anton Geiß (SPD), Ludwig Haas (FVP), Philipp Matzloff (SPD);
Stehend v. l. n. r. Fritz Stockinger (SPD), Leopold Rückert (SPD), Ludwig Marum (SPD), Hermann Dietrich (DDP), Adolf Schwarz (USPD), Johannes Brümmer (USPD)
© LMZ 311489

In Württemberg wurde am 8.11.1918 noch durch König Wilhelm II. eine parlamentarische Regierung berufen, der je ein Vertreter der MSPD, der Fortschrittlichen Volkspartei, des Zentrums und der Nationalliberalen angehörten. Am 9.11.1918 verständigten sich jedoch MSPD, USPD und Gewerkschaften auf die Bildung einer provisorischen Landesregierung unter der Führung von Wilhelm Blos (SPD) und Arthur Chrispien (USPD), die auch die Unterstützung der Mehrheit des Stuttgarter Arbeiter- und Soldatenrats und der Kommandeure des in Stuttgart und Ulm stationierten Militärs fand.

Schon am 11.11.1918 wurde die „Provisorische Regierung“ wie in Baden um bürgerliche Politiker von der Fortschrittlichen Volkspartei, der Nationalliberalen Partei und vom Zentrum erweitert.

Die_Provisorische_Regierung_Wuerttembergs,

Die Provisorische Regierung Württembergs,
v. l. n. r. Julius Baumann (Deutsche Partei), Hugo Lindemann (SPD), Wilhelm Blos (SPD), Johann Baptist Kiene (Zentrum), Berthold Heymann (SPD), Theodor Liesching (Fortschrittliche Volkspartei), Arthur Chrispien (USPD), Albert Schreiner (USPD)
© LMZ038070

Im Unterschied zum Reich partizipierte somit sowohl in Baden als auch in Württemberg während der revolutionären Situation des Novembers 1918 das bürgerliche Lager von Anfang an der Regierungsgewalt. Auch erwiesen sich die Monarchen im Südwesten eher als Begleiter denn als Gegner des Übergangs zur Republik und ihre offizielle Abdankung erfolgte vergleichsweise spät (Großherzog Friedrich II.: 22.11.1918; König Wilhelm II.: 30.11.1918).
Der Domanialbesitz wurde in Baden durch Gesetz vom 25.3.1919 in Staatsbesitz überführt, doch bildeten das Neue Schloss Baden-Baden und die großherzogliche Grabkapelle in Karlsruhe prominente Ausnahmen. Ebenfalls im markgräflichen Besitz blieben Liegenschaften, die schon vor 1918 als Privatvermögen galten, wie z. B. Schloss Salem, die Burg Zwingenberg und die Insel Mainau. Ähnlich wurden in Württemberg König bzw. Herzog Wilhelm II. der Privatbesitz, eine Jahresrente und Schloss Bebenhausen als lebenslanger Wohnsitz garantiert.

Nach den Novemberereignissen gelang es in Baden und in Württemberg rasch, die Machtposition der neu etablierten Regierungen zu festigen und eine parlamentarische Demokratie aufzubauen.

In Baden wurden – auch um die Arbeiter-, und Soldatenräte so rasch als möglich politisch auszuschalten – bereits am 5. Januar 1919 Wahlen zu einer „Verfassungsgebenden Badischen Nationalversammlung“ durchgeführt.
Hierbei sprachen sich 91,5 % der Wähler für die Parteien der Weimarer Koalition aus (Zentrum; 36,6 %; SPD 32,1 %; DDP 22,8 %), während die monarchietreue DNVP lediglich 7,0 % erzielte und die USPD noch nicht einmal 15.000 Stimmen auf sich vereinigen konnte.
Am 25.3.1919 verabschiedete die badische Nationalversammlung auf der Basis eines Entwurfs von Eduard Dietz (SPD) eine republikanische Verfassung, und setzte damit die erste Verfassung des nachkaiserlichen Deutschlands in Kraft.
Diese Verfassung erfuhr am 13.4.1919 durch eine Volksabstimmung, der ersten demokratischen Volksabstimmung in der deutschen Geschichte überhaupt, eine zusätzliche Legitimation.

In Württemberg erfolgt am 12.1.1919 die Wahl zur „Verfassungsgebenden Landesversammlung“, die 80,2 % für die Parteien der Weimarer Koalition erbrachte (SPD 34,4 %, DDP 25,0 %, Zentrum 20,8 %). Die württembergische Wahl wich insbesondere dadurch von der badischen ab, dass bei ihr eine konservativ ausgerichtete Interessenpartei der protestantischen Bauernschaft, der Württembergische Bauern- und Weingärtnerbund, an der Wahl teilnahm und sofort 8,9 % der Stimmen erzielte. Die DNVP, die in Württemberg unter dem Namen „Bürgerpartei“ antrat, schnitt dagegen ähnlich wie in Baden ab (7,4 %), die USPD erzielte 3,1 %.
Die württembergische Verfassungsgebende Landesversammlung
bestätigte am 23.1.1919 die provisorische Landesregierung (ab 14.2.1919 als „Staatsregierung“ bezeichnet) und gab dem Land – in ähnlicher Eile wie in Baden – am 26.4.1919 eine neue Verfassung. Nach Baden war Württemberg damit der zweite deutsche Staat, der eine demokratisch-republikanische Verfassung vorweisen konnte.

Die radikale Linke, die schon früh in den Arbeiter- und Soldatenräten an Einfluss verlor und bei den Wahlen zu den verfassungsgebenden parlamentarischen Versammlungen sowohl in Baden als auch in Württemberg deutliche Niederlagen hinnehmen musste, scheiterte auch bei ihren Versuchen, gewaltsam die Macht an sich zu ziehen, da das Militär auf der Seite der republikanischen Regierungen stand (spartakistische Unruhen Anfang Januar und Anfang April 1919 in Stuttgart bzw. im Raum Stuttgart; „Mannheimer Räterepublik“ Ende Februar 1919). Die Soldaten-, Arbeiter-, und Bauerräte lösten sich schließlich in Baden bis Oktober 1919, in Württemberg zwischen 1919 und 1921 auf.

In Hohenzollern kam es im Gefolge der Novemberrevolution ebenfalls zu Unruhen. In Sigmaringen und Hechingen bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte und in einigen Landgemeinden Bauernräte. Am 14.11.1918 demonstrierten in Hechingen ca. 800 Bauern des Oberamtes für die Bildung eines Bauernrates, und eine der dort anwesenden Gruppen forderte die Loslösung von Preußen.

Auf der so genannten Gründonnerstagssitzung am 18.4.1919 sprachen sich dann jedoch Vertreter des Landesausschusses, der Wirtschaft und der hohenzollernschen Arbeiter- und Bauernschaft gegenüber einem Vertreter des Preußischen Staatsministeriums für die Einheit des Landes und gegen eine Abtrennung von Preußen aus, allenfalls einem Südwestsstaat wollte man sich anschließen. Dieser Meinung schloss sich am 22.4.1919 der Kommunallandtag an, und am 1.6.1919 wählte Hohenzollern nachträglich einen Abgeordneten für die verfassungsgebende Preußische Nationalversammlung.

Die hohenzollernschen Soldatenräte, die noch am 1.2.1919 eine Demonstration gegen den Regierungspräsidenten Graf von Brühl und Fürst Wilhelm von Hohenzollern organisiert hatten, lösten sich im Ende des Monats auf, die Arbeiter- und Bauernräte im Verlauf des Jahres 1920.

III. Die Verfassungen Badens und Württembergs; staatliche Verwaltung und kommunale Selbstverwaltung Hohenzollerns

Die badische und die württembergische Verfassung sahen dieselbe Staatsform, die „demokratische Republik“ (badische Verfassung I, � 1), vor. Gemeinsam waren auch die Wahlrechtsbestimmungen (allgemeines, gleiches, unmittelbares und geheimes Wahlrecht), die Aufnahme plebiszitärer Elemente in die Verfassung (Volksabstimmungen über die Auflösung der Landtage und über Gesetze) und der Verzicht auf einen unmittelbar von den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern gewählten Staatspräsidenten.

Unterschiedlich gestaltete sich hingegen die Regierungsbildung.
In Baden wählte der Landtag die einzelnen Minister und alljährlich den Staatspräsidenten und dessen Stellvertreter aus dem Kreis der Minister. Der Staatspräsident war lediglich Primus inter Pares und hatte gegenüber den einzelnen Ministern keine Richtlinienkompetenz, vielmehr arbeitete das Staatsministerium als Kollegialorgan gleichberechtigter Minister.

Im „freien Volksstaat“ (württembergische Verfassung I, � 1) Württemberg hingegen wurde der Staatspräsident vom Landtag für die gesamte Legislaturperiode gewählt. Dieser bestellte hernach die Ressortminister. Das von ihm auf diese Weise berufene, ebenfalls nach dem Kollegialprinzip arbeitende Staatsministerium bedurfte freilich des Vertrauens des Landtags, der auch einzelnen Ministern das Vertrauen entziehen konnte.

In Hohenzollern amtierte noch bis zum 1.10.1919 der unter der Monarchie eingesetzte Regierungspräsident Graf von Brühl. Sein Nachfolger wurde der promovierte Jurist und ehemalige Amtsgerichtsrat Emil Belzer, der der Zentrumspartei angehörte. Nachfolger Belzers als Regierungspräsident wurden Alfons Scherer (1926-1931) und Heinrich Brand (1931-33).
Der Regierungspräsident von Hohenzollern war direkt den preußischen Zentralbehörden unterstellt, allerdings bestanden, zum Beispiel im Schulwesen oder in Kulturangelegenheiten, komplexe Verwaltungsbeziehungen zu den preußischen Rheinprovinzen.
Der hohenzollernsche Kommunallandtag erfuhr in seiner Zusammensetzung durch das preußische Gesetz vom 16.6.1919 eine Veränderung. Die Fürsten von Hohenzollern und die Standesherren waren fortan in diesem Gremium nicht mehr vertreten und alle seine Mitglieder wurden in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Verhältniswahl gewählt.
Im Preußischen Staatsrat erhielt Hohenzollern einen vom Kommunallandtag zu wählenden Vertreter (1919-1930 Emil Belzer), allerdings bildete der Regierungsbezirk weder bei den preußischen Landtagswahlen noch bei den Reichstagswahlen einen eigenen Wahlkreis, sondern war dem Wahlkreis Koblenz-Trier bzw. dem württembergischen Wahlkreis 31 zugeordnet.

Nicht ganz einfach gestaltete sich in der Weimarer Zeit die Beziehungen zwischen den Regierungspräsidenten Belzer (1919-26) und Scherer (1926-1931) und dem hohenzollernschen Fürstenhaus. Die der Weimarer Republik mit Ablehnung gegenüberstehenden Fürsten von Hohenzollern waren auch nach dem Verzicht auf ihre Hoheitsrechte die größten Grundbesitzer und Steuerzahler Sigmaringens und genossen eine gesellschaftliche Sonderstellung, zum Beispiel als Patronatsherren der meisten hohenzollernschen Pfarreien. Als Regierungspräsident Scherer vor diesem Hintergrund „Fürst“ Friedrich Viktor (1891/1927-1965) diese Bezeichnung und die Anrede „Hoheit“ verweigerte, kam es zu einem schweren Konflikt, der – auf Druck der Stadt Sigmaringen – mit der Versetzung Scherers in den einstweiligen Ruhestand beendet wurde.

IV. Krisenhafte Anfänge der badischen und der württembergischen Republik

Infolge des Ersten Weltkrieges waren überall im deutschen Südwesten hohe Verluste an Menschenleben zu beklagen. 150.000 Männer kamen nicht von der Front zurück, hinzu kamen die zivilen Opfer, die durch Unterernährung, die Spanische Grippe oder Fliegerangriffe (Karlsruhe: 168 Luftkriegstote) ums Leben gekommen waren.

Weiter mussten nach Kriegsende Kriegsinvaliden, Witwen und Waisen versorgt werden. Die Umstellung von der Kriegs- auf die Friedenswirtschaft und die Wiedereingliederung der Soldaten in die Zivilgesellschaft gestalteten sich schwierig. Angesichts der unzureichenden Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Kohle und Kleidung, der weit verbreiteten Wohnungsnot und der inflationären Preisentwicklung kam es in badischen und württembergischen Städten zu Protestdemonstrationen und sogar zu Lebensmittelkrawallen. So im Juni 1919 in Mannheim, im Juni 1920 in Stuttgart, Ulm und Ravensburg sowie im Juli 1920 in Karlsruhe.

Baden war in besonderer Weise von der so genannten „Grenzlandnot“ betroffen:
An der Westgrenze des Landes verlief die durch die Versailler Vertrag festgelegte entmilitarisierte Zone. Baden war Hauptaufnahmeland von Deutschen, die Elsass-Lothringen verlassen mussten und für die badische Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie fiel Elsass-Lothringen als Absatzmarkt weg. Außerdem wurde Baden 1923 direkt in den „Ruhrkampf“ verwickelt (Besetzung Offenburgs, der Bahnstation Appenweier und der Häfen von Karlsruhe und Mannheim durch die französische Armee, Unterbrechung der Eisenbahnverbindung Mannheim-Karlsruhe-Basel).
Schließlich stand die Stadt Kehl bis 1930 unter französischer Besatzung, was für die Entwicklung der Stadt eine schwere Belastung bedeutete.

Die Bedrohung der jungen Republik durch gewaltbereite rechtsextreme Kräfte wurde sowohl in Baden als auch in Württemberg deutlich.
Stuttgart war 1920 während des Kapp-Putsches Ausweichquartier der deutschen Regierung und der Nationalversammlung, die ihre Arbeit unter dem Schutz der württembergischen Polizeiwehr im Alten Schloss bzw. im Kunstgebäude fortsetzte.

Im badischen Bad Griesbach ermordeten Angehörige der Organisation Consul am 26.8.1921 Finanzminister Matthias Erzberger und verletzten den Abgeordneten Carl Diez schwer.

mini_4a_Erzberger  Stein

Gedenkstein für Matthias Erzberger bei Bad Griesbach im Schwarzwald
Inschrift: Hier starb Matthias Erzberger, Reichsfinanzminister am 26.8.1921, R*I*P.
© wikimedia commonons (Shakespeare 2008)

Weiter wurde Württemberg zu Beginn der 20er Jahre aufgrund einer allzu duldsamen Haltung der württembergischen Regierung zum Tummelplatz rechtsradikaler Organisationen, während in Baden Innenminister Adam Remmele (SPD) gegen Rechtsradikale in deutlich konsequenterer Weise vorging.

V. Parteientwicklung

In Baden erlitten die Parteien der Weimarer Koalition schon bei den Landtagswahlen von 1921 bei stark gesunkener Wahlbeteiligung einen massiven Einbruch (69,1 % statt 91,5 % der Stimmen), schnitten damit aber bei weitem nicht so schlecht ab wie auf Reichsebene (Reichstagswahl 1920: 47,8 % für die Parteien der Weimarer Koalition).
Auch bei den Wahlen von 1925 und 1929 sollten die Parteien der Weimarer Koalition mit 66,3 % und 63,5 % eine klare Mehrheit im Badischen Landtag erhalten und die radikalen Gegner der Republik konnten keine entscheidenden Stimmengewinne erzielen (1925: KPD: 6,1 %; 1929: KPD 5,9 %, NSDAP 7,0 %).
Die Stimmenverluste der Weimarer Koalition bei der Wahl von 1921 gingen auf Kosten der DDP (8,5 %;-14,3 Prozentpunkte) und der SPD (22,7 %; -9,4 Prozentpunkte), während das Zentrum, das bis 1933 mit Abstand stimmenstärkste Partei blieb, sogar leicht zulegen konnte (37,9 %; +1,3 Prozentpunkte). Auffällig war auch die einsetzende Zersplitterung des Parteienspektrums, entsandten doch statt vier nun neun Parteien ihre Vertreter ins Karlsruher Ständehaus.

Obwohl in Baden ab 1921 die Bildung einer rein bürgerlichen Regierung rechnerisch möglich gewesen wäre, hielt das unter dem Vorsitz Josef Schofers, des „ungekrönten Großherzogs von Baden“ (Pius Enderle), stehende Zentrum bis Anfang 1930 an der Koalition mit der SPD und der DDP fest – auch dies in deutlichem Unterschied zum Reich, wo schon seit 1922 keine allein von den Parteien der Weimarer Koalition getragene Regierung mehr im Amt war.
Nach der letzten freien Landtagswahl am 27.10.1929 gestaltete sich allerdings die Regierungsbildung vor dem Hintergrund der anstehenden Konkordatsverhandlungen schwierig.
Der seit 1920 in Berlin amtierende Nuntius Eugenio Pacelli handelte wegen der seit der Novemberrevolution veränderten staatsrechtlichen Situation im Auftrag von Papst Pius XI. mit den einzelnen deutschen Länder Konkordate aus, so waren 1924 mit Bayern und im Juni 1929 mit Preußen Konkordate abgeschlossen worden.
Die DDP beteiligte sich nach der Wahl von 1929 wegen Meinungsdifferenzen in der Konkordatsfrage nicht mehr an der Regierung, die damit allein von Zentrum und SPD gestellt wurde. Das Ausscheiden der DDP aus der Regierung konnte 1931 durch die Einbindung der DVP in die Regierungskoalition kompensiert werden, wofür freilich die SPD auf das von Adam Remmele geleitete Kultusministerium verzichten musste. Damit schied ein Politiker, der die heraufziehende Gefahr des Nationalsozialismus klar erkannte und als Kultusminister disziplinarisch gegen Lehrer, die sich für die NSDAP engagierten, vorgegangen war, aus der Landesregierung aus. Am 29.11.1932 zog sich die SPD, nachdem sich ein Sonderparteitag gegen den Abschluss des Konkordats ausgesprochen hatte, sogar ganz von der Regierung zurück. Die letzte demokratische Regierung unter Josef Schmitt (Zentrum) konnte sich daher bei den Abstimmungen über das Konkordat im Dezember 1932 nur noch auf eine hauchdünne Mehrheit von Zentrum (das den mit doppelter Stimme ausgestatteten Landtagspräsidenten stellte), DVP und Wirtschaftspartei stützen.

Solcherart beanspruchte die Konkordatsfrage seit 1929 die Energie und Aufmerksamkeit der badischen Regierung in sehr hohem Maße. Probleme wie die sich herausbildende Massenarbeitslosigkeit, die Gefährdung der der Demokratie durch den Aufstieg der NSDAP und der Umstand, dass zwischen August 1932 und Januar1933 wegen der koalitionsinternen Streitigkeiten zwischen SPD und Zentrum ausgerechnet das Innenministerium unbesetzt blieb, traten dagegen in den Hintergrund und fanden nicht die notwendige Aufmerksamkeit.

Tabelle 1

Erwähnt werden sollte noch an dieser Stelle, dass eine ganze Reihe von Badenern zwischen 1919 und 1930 politische Spitzenämter auf Reichsebene übernahmen:

  • Der Heidelberger Friedrich Ebert (1871-1925, SPD) war zwischen 1919 und 1925 Reichspräsident

Friedrich Ebert

Reichspraesident Friedrich Ebert 1920 in Stuttgart vor dem Kunstgebäude
© LMZ 025577

  • der Mannheimer Hermann Müller (1876-1931, SPD) 1920 und 1928-30 Reichskanzler

  • Constantin Fehrenbach aus Wellendigen im Hochschwarzwald (1852-1926, Zentrum) 1919/20 Präsident der Weimarer Nationalversammlung und 1920/21 Reichskanzler

  • der Freiburger Joseph Wirth (1879-1956, Zentrum) 1921/22 ebenfalls Reichskanzler.

In Württemberg fielen die Landtagswahlen 1920, 1924 und 1928 mit den Reichtagswahlen zusammen und wurden von diesen überlagert.

Bei den Landtagswahlen von 1920 erreichten die Parteien der Weimarer Koalition nur noch 53,3 % und fielen 1924 sogar auf 47,5 % ab. Stimmenstärkste Partei wurde 1920 und 1924 das Zentrum (22,5 %, 20,9 %), gefolgt vom Bauern- und Weingärtnerbund (17,7 %, 20,2 %).

Bei den Wahlen von 1920 und 1924 gingen die Verluste der Weimarer Koalition wie in Baden zu Lasten der DDP (14,7 %, 10,6 %; -10,3, - 4,1 Prozentpunkte) und der SPD (16,1 %, 16,0 %; -18,3, 1924 trotz Wiedervereinigung mit der USPD -0,1 Prozentpunkte), die in starke, Maße Stimmen an die USPD (1920: 13,2 %, +10,1 Prozentpunkte) und die KPD (1920: 3,0 %, +3,0 Prozentpunkte; 1924: 11,7 %, + 8,7 Prozentpunkte) abgab. Einen vergleichbaren Aufstieg wie die radikalen Linksparteien erlebte der Württembergische Bauern- und Weingärtnerbund, der 1920 8,8 Prozentpunkte und 1924 nochmals 2,5 Prozentpunkte hinzugewann. Bemerkenswert war auch, dass der nationalsozialistische Völkisch-Soziale Block 1924 bereits 4,0 % und die diesmal als „Vaterländisch-Völkischer Rechtsblock“ firmierende Bürgerpartei 10,4 % erreichte.

Im Gegensatz zu Baden beteiligte sich die SPD nur bis zu ihrer schweren Wahlniederlage im Jahr 1920 und dann nochmals zwischen November 1921 und Mai 1923 an der Regierung, ansonsten wurde Württemberg bis 1924 von einem von Zentrum und DDP gestellten (und von der SPD tolerierten) Minderheitskabinett regiert. Vor der Wahl von 1924 entwickelte sich allerdings eine schwere Regierungskrise, die durch eine höchst umstrittene Verwaltungsreform (Verminderung der Zahl der Oberämter) hervorgerufen wurde und in dem Rücktritt von Staatspräsident Hieber (DDP), dem Zerbrechen der Koalition zwischen DDP und Zentrum und der Wahl des parteilosen Staatsrats Edmund Rau zum interimistischen Staatspräsidenten gipfelte. Raus Nachfolger wurde nach dem Rechtsruck von 1924 der Deutschnationale Edmund Bazille, der sich auf eine „schwarz-blaue“ Koalition, bestehend aus Zentrum, Bauern- und Weingärtnerbund und dem Vaterländisch-Völkischen Rechtsblock stützte.

Bei den Wahlen von 1928 wurde die SPD, die seit 1924 einen harten Oppositionskurs verfolgt und 1928 einen sehr modernen Wahlkampf geführt hatte, mit 23,8 % vor dem Zentrum wieder stimmenstärkste Partei. Hingegen verloren die Deutschnationalen (5,7 %), der Bauern- und Weingärtnerbund (18,1 %), aber auch die KPD (7,4 %) deutlich an Boden, was den Parteien der Weimarer Koalition rechnerisch eine Mehrheit von 53,5 % verschaffte. Allerdings lehnte das von der SPD im Wahlkampf heftig attackierte Zentrum eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten ab und bildete unter Staatspräsident Eugen Bolz zusammen mit der Bürgerpartei und dem Bauern- und Weingärtnerbund eine Minderheitsregierung, die von DVP und Christlich-Sozialem Volksdienst toleriert wurde.

Eugen Bolz

Eugen Bolz um 1923
© LMZ 096983

Vor dem Hintergrund der heranziehenden Weltwirtschaftskrise gelang dann Anfang 1930 die Bildung eines stabilen „Bürgerblocksregierung“, die Zentrum, DDP, DVP, Bauern- und Weingärtnerbund und Deutschnationale einschloss. Dennoch schlug Staatspräsident Eugen Bolz nach dem Vorbild Brünings ab Ende September 1931 einen zunehmend autoritären Kurs ein und begann am Parlament vorbei mit Notverordnungen zu regieren.

Tabelle 2

Bei der letzten freien Landtagswahl am 24.4.1932 erzielte die NSDAP v. a. in den landwirtschaftlich strukturierten Gebieten mit evangelischer Bevölkerung sehr hohe Zuwachsraten und fuhr mit 26,4 % einen erdrutschartiger Sieg ein. Alle anderen Parteien außer Zentrum (20,5 %; +0,9 Prozentpunkte) und KPD (9,4 %; + 2,0 Prozentpunkte) verloren deutlich an Stimmen (SPD: 16,6 %, -7,2 Prozentpunkte; Bauern- und Weingärtnerbund 10,7 %, -7,4 Prozentpunkte; DDP 4,8 %, -5,3 Prozentpunkte), so dass das Parlament nicht mehr ein der Lage war, mehrheitlich einen Staatspräsidenten zu wählen. Das Kabinett Bolz blieb als geschäftsführende Minderheitsregierung im Amt und regierte bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten mit Hilfe von Notverordnungen.


VI. Die „Goldenen Zwanziger“

Die Regierungen im deutschen Südwesten verstanden es trotz aller Probleme und Schwierigkeiten, die die Zeit der Weimarer Republik mit sich brachte, die Entwicklung Badens und Württembergs zu leistungsfähigen Industrieländern voranzutreiben.
Hierbei konnten sie sich, wie oben bereits dargestellt, zumeist auf stabile parlamentarische Mehrheiten und eine gut arbeitende, sich insgesamt eher als „unpolitisch“ verstehende Beamtenschaft stützen.
Der wirtschaftlich-technische Modernisierungsprozess wurde von Seiten des Staates durch Infrastrukturmaßnahmen und durch die Förderung des Bildungswesens nach Kräften unterstützt.

Baden baute über die Badische Elektrizitätsversorgung AG, das spätere „Badenwerk“, ab 1921 eine staatseigene Elektrizitätsversorgung und -verteilung auf. Zusätzlicher Strom wurde durch den Bau weiterer Rheinkraftwerke (Ryburg-Schwörstadt, 1927-1931; Albbruck-Dogern, 1920-1933), durch den Ausbau des während des Ersten Weltkriegs errichteten Murgkraftwerks und den Bau des Großkraftwerks Mannheim (1921-1923), des Schwarzenbachwerks (1922-1926) und des Schluchseewerks (1929-1932) gewonnen.

Schluchsee

Bau der Schluchsee-Staumauer, 1930
© LMZ313391

In Württemberg entstand im Unterschied zu Baden eine recht zersplitterte Elektrizitätslandschaft, in der sich allerdings drei Großwerke, die Technischen Werke Stuttgart, die Neckarwerke AG Esslingen und die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke Biberach, fanden. Insgesamt wurden in Württemberg aber noch 1935 nur 44 % der in Baden zur Verfügung stehenden elektrischen Energie produziert.

Eine weitere wichtige Infrastrukturmaßnahme im Südwesten war der Ausbau und die Elektrifizierung des Eisenbahnnetzes und die Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrs in den Ballungszentren. Ab 1921 erfolgte der Ausbau des Neckars als Schifffahrtsweg von Mannheim bis Heilbronn (abgeschlossen 1935), was das Ende der Neckar-Kettenschifffahrt bedeutete.

Des Weiteren wurde sowohl in Baden als auch in Württemberg der Rundfunk gefördert.
In Baden erfolgte 1926 die Inbetriebnahme des Zwischensenders Freiburg, in Stuttgart wurde 1924 die Süddeutsche Rundfunk AG gegründet, die ihr Programm mittels eines MW-Rundfunksenders mit 0,25 kW Leistung ausstrahlte und im Jahr 1927 immerhin schon 60.000 Hörer besaß.

Die dichte Hochschullandschaft Badens und Württembergs (Universitäten Heidelberg, Freiburg und Tübingen, Technische Hochschulen Karlsruhe und Stuttgart, Höhere Bauschule Stuttgart, Handelshochschule Mannheim, Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim, Technikum für Textilindustrie Reutlingen, Fachschule für Feinmechanik Schwenningen, Höhere Fachschule für Edelmetallindustrie Schwäbisch Gmünd) erlebte zusammen mit dem Schulwesen in der Weimarer Zeit einen deutlichen Ausbau. Allerdings wurde bald die republikfeindliche Ausrichtung von Teilen der Professoren- und Studentenschaft deutlich. In Heidelberg, wo doch Professoren wie Karl Jaspers, Gustav Radbruch, Martin Dibelius und Alfred Weber lehrten, konnte die „Nationalsozialistische Studentenschaft“ schon 1924 bei den AStA-Wahlen 3 von 14 Sitzen erlangen und noch im gleichen Jahr wurde die Treibjagd auf den pazifistisch eingestellten Privatdozenten bzw. außerordentlichen Professor für statistische Mathematik Emil Julius Gumbel eröffnet. Gumbels Aufruf am 24.7.1924 zu einer Schweigeminute für die toten Soldaten, „die – ich will nicht sagen – auf dem Felde der Unehre gefallen sind, aber doch auf gräßliche Weise ums Leben kamen“, führte zu seiner vorübergehenden Suspendierung, seine Ernennung zum außerordentlichen Professor im Jahr 1930 zu den „Gumbelkrawallen“ und schließlich eine verbale Attacke Gumbels gegen Kriegerdenkmäler 1932 zum Entzug der Lehrberechtigung durch Kultusminister Eugen Baumgartner (Zentrum). Die Rechtswendung der Heidelberger Studentenschaft zeigten auch die Aktionen des AStA im Juli 1931 während der Einweihungsfeierlichkeiten für das durch den amerikanischen Botschafter Jakob Gould Schurman gestiftete neue Vorlesungsgebäude.
Vergleichbar stellte sich die Lage in Tübingen dar, wo es im Jahr 1925 anlässlich eines Vortrags Gumbels ebenfalls zu Krawallen kam und 1929 der sozialistische Vorstellungen vertretende Nationalökonom Robert Wilbrandt zum Weggang an die Technische Hochschule Dresden genötigt wurde. Im Juli1932 gewann in Tübingen der NSDStB die Hälfte der Sitze im AStA, und im Herbst 1932 schloss sich die Tübinger Studentenschaft korporativ Alfred Rosenbergs „Kampfbund für deutsche Kultur“ an.

Das hohe technische Niveau und die relative wirtschaftliche Stärke Badens und Württemberg traten während der 20er Jahre deutlich zutage.
Die Automobilbranche im Südwesten geriet zwar in eine kritische Absatzlage, der zum Beispiel 1926 die zwischenzeitlich durchaus erfolgreiche Steiger AG/Burgrieden zum Opfer fiel, doch konnten sich durch eine im gleichen Jahr vollzogene Fusion die Daimler-Motoren-Gesellschaft und Benz & Cie. als Daimler-Benz AG behaupten. Das Gleiche galt für die „Maybach-Motorenbau GmbH“/Friedrichshafen, die gezielt das Luxussegment des Automobilmarkts bediente (z. B. Maybach Zeppelin DS 8).

Steiger Tourenwagen

Steiger-Tourenwagen Typ 10 mit 50 PS (1922)
© 8mobili, Wikipedia, CC BY-SA 2.0 DE

Einen wichtigen Beitrag zur Motorisierung der Landwirtschaft leistete die Mannheimer Firma Lanz, die ab 1921 ihrer „Bulldogs“ produzierte.

Für die in Friedrichshafen beheimatete Luftschifffahrt begann Ende der 1920er Jahre nochmals eine große Blütezeit.
Der 1928 fertiggestellte LZ 127 „Graf Zeppelin“ begeisterte die Welt mit spektakulären Demonstrationsfahrten:

▪ Weltfahrt (1929)
▪ Polarfahrt (1931)
▪ Ägypten-Palästina-Rundfahrt (1931)

Ab 1930 wurde sogar ein transatlantischer Liniendienst mit Zeppelinen aufgenommen.

Zeppelin

Luftschiff LZ 127 „Graf_Zeppelin“ beim Wassern auf dem Bodensee um 1930
© LMZ020588

Die von Claude Dornier (1884-1969) 1922 gegründete Dornier-Metallbauten GmbH (Standort Seemoos, seit 1923 Manzell) produzierte ab 1922 das „Wal“-Flugboot, ab 1929 dann das Riesenflugboot Do X und stieg hierdurch zu einer international bekannten Firma auf.

Im kulturellen Bereich brachten Baden und Württemberg in den Zwanziger Jahren gleichfalls beachtliche Leistungen hervor.

Das Landestheater Stuttgart wurde zu einem Zentrum des expressionistischen Theaters, das badische Landestheater in Karlsruhe spielte Lew N.Tolstoi, Georg Kaiser, Carl Sternheim, Walter Hasenclever, Bert Brecht und Carl Zuckmayer, das Nationaltheater Mannheim Frank Wedekind, Georg Kaiser, Carl Zuckmayer und Bert Brecht und das Theater Freiburg Bert Brecht, Franz Werfel, Frank Wedekind und Ernst Toller. Die Mannheimer Oper und die Freiburger Oper führten Paul Hindemith und Alban Bergs „Wozzeck“ auf, und in Stuttgart setzte die Oper unter der Leitung von Fritz Busch gleichfalls neue Akzente.

Im Bereich der Malerei war die Stuttgarter Kunstakademie bis 1919 weit über die Landesgrenzen hinaus als Zentrum der modernen Malerei bekannt. Heftig umstritten war aber dann 1924 die vom Direktor der Staatsgalerie Otto Fischer initiierte Ausstellung „Neue Deutsche Kunst“ im Kunstgebäude am Schlossplatz, auf der alle bekannten Künstler des Expressionismus vertreten waren. In Karlsruhe wirkte die „Gruppe Rih“, und auch an der Badischen Kunstschule setzten sich unter dem Rektorat von August Babberger (1923-1930) moderne Strömungen durch. Die Kunsthalle Mannheim stellte schon seit 1920 moderne Kunst aus (z. B. Ausstellung „Neue Sachlichkeit“, 1925) und erwarb auch moderne Kunst.

Die 1921 gegründeten Donaueschinger Musiktage zielten auf die Förderung der neuen Musik ab und sahen Uraufführungen von Werken von Paul Hindemith, Alban Berg, Arnold Schönberg und Anton Webern.

In der Architektur fand die vom Deutschen Werkbund 1927 auf dem Stuttgarter Killesberg erbaute Weißenhofsiedlung internationale Anerkennung.

Weißenhof

Blick vom Turm des Höhenrestaurants auf die Weißenhofsiedlung, 1930
© LMZ030086

Kritisch stand diesem Wohnprogramm der Moderne der Architekt des 1928 vollendeten Stuttgarter Bahnhofs Paul Bonatz gegenüber –
„eher an eine Vorstadt Jerusalems erinnernd als an Wohnungen für Stuttgart“ –, was als exemplarisch für die vielfältige innere Zerrissenheit der Weimarer Republik gelten kann.

VII. Wirtschaftlich-politische Krise und Ende der badischen und württembergischen Republik

Von der Weltwirtschaftskrise, einer der wesentlichen Ursachen für den Untergang der Weimarer Republik, wurden Baden (Arbeitslosenquote 1933: 16 %) und vor allem Württemberg (Arbeitslosenquote 1933: 9 %) nicht in so starkem Maße erfasst wie das Reich (Arbeitslosenquote 1933: 27 %).

Hierbei waren von der wirtschaftlichen Depression die Textil-, Nahrungs- und Genussmittelindustrie und Textilindustrie weniger, in unterschiedlichem Maße die Metallverarbeitung, der Maschinen-, Apparate- und Instrumentenbau, die elektrotechnische und feinmechanische Industrie, stärker die Uhren-, Schmuckwaren, Musikinstrumenten- und Spielwarenindustrie sowie der Automobilbau betroffen. Im Bereich der Landwirtschaft wurden die Holzwirtschaft und der Tabakanbau massiver von der Krise geschüttelt als die traditionelle Landwirtschaft.

Die von der Weltwirtschaftskrise entscheidend profitierende NSDAP hatte in Baden seit Beginn der 20er-Jahre Ortsgruppen aufgebaut, in Mannheim 1921, in Heidelberg 1922 und in Karlsruhe 1923.
1929 holte sie 7 % der Wählerstimmen bei der Landtagswahl, wobei die NSDAP besonders stark in der Universitätsstadt Heidelberg abschnitt (14,5 %).

Immer wieder machte die Partei auch durch Gewalttaten und Schlägereien auf sich aufmerksam (z. B. Schlägerei am 23.4.1929 in der Karlsruher Festhalle anlässlich einer Rede von Max Hölz und Verurteilung des Gauleiters und NS-Landtagsabgeordneten Robert Wagner wegen einer Schlägerei am 19.12.1929 während der Konferenz der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Eisenbahnbeamten in Karlsruhe) und hatte in Baden bis zum Januar 1932 die Bürgerkriegsarmee der SA auf ca. 6.000-7.000 Mann ausgebaut.

Bei den Reichstagswahlen von 1930 und 1932 erzielte die NSDAP in Baden insgesamt leicht überdurchschnittliche Ergebnisse (1930 19,2 %, 1932-I 36,9 %, 1932-II 34,1 %; Reich: 18,3 %, 37,3 %, 33,1 %), was mit der organisatorischen Stärke der badischen NSDAP und der Grenzlandsituation in Verbindung gebracht werden kann.
Im Landtag aber verfügte die NSDAP am 30.1.1933 weiterhin über nicht mehr als 6 Mandate.

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, dem Reichstagsbrand und den nicht mehr freien Reichstagswahlen am 5.3.1933 ernannte die Reichsregierung unter dem Vorwand, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in Baden nicht mehr gewährleistet sei, am 8.3.1933 den NSDAP-Gauleiter Robert Wagner zum Reichskommissar und Reichspolizeikommissar für Baden. Hiermit waren die Weichen für die endgültige „Gleichschaltung“ Baden gestellt und eine Verhaftungswelle fegte über das Land hinweg (z. B. Verhaftung und später Ermordung des prominenten SPD-Politikers Ludwig Marum).

Marum

Überführung von Ludwig Marum und Adam Remmele in das Konzentrationslager Kislau am 16.5.1933.
© LMZ039658

Die vom Zentrum geführte Regierung unter Josef Schmitt trat am 10.3.1933 zurück, blieb allerdings noch geschäftsführend im Amt, um am Morgen des 11.3.1933 das Konkordat zu ratifizieren. Noch am 11.3.1933 übernahm aber Reichskommissar Wagner die Ämter des Staatspräsidenten und Innenministers und stellte eine aus Nationalsozialisten bestehende kommissarische Regierung zusammen.
Am 5.5.1933 wurde Wagner Reichsstatthalter und übertrug in dieser Eigenschaft am 6.5.1933 dem NSDAP-Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Gauleiter Walter Köhler das neu geschaffene Amt des badischen Ministerpräsidenten.
Der badische Landtag wurde gemäß dem „Vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 31.3.1933 entsprechend dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 5.3.1933 umgestaltet, wobei die auf die KPD entfallenen Mandate nicht mehr besetzt wurden. Das gleichgeschaltete Länderparlament – die NSDAP verfügte jetzt über 30 von 57 Sitzen – verabschiedete am 9.6.1933 gegen die Stimmen der fünf noch nicht in Schutzhaft befindlichen SPD-Abgeordneten ein Ermächtigungsgesetz, das alle parlamentarischen Befugnisse auf die Landesregierung übertrug. Danach trat der Landtag bis zu seiner offiziellen Abschaffung durch das „Gesetz zum Neuaufbau des Reiches“ vom 30.1.1934 nicht mehr zusammen.

In Württemberg gründete die NSDAP in der Landeshauptstadt Stuttgart im Juli 1920 eine ihrer ersten Ortsgruppen außerhalb Bayerns. Ab Juni 1922 wurden von Tübingen ausgehend weitere Ortsgruppen gegründet und Kontakte mit der Bürgerpartei und dem Bauern- und Weingärtnerbund aufgenommen.

Bei den Landtagswahlen von 1924 holten die Nationalsozialisten 4,0 % der Wählerstimmen, doch 1928 vermochte die durch innere Streitigkeiten erschütterte NSDAP nur noch 1,8 % der Wählerstimmen für sich zu gewinnen. Seit 1930 machte die NSDAP in Württemberg durch eine große Zahl von Umzügen, Massenveranstaltungen, Gewalttaten und Straßenschlachten auf sich aufmerksam. Bei den letzten württembergischen Landtagswahlen während der Weimarer Republik am 24.4.1932 gelang ihr mit einem Ergebnis von 26,4 % der Wählerstimmen dann ein gewaltiger Zugewinn von 24,6 Prozentpunkten.

Ein Blick auf die Reichstagswahlen der Jahre 1930 und 1932 zeigt jedoch, dass die NSDAP in Württemberg im Gegensatz zu Baden in markanter Weise unterdurchschnittlich abschnitt (1930 9,4 %, 1932-I 30,5 %, 1932-II 26,5 %; Reich: 18,3 %, 37,3 %, 33,1 %). Dies verblüfft insofern, als in Württemberg die Schlüsseldeterminanten für NSDAP-Erfolge viel eher erfüllt scheinen als in Baden. In Württemberg kamen allerdings eine ganze Reihe von Sonderfaktoren zum Tragen, die ein besseres Abschneiden der NSDAP verhinderten (organisatorische Schwäche der württembergischen NSDAP, linksliberale und pietistische Tradition des Landes, besonders stabiles katholisches Wählersegment, Existenz regionaler Milieuparteien wie Christlich-Sozialer Volksdienst und Württembergischer Bauern- und Weingärtnerbund, stark konservative Ausrichtung der württembergischen Landesregierungen seit 1924).

Am 3.2.1933 vertagte sich der seit den Landtagswahlen vom 24.4.1932 nicht mehr arbeitsfähige Landtag auf die Zeit nach den Reichstagswahlen vom 5.3.1933 und die Regierung Bolz verblieb nur noch geschäftsführend im Amt. Am 8.3.1933 setzte Reichsinnenminister Frick – wie in Baden unter dem Vorwand, dass Ruhe und Ordnung gefährdet seien – mit dem NSDAP-Reichstagsabgeordneten und SA-Obergruppenführer Dietrich von Jagow einen Reichskommissar ein. Dies hatte zur Folge, dass im Land etwa 500 KPD-Funktionäre und -Mitglieder verhaftet, die oppositionelle Presse unterdrückt und das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ sowie die „Eiserne Front“ verboten wurden.
Am 15.3.1933 wählte der Landtag den NSDAP-Gauleiter Wilhelm Murr mit den Stimmen von NSDAP, Deutschnationalen sowie Bauern- und Weingärtnerbund zum Staatspräsidenten. Auf der Basis des „Zweiten Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 7.4.1933 folgte am 6.5.1933 die Ernennung Murrs zum Reichsstatthalter, der daraufhin eine neue, unter der Leitung Christian Mergenthaler stehende Landesregierung installierte, die bis auf den deutschnationalen Finanzminister Alfred Dehlinger nur aus Nationalsozialisten bestand.
Der Württembergische Landtag wurde nach gleichem Muster wie in Baden gleichgeschaltet, entmachtet (8.6.1933 bei Abwesenheit der SPD-Abgeordneten einstimmige Annahme eines Ermächtigungsgesetzes) und am 30.1.1934 schließlich aufgehoben.

In Hohenzollern trat die NSDAP erst Ende der 20er Jahre in Erscheinung.
Bei den Wahlen zum Kommunallandtag im Jahr 1929 erzielte sie noch ein sehr schlechtes Ergebnis (4,2 %), bei den drei Reichstagswahlen von 1930 und 1932 erzielte sie mit 8,3 %, 21,9 % und 17,7 % im Vergleich zu 1929 deutliche Gewinne, die aber erheblich unter dem Reichsdurchschnitt lagen.

Auch in Hohenzollern kam es nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zur Verhaftung von politischen Gegnern. Im Zuge der „Gleichschaltung“ des Staatsapparates erregte vor allem die Entlassung von Regierungspräsident Heinrich Brand (Zentrum) am 22.2.1933 Aufsehen. Die nicht mehr freien Wahlen zum Kommunallandtag am 12.3.1933 brachten für die Zentrumspartei nur noch 50,2 % und für die NSDAP bereits 38,1 %, doch hatte dieses Wahlergebnis keine Bedeutung mehr, da das Oberpräsidentengesetz vom 15.12.1933 den Kommunallandtag beseitigte und seine Befugnisse auf den neuen Regierungspräsidenten Carl Simons übertrug.

Staatenübergreifender/ europäischer/ globaler Bezug

Insbesondere die Geschichte Badens während der Weimarer Republik weist zahlreiche Bezüge zur französischen Geschichte (französische Außenpolitik im Kontext des Versailler Vertrags) auf.

Weiter verdeutlichen die „Goldenen Zwanziger“, wie stark Kultur, Kunst und Architektur im deutschen Südwesten von der europäischen bzw. weltweiten Entwicklung geprägt waren, aber auch durchaus eigene Akzente setzen konnten.

Letzteres gilt auf dem Feld der Technik auch für den Friedrichshafener Zeppelinbau oder die Flugzeugbau durch Dornier.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -


Der Text dieser Seite ist verfügbar unter der Lizenz CC BY 4.0 International
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de

Bitte beachten Sie eventuell abweichende Lizenzangaben bei den eingebundenen Bildern und anderen Dateien.