Der Erste Weltkrieg am Bodensee - ganz weit weg?

Hintergrund

Bedeutung

Das Beispiel Konstanz zeigt exemplarisch, dass der Erste Weltkrieg auch in weit von der Front entfernt liegenden Regionen das Leben, Denken und Fühlen der Menschen grundlegend geprägt und verändert hat.

Der Konstanzer Lehrer O.R.

B 8 Der Konstanzer Lehrer O.R. erlebte den Ersten Weltkrieg an der West- und Ostfront.
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Konstanz war Garnisonsstadt, das ansässige Regiment 114 kämpfte an der Westfront (u.a. in Flandern) und hatte große Verluste zu beklagen; Konstanzer aus anderen Regimentern erlebten den Krieg auch an der Ostfront. Durch Briefe, Erzählungen und Tagebücher wurden die zum Teil grauenhaften Erlebnisse der Soldaten auch ihren Familien und Freunden bekannt. Ein eindrückliches Beispiel ist das Kriegstagebuch des Konstanzer Lehrers O.R., dessen Front-Erfahrungen bei ihm auch eine grundlegende Veränderung seiner Haltung zu Krieg, Feind und Nation bewirken: aus einem kriegsbegeisterten jungen Mann, der sich freiwillig zum Krieg meldet, wird ein nachdenklicher, der die nationalistische Propaganda und die Sinnhaftigkeit des Krieges zunehmend hinterfragt.

Freiwillige

B 5 Freiwillige stehen im August 1914 aufgereiht im Kasernenhof, bereits eingekleidete Soldaten warten geduldig auf die Abfahrt zur Front
© Stadtarchiv Konstanz / Dieses Bild ist von der Lizenz CC-BY 4.0 ausgenommen

An den Tagebüchern von zwei Konstanzer Frauen lässt sich zeigen, wie die anfängliche Kriegsbegeisterung der meisten Menschen in Skepsis und schließlich Kriegsmüdigkeit umschlägt. Die Aufzeichnungen der Witwe E.S. aus dem Jahr 1914 machen deutlich, wie stark Militarismus und Nationalismus, initiiert durch massive Propaganda, das Denken und Fühlen vieler Menschen damals beeinflusst und verzerrt haben. Das Tagebuch der Maria Wolf macht hingegen deutlich, dass es auch damals junge Menschen gab, die dem Krieg und der Propaganda von Beginn an skeptisch gegenüberstanden und deutlich wahrnahmen, was der Krieg den Menschen abverlangte.

Lazarettzug

B 12 Konstanz war nicht nur Garnisons-, sondern auch Lazarettstadt. Viele Verwundete wurden hier medizinisch versorgt.
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Konstanz war Lazarettstadt: Zahlreiche Kriegsverwundete wurden in Konstanzer Spitälern behandelt. Außerdem war Konstanz Drehscheibe für den Gefangenenaustausch zwischen Deutschland und Frankreich. Der Anblick der zahlreichen Verwundeten, die zum Teil fruchtbar entstellt waren, zeigte den Konstanzern die grausamen Folgen des Krieges. Die Aufzeichnungen der Maria Wolf machen dies eindrücklich deutlich.

Karl Einhart, Traum eines Soldaten

B 13 Karl Einhart, Traum eines Soldaten, Skizze 1916.
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Wie nah der Krieg den Menschen in der Bodenseeregion war, wird auch durch die zahlreichen künstlerischen Zeugnisse der Zeit deutlich.

Besonders eindrückliche Gedichte und Zeichnungen zum Krieg enthalten die Ausgaben von 1916 und 1918 des Bodenseebuchs. Es erschien von 1914 bis 1965 im Konstanzer Verlag Reuß und Itta und wollte ein Spiegelbild für das künstlerische, literarische, historische und naturkundliche Schaffen rund um den Bodensee sein.

Bedeutende Literaten und Künstler wie Hermann Hesse, Emanuel von Bodman, Rene Schickele und Karl Einhart publizierten dort. In den Zeugnissen überwiegt ein patriotischer, insgesamt aber eher nachdenklicher Blick auf den Krieg, der diesen einerseits als unvermeidbares `Verhängnis´ sieht, zugleich aber vor allem das Leid der Menschen in den Vordergrund rückt. Grundlegende Kriegskritik ist die Ausnahme; auch hier hat das Modul exemplarische Bedeutung.

Brennholzlager

B 6 Städtisches Brennholzlager auf dem Döbele: Hier konnten Bürger auf Bezugsschein Holz für Küchenherd und Ofen erhalten.
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Die Folgen des Kriegsbeginns stellten die Konstanzer Stadtverwaltung vor besondere Aufgaben. Das Thema `Heimatfront´ kann am Konstanzer Beispiel exemplarisch aufgezeigt werden. Folgte auf die unmittelbar einsetzende Arbeitslosigkeit nach Kriegsbeginn schnell eine Phase der Vollbeschäftigung und des Arbeitskräftemangels, prägte die Teuerung von Gütern des täglichen Bedarfs alle Kriegsjahre.

Gerade für Soldatenfamilien wurde die Lage prekär: der Wegfall des Verdienstes konnte durch die staatlichen Unterstützungszahlen kaum aufgefangen werden. Die zahlreichen Edelmetallsammlungen sowie die massive Werbung für die Zeichnung von Kriegsanleihen forcierten weiterhin die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.

Profitierten Unternehmen vom Krieg, die kriegswichtige Produkte herstellten, wurde die Situation für Handel und Handwerk schwierig und es kam zu zahlreichen Betriebsschließungen – bei kleinen Familienunternehmen nicht zuletzt auch durch die Einberufung des Meisters.

Der schlechten Ernährungssituation der Konstanzer Bevölkerung – bedingt durch die alliierte Blockade der wichtigsten Importrouten und durch die schlechten Ernten während der Kriegsjahre – versuchten Reich und Stadt mit unterschiedlichen Strategien zu begegnen. Die Einführung von Lebensmittelkarten sollte sicherstellen, dass die Menschen ausreichend versorgt wurden.

Reichsfleischkarte

B 4 Eine Reichsfleischkarte von 1917 mit kleinen Abriss-Coupons für die jeweils genehmigten, aber häufig nicht zur Verfügung stehenden Fleischzuteilungen.
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Zudem legte der engagierte Konstanzer Oberbürgermeister Dietrich die Versorgung mit Kartoffeln, Mehl und Milch weitgehend in die Hände der Stadtverwaltung. Damit sollte auch dem massiven Preisanstieg entgegengewirkt werden. Trotz dieser Maßnahmen wurden vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten nicht mit der Teuerung fertig, so dass für sie von der Stadt und karikativen Einrichtungen Volksküchen eingesetzt wurden. Nicht zuletzt die schlechte Versorgungssituation führte ab dem Jahr 1916 zu einer zunehmenden Kriegsmüdigkeit.

Die Folgen des Krieges waren für Konstanz zwiespältig. Der Krieg hatte die Stadt tiefgreifend verändert. Über 1000 Konstanzer waren gefallen oder als vermisst gemeldet, über 3000 waren – oft mehrfach – verwundet worden, mit zum Teil gravierenden physischen und psychischen Folgen. Zudem hatte die Bevölkerung einen großen Teil ihrer Ersparnisse und Wertobjekte verloren. Viele kleine Handwerksbetriebe hatten den Krieg nicht überlebt.

Der bis 1914 rege Handel mit der Schweiz brach während und nach dem Krieg ein. Die offene Grenze wurde nach Kriegsausbruch geschlossen und blieb es auch. Beim Konstanzer Handel sorgte dies für beträchtliche Einbußen.

Andererseits sorgte der Krieg für eine „vorsichtige Modernisierung“ (Lothar Burchardt). Der Männermangel der Kriegszeit hatte – zumindest während der Kriegszeit - Frauen Zugang zu Berufen verschafft, die bislang reine Männerdomänen gewesen waren. Auch wenn nach Kriegsende viele Frauen ihre Berufe wieder verloren, blieb ein gesteigertes weibliches Selbstbewusstsein. Der Personalmangel in Konstanzer Büros hatte zudem die Einführung moderner Schreib- und Rechenmaschinen forciert. Weil die Stadt ihre Zugpferde während des Krieges abliefern musste, hatte sie ihre ersten Motorfahrzeuge angeschafft.

 

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -


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