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Biographien von Negreros

Das Beispiel Ramon Ferrer
Ramón Ferrer verkörpert paradigmatisch alles, was ein Sklavenhändler-Kapitän (negrero) des 19. Jahrhunderts, vor allem nach 1820, ist: vom armen Küstenbewohner Ibizas zum wagemutigen Kapitän und Schmuggler, der nicht nur kleinen Küstenhandel betreibt – sich aber gerne als bescheidener Kapitän darstellt. Ferrer hat aber auch ganz groß Sklaven von Afrika nach Amerika geschmuggelt und hohe Profite in diesem Menschenkapitalismus gemacht. Wahrscheinlich gehen mehrere Sklaven-Fahrten nach Afrika zwischen 1830 und 1839 auf sein Konto. Neben den Profiten beklagte Ferrer auch große Verluste in diesem risikovollen Geschäft. Bei einer frühen Schmuggelexpedition hatte er möglicherweise schon einmal eine Rebellion der Verzweifelten auf einem seiner Schiffe, der Bella Antonia, überlebt. Dabei ging die Bella Antonia verloren. Trotz dieser Verluste investierte Ferrer, nach Kuba zurückgekehrt, große Summe in damals modernste Technologien – Dampfschiffe, Zuckerplantagen, Häfen und Eisenbahnen sowie Eisenbahnmaterial aus England. Ramón Ferrer war kein kleiner Küstenkapitän, als der er sich in den geschriebenen Dokumenten auf der Tagseite seiner Existenz gerne präsentierte. Ferrer war Sklavenschmuggler-Kapitän mit wahrscheinlich 3½ Sklavenschiffen. Neben der Amistad, der bereits genannten Bella Antonia und einer Nueva Antonia war er auch Eigentümer der Hälfte eines der modernsten Schaufelrad-Überseedampfers, des Vapor Principeño, der auch Sklavenschmuggelfahrten von Amerika nach Afrika und zurück machte.

Eine Sklavenbaracke (slave barracoon) in Sierra Leone 1840
Hier wurden die gefangenen Afrikaner so lange eingesperrt, bis ein Schiff den Atlantik nach Afrika überquert hat. 
Häufig wurden die Afrikaner hier misshandelt. 
Slave Barracoon, Sierra Leone, 1840’s Voyages: The Trans-Atlantic Slave Trade Database.
accessed November 20, 2013

Ende Juni 1839 riss die Rebellion der Amistad-Gefangenen (vgl. Kasten rechts) Ramón Ferrer aus seiner im Großen und Ganzen erfolgreichen Karriere als Hochseekapitän, Menschenhändler und Negrero. Wäre Ferrer nicht der Rebellion der Versklavten zum Opfer gefallen, hätte er seine Tage vielleicht wie sein Geschäftspartner José Martorell y Peña oder wie die Marqueses (Markgrafen) de Comillas, Antonio und Claudio López, als honoriger Chef einer großen Dampfertransportflotte in Spanien beendet. Bei den López’ ist bekannt, dass sie am Anfang ihrer Karriere in Santiago de Cuba zu einem der internen Menschenschmuggelnetzwerke gehörten, das die großen Sklavenhändler organisierte hatten. Oder Ferrer wäre geworden wie viele, die eine ähnliche Karriere durchlaufen hatten: vom armen jungen Mann über Kapitän und Sklavenhändler zum Besitzer großer Zuckerplantagen auf Kuba oder zum Großinvestor, Bodenspekulant oder Begründer einer Bank in Barcelona. Letzteres war eher unwahrscheinlich. Zum Bankgründer haben es in den meisten aller Fälle nur die ganz großen Kaufleute und Chefs von Handelshäusern gebracht, die zwar mit Massen von Sklaven handelten, aber zugleich Wucherer waren, also frühe Bankgeschäfte betrieben, und sich selten selbst die Finger im Sklavenhandel schmutzig machten, sondern Agenten, Kapitäne, Faktoren, Konsignatare, Personal oder Kommis schickten. Mit ganz wenigen Ausnahmen taten sie das von ihren Kontoren in Havanna, Cienfuegos, New Orleans, Rio, New York, Sevilla, London oder Barcelona aus. Kapitäne schafften den Schritt zum großen Kaufmann meist nicht. Aber auch sie konnten mit Sklavenhandel, Schmuggel und Sklaventransporten reich werden. [...] Ferrer jedenfalls befand sich nach den Kriterien seiner Gruppe auf gutem Wege, bei dem wir nicht wissen, wie er geendet hätte, wenn er nicht dabei zu Tode gekommen wäre.

(zitiert nach: Out of the Americas: Sklavenhändler und Hidden Atlantic im 19. Jahrhundert. Ein Forschungsprojekt am Historischen Seminar der Universität zu Köln "Mann heißt mongo" )

Valongo: der größte Sklavenmarkt in Rio de Janeiro - über Rio kamen mehr Afrikaner als Sklaven auf den amerikanischen Kontinent als über irgendeinen anderen Hafen.
Valongo, c. 1820 Voyages: The Trans-Atlantic Slave Trade Database.
accessed November 20, 2013

Daniel Botefeur, ein ausgewanderter Deutscher als Negrero

Für das Jahr 1819 verfügen wir bereits über eine Liste von 39 deutschen Kaufleuten in Havanna, die die “Sociedad de Beneficiencia de Alemania” (Wohltätigkeitsgesellschaft Deutschlands, eigtl. „Unterstützungs-Gesellschaft für hülfsbedürftige Landsleute“; ab 1826 „Deutscher Verein“) gründeten. [...].Daniel Botefeur, ein studierter Arzt aus Hannover, war zunächst Negrero auf Bunce Island, am Río Pongo und in Gallinas in Westafrika. Botefeur war getaufter Lutheraner. Er wurde im Handel mit Verschleppten aus Afrika reich, trat zum Katholizismus über und heiratete in die Oligarchie von Havanna ein (Romay-Familie). Er wurde Kaufmann, besaß Handelshäuser und Kaffee-Plantagen mit Sklaven (bei Matanzas). Er starb 1821 an Herzversagen auf einer Geschäftsreise nach Charleston; wahrscheinlich betätigte er sich immer noch im Menschenschmuggel (obwohl die spanische Krone 1820 den Sklavenhandel verboten hatte; Botefeur stand mit den größten US-amerikanischen Sklavenhändlern, der DeWolf-Familie aus Rhode Island in Kontakt).

(zitiert nach: Zeuske, Michael, „Deutsche Eliten in Lateinamerika (19. Jahrhundert). Regionen, Typen, Netzwerke und paradigmatische Lebensgeschichten“, in: Denzel, Markus A.(ed.), Deutsche Eliten in Übersee (16. bis frühes 20. Jahrhundert). Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 2004 und 2005, St. Katharinen: SCRIPTA MERCATURAE VERLAG, 2006 (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit; Band 27), pp. 173-206 (leicht überarbeitet 2013), S. 178f.)

Das Dampfschiff "Pluto" auf der Jagd nach dem Sklavenschiff "Orion" am 30.11.1859
H.M.S. "Pluto" Capturing the Slaver "Orion" Voyages: The Trans-Atlantic Slave Trade Database.
accessed November 20, 2013

 

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