Wiege der Demokratie: Offenburger Forderungen 1847

Im Spannungsfeld zwischen Demokratie und Diktatur. Der Offenburger Salmen

1.3 Anlage

Der Offenburger Salmen heute
Der Offenburger Salmen heute
© Stadtarchiv Offenburg

Das Gebäude:

Von der Eingangsseite her betrachtet, besteht das heutige Kulturzentrum aus drei verschiedenen Gebäudeteilen, die im Hufeisen angeordnet sind:

  • aus einem historischen Wohnhaus, in dem sich heute das Bistrorant Salmen befindet,
  • aus dem historischen Salmensaal (Hintergebäude) im Zentrum der Anlage,
  • aus einem modernen, gläsernen Aufgang, über den der Besucher in den historischen Salmensaal gelangt.

Die Rückwand des historischen Salmensaals (Westseite) wurde im Zuge des Umbaus durchbrochen, der Saal nach hinten um einen modernen Bühnenanbau erweitert.

Der historische Salmensaal und heutige Veranstaltungssaal besteht aus drei Ebenen:

  • auf der unteren Ebene, vormals Stallung und Remise des historischen Salmen, befindet sich heute das Foyer des Kulturzentrums mit Haupteingang (Glastür), Bistrotheke, Garderobe und Toiletten;
  • auf der mittleren Ebene befindet sich der Festsaal (bestuhlt 272 Plätze), in den man auch von außen über die historische Steintreppe gelangen kann.

Der Salmen als Veranstaltungssaal
Der Salmen als Veranstaltungssaal
© Stadtarchiv Offenburg

  • auf der oberen Ebene befindet sich die historische Galerie von 1812, auf der heute eine exzellente Ausstellung die Revolutionsgeschichte und die Geschichte der Synagogenzeit zueinander in Szene setzt.

Der Salmen als Erinnerungsort
Der Salmen als Erinnerungsort
© Stadtarchiv Offenburg

Die Ausstellung

Nach der Restaurierung durch die Stadt Offenburg dient der Salmen heute vor allem als Veranstaltungssaal für Konzerte, Tagungen, Bälle und Feste. Es bedarf daher einiger Phantasie, diesem Veranstaltungssaal seine spannenden Geschichten zu entlocken und ihn zum Sprechen zu bringen. Hier hilft eine kleine, aber didaktisch vorzügliche Ausstellung auf der historischen Galerie des Festsaales. Derzeit gibt es keine Besucherinformation dazu. Daher einige Hinweise zur Ausstellung:

Die Ausstellung ist entsprechend der zwei Pole deutscher Geschichte, die der Offenburger Salmen repräsentiert, zweigeteilt. Ein Teil widmet sich der Demokratiebewegung, der andere der Judenverfolgung im nationalsozialistischen Offenburg. Die Inszenierung dieser spannungsreichen Geschichte im authentischen Raum arbeitet mit modernen museumspädagogischen Elementen, die den Besucher vielfältig ansprechen und involvieren: visuell, auditiv, haptisch und kognitiv.

Wiege der Demokratie: Ausstellung, Teil 1

Die Demokratiebewegung und die Offenburger Forderungen von 1847 werden mit folgenden Elementen museal so in Szene gesetzt, dass eine Interaktion zwischen Gegenwart und Vergangenheit stattfindet:

Transparente Scheiben ermöglichen dem Besucher den Blick von der Besuchergalerie in den Veranstaltungssaal. Man schaut dabei durch die umrisshaften Portraits führender Offenburger Revolutionäre (Ree, Schaible, Hecker, Struve, u.a.) hindurch, die als Mittler von damals den Blick der heutigen Besucher führen. Diese Portraits sind perspektivisch so gehalten, dass man die Botschafter von damals sowohl von unten (Saal) als auch von oben (Galerie) erkennen kann.

Der Blick von unten auf die historische Galerie
Der Blick von unten auf die historische Galerie
© Stadtarchiv Offenburg

Die Ausstellung zur Revolutionsgeschichte
Die Ausstellung zur Revolutionsgeschichte
© Stadtarchiv Offenburg

Die Farbe Rot bildet das Fundament der Offenburger Forderungen. Damit wird die Farbsymbolik der schwarz-rot-goldenen Revolutionsfahne aufgenommen: Durch finstre Knechtschaft im blutroten Kampf zur goldenen Freiheit. Blutige Gewalterfahrung ist Bestandteil dieser Revolution.

Auf diesem blut-roten Sockel stehen 13 Stelen, die die 13 Offenburger Forderungen von 1847 thematisieren. Auf diesen Stelen befinden sich den Forderungen entsprechende Symbole, deren Darstellung an zeitgenössischen Quellen orientiert ist. Jeweils zwei Forderungen werden in ihrem originalen Wortlaut automatisch beleuchtet. So erfolgt eine Reduktion, die dem Besucher Zeit lässt zum Nachdenken über die jeweils eingeblendeten Forderungen und ihren Aktualitätsbezug.

Farbsymbolik als Vermittlungshilfe
Farbsymbolik als Vermittlungshilfe
© Stadtarchiv Offenburg

An der Stirnseite der Galerie befinden sich an der Wand Nachbildungen verschiedener Gegenstände, die aufmerksam machen auf zentrale Sorgen und Nöte, Wünsche und Visionen der damaligen Zeit. Diese werden dann von den 13 Offenburger Forderungen aufgegriffen. Schüler könnten hier der Frage nachgehen, in wie weit die Forderungen dies konkret tun. Pars pro toto ist das Prinzip, das sich hinter Teller & Krug, Brot, Bibel und anderen Gegenständen verbirgt. Berührt der Besucher diese Gegenstände, so reden sie ihn an und geben ihm Botschaften aus der Zeit weiter. Schauspieler aus dem Stuttgarter Staatstheater haben dazu zeithistorische Situationsberichte auf Band gesprochen, z. B. die Einladung zur Versammlung, Redeauszüge und Auszüge aus den Forderungen.

Für Oberstufenschüler eignet sich zur Vertiefung besonders die Rede zu den Offenburger Forderungen (s. Materialien), die Jutta Limbach als Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, in Offenburg gehalten hat. Sie ist in unterschiedliche Schwerpunkte gegliedert und kann über Kopfhörer angehört werden.

Grab der Freiheit: Ausstellung, Teil 2

Die Geschichte des Salmen als Ort der Demokratiebewegung ist in der musealen Inszenierung räumlich getrennt von der Geschichte des Salmen als jüdisches Gotteshaus, das im nationalsozialistischen Offenburg verwüstet wurde:

Inszenierte die Anordnung im Raum zunächst die Revolution als ambivalente Bewegung zwischen artikuliertem Protest und freudigem Fest, so ist die Darstellung der Synagogenzeit des Salmen ganz nach innen gerichtet. Es dominiert die Farbe Blau, der hintere Raumteil ist akustisch abgeschirmt vom vorderen Raumteil der Galerie. Die Farbe Blau geht zurück auf das 2. Buch Mose, Kap. 24 (Vers 9f): "Da stiegen Mose und Aaron ... hinauf und sahen den Gott Israels. Unter seinen Füßen war es wie ein schöner Saphir und wie die Gestalt des Himmels, wenn ´s klar ist."

Farbsymbolik als Vermittlungshilfe
Farbsymbolik als Vermittlungshilfe
© H.J. Fiedner

Die Übergang erfolgt über ein Zitat von Gabriel Rießer, das sich links an der Wand befindet: "Wer mir den Anspruch auf mein deutsches Vaterland bestreitet, der bestreitet mir das Recht auf meine Gedanken, meine Gefühle, auf die Sprache, die ich rede, auf die Luft die ich atme; darum muss ich mich gegen ihn wehren, wie gegen einen Mörder." Gabriel Rießer, deutscher Jude, war seit Oktober 1848 Vizepräsident der Frankfurter Nationalversammlung

Gabriel Rießer in seiner Verteidigung des Exilschriftstellers Ludwig Börne
Gabriel Rießer in seiner Verteidigung des Exilschriftstellers Ludwig Börne
© H.J. Fiedner

Berühmt für seine großen Reden in der Paulskirche: Gabriel Rießer
Berühmt für seine großen Reden in der Paulskirche: Gabriel Rießer
© Historisches Museum Frankfurt C40635

Dem Betrachter zeigt sich sodann eine große Aufnahme von der Synagoge in ihrer Glanzzeit. Sie verweist auf die volle Gleichberechtigung der Juden, wie sie 1848/49 in den Grundrechtskatalog der Paulskirchenverfassung Eingang gefunden hat und 1862 im "Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten in Baden" in Baden garantiert wurde. Der Introitus neben dem Altar lautete: "Denn mein Haus, das Haus des Gebetes wird es gerufen werden bei allen Völkern" (Jes 56, 7).

Der Salmen als jüdisches Gotteshaus
Der Salmen als jüdisches Gotteshaus
© Stadtarchiv Offenburg

Den Kontrapunkt zu diesem Teil der jüdischen Emanzipationsgeschichte bildet eine Seite aus der Thora, die die Offenburger Nazis 1938 schändeten. Das rote Hakenkreuz ist umgekehrt gezeichnet und steht auf dem Kopf. Vermutlich wusste der Schänder nicht, wie herum die hebräische Schrift zu lesen ist. Bedenkt man, dass die Thora das jüdische Gesetz ist und Tradition zugleich, so wird deutlich, was hier angedeutet wird: das Gesetz, die Tradition wird von den Nazis verdreht, verhöhnt und geschändet

Ein Stück aus der Offenburger Thorarolle, mit umgekehrtem Hakenkreuz geschändet.
Ein Stück aus der Offenburger Thorarolle, mit umgekehrtem Hakenkreuz geschändet.
© Stadtarchiv Offenburg

Über dem gesamten Raumensemble steht der Satz aus dem Buch des Propheten Jesaja: "Ich will ihnen in meinen Mauern ein Denkmal und einen Namen geben" (Jes 56, 5). Damit wird der Introitus aus der Synagogenzeit wieder aufgegriffen.

Dem Satz des Propheten Jesajas wird in der Ausstellung dadurch Rechnung getragen, dass eine Bildwand jedes jüdische Gemeindemitglied, das 1933 in Offenburg wohnte, mit einem Photo zeigt. Auf einem Lesepult befindet sich daneben eine Namensliste, die Kurzbiographien zu den einzelnen Personen enthält, soweit sie sich rekonstruieren ließen.

Vier von den gezeigten jüdischen Gemeindemitgliedern von 1933 äußern sich in einem Interview zum Gemeindeleben in dieser Zeit. Drückt der Besucher den entsprechenden Knopf, so erscheint statt des Photos aus den 30er Jahren ein Ausschnitt des auf Video aufgezeichneten Interviews, das im Jahr 2002 mit ihnen geführt wurde. So wird deutlich: diese Menschen leben!

Ich will ihnen einen Namen geben. Die Bilderwand in der Ausstellung
Ich will ihnen einen Namen geben. Die Bilderwand in der Ausstellung.
© Stadtarchiv Offenburg

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -