Das Uhrenindustriemuseum Villingen-Schwenningen

Hintergrundinformationen

Bedeutung

Der mittlere und südliche Schwarzwald entwickelte sich in der 2. Hälfte des 19. Jh. zum Zentrum der deutschen Uhrenindustrie (Schramberg: Fa. Jung­hans, Schwenningen: Fa. Bürk, Mauthe, Kienzle, Villingen: Fa. Werner, Kaiser-Uhren, Furtwangen: Uhrmacherschule 1850). Die Uhrenindustrie stellt für diese Region die Schlüsselindustrie dar. In der Folge entstanden Zulieferindustrien, die Gehäuseteile, Zeiger und Ziffernblätter herstellten. Aus Teilen der Uhrenindustrie und ihren Zulieferern gingen nach 1900 Unternehmen der Elektroindustrie, des Instrumenten-, Apparate- und Maschinenbaus hervor. Heute ist die Uhrenindustrie weitgehend verschwunden, aber ein Netz von Uhrenmuseen (Triberg, Furtwangen, Heimatmuseum Schwenningen, Franziskanermuseum Villingen, usw.) erinnert an ihre einstige Bedeutung.

Im Eingangsbereich des Museums sind fertige Uhren ausgestellt. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Produktionsprozess
Im Eingangsbereich des Museums sind fertige Uhren ausgestellt. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Produktionsprozess.
© M. Tocha

Während das Deutsche Uhrenmuseum in Furtwangen die Produkte in den Mittelpunkt rückt und eine Vielfalt von Uhrentypen zeigt, liegt im Schwenninger Uhrenindustriemuseum der Akzent auf den beteiligten Menschen und den Bedingungen der Produktion selbst, also auf Sozial-, Technik- und Wirtschaftsgeschichte. Voraussetzungen und Phasen der Industrialisierung und Merkmale des Fabriksystems lassen sich hier exemplarisch erkennen. So wird deutlich, dass der Übergang von der handwerklichen zur industriellen Produktionsweise nur sehr bedingt als kontinuierliche und schrittweise Entwicklung verlief. Um die Jahrhundertmitte zeigte sich das Uhrmacherhandwerk unfähig, die seine Existenz bedrohende Krise aus sich selbst heraus zu lösen. Initiative und Innovation kamen vielmehr von außen: Es waren fast ausnahmslos kaufmännisch ausgebildete Unternehmer wie Johannes Bürk in Schwenningen, die beste­hende Betriebe übernahmen und in moderne Fabriken umwandelten oder neue begründeten. Die Gesamtentwicklung vom Handwerk zur Massenproduktion kann mit Walt W. Rostows Phasenmodell (siehe Literatur) in Abschnitte gegliedert und charakterisiert werden. In den Räumen des Museums können die Schüler das Grundprinzip der Fabrikproduktion, die Koppelung von Kraft- und Arbeitsmaschine durch Transmissionsriemen, in Aktion sehen und die Arbeitsbedingungen - Lärm, Monotonie und Kontrolle - an sich selber erfahren.

Die älteren Arbeitsmaschinen werden durch ein ausgeklügeltes System von Transmissionsriemen von einem zentralen Motor angetrieben.
Die älteren Arbeitsmaschinen werden durch ein ausgeklügeltes System von Transmissionsriemen von einem zentralen Motor angetrieben.
© M. Tocha

Die Entwicklung der Uhrenindustrie läuft nicht einfach parallel zum allge­meinen Industrialisierungsprozess, sondern spiegelt zugleich einen grundlegenden Mentalitätswandel wider, die Veränderung des Zeitbewusstseins und der Zeitstrukturierung. Industrialisierung macht Zeit kostbar. Der rationalisierte Arbeitsprozess erfordert Pünktlichkeit und Zeittakte; bezahlt wird in der Regel nicht die geleistete Arbeit, sondern die arbeitend genutzte Zeit - „Zeit ist Geld“. Aus alledem ergab sich eine massenhaft gesteigerte Nachfrage nach Uhren. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass die Bürksche Uhrenfabrik als Produktionsstätte nicht für Wecker oder Wanduhren, son­dern für Kontrolluhren gegründet wurde.

Auf großen Tafeln werden die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Uhrenproduktion dokumentiert. Zum Beispiel wohnten 30% der Arbeiter in eigenen Häusern, deren Bau und Erwerb vom Unternehmer gefördert wurde
Auf großen Tafeln werden die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Uhrenproduktion dokumentiert. Zum Beispiel wohnten 30% der Arbeiter in eigenen Häusern, deren Bau und Erwerb vom Unternehmer gefördert wurde.
© M. Tocha

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -