Front und "Heimatfront": Kriegserfahrungen Sigmaringer Bürger im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918)

Methodenvorschlag

Lernorterkundung

Bei einem Lerngang im Stadtkern Sigmaringens werden den Schülern wesentliche Rückwirkungen des Ersten Weltkrieges auf die Sigmaringer Bevölkerung veranschaulicht (zeitlicher Umfang ca. 120 Minuten). Folgende Gebäude sind Stationen des Lernganges:

1. Stadtpfarrkirche, „Kriegergedächtniskapelle“
2. Rathaus, „Kriegerehrenmal“
3. Prinzenbau
4. Bahnhof
5. Erlöserkirche Hedingen
6. Friedhof Sigmaringen
7. Evangelische Kirche, Gedächtnistafel
8. Staatsarchiv Sigmaringen (= Prinzenbau)


Lehrerhandreichung für den Lerngang:
AB 21 (Grundinformationen zu den einzelnen Lernorten, didaktische Anregungen und Orientierungsplan)
Zur besseren Orientierung auf dem Friedhof dient B 74 (Orientierungsplan Friedhof Sigmaringen)

Das Staatsarchiv Sigmaringen in den Räumen des ehemaligen Prinzenbaus

Das Staatsarchiv Sigmaringen in den Räumen des ehemaligen Prinzenbaus
© Staatsarchiv Sigmaringen

Die Dokumente des Staatsarchivs, die im innerschulischen Unterricht bearbeitet werden können (siehe Arbeitsblätter und Bilder), sind anschaulich und beeindruckend. Obige Lernorterkundung bietet sich deshalb eher als Ergänzung zur Erarbeitung des Themas im innerschulischen Unterricht an.


Behandlung des Themas in der Schule

Aufgrund der Vielzahl an Materialien sollte sich die Lehrerin / der Lehrer für einen der beiden thematischen Schwerpunkte entscheiden:

1. Thematischer Schwerpunkt:
Kriegserfahrungen Sigmaringer Bürger - Die Front

(B 1 bis B 68, AB 1 bis AB 3)

Heranführung der Schüler an das Thema:

- Gegenüberstellung: Propaganda und Wirklichkeit ( AB 14b )
„Mit Hurra an die Front“ – „Lustige“ Kriegsbilder: AB 16
Sterben an der Front (Propaganda) – das Fotomotiv einer Feldpostkarte: B 72
Sterben an der Front (Wirklichkeit) – ein Foto aus den Fotosammlungen des Staatsarchivs Sigmaringen: B 54
- Das Schicksal einer Sigmaringer Familie – eine Gedenktafel auf dem Sigmaringer Friedhof: B 73  (vgl. AB 19 )

Vier Möglichkeiten zur Behandlung des thematischen Schwerpunkts:

1.1
Erschließung der Fotosammlung aus dem Staatsarchiv Sigmaringen (B 1 bis B 68) anhand der Leitfragen auf
AB 3

Seit wenigen Jahren befinden sich im Bestand des Staatsarchivs Sigmaringen drei große und historisch bedeutsame Sammlungen mit Glasplatten-Negativen, Fotos und Postkartenmotiven aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Sammlung des Sigmaringer Photoateliers Kugler umfasst Glasplattennegative, die dem VIII. Württembergischen Armeekorps zuzuordnen sind. Der Nachlass Heinz Braun enthält Postkartenmotive und Fotos vom Kriegsalltag der Soldaten an der Front. Beim Nachlass Werner Rees handelt es sich um Aufnahmen aus Wolhynien und Nordfrankreich, die Etappenorte, Soldaten und Kriegszerstörungen zeigen.
Wer die Fotografien angefertigt hat, ist nicht bekannt, bei vielen Aufnahmen können die abgelichteten Personen und Lokalitäten nicht genauer bestimmt werden. Dennoch veranschaulichen die Fotos auf geradezu dramatische Weise Ereignisse des Ersten Weltkrieges. Die Darstellungen der Opfer sind teilweise recht drastisch und sollten vom Lehrer vor der Präsentation geprüft werden.
In diesem Unterrichtsmodul findet sich eine kleine Auswahl der Fotos. Ein größerer Teil ist auf der Internetpräsenz des Staatsarchivs Sigmaringen zu finden (Stand: 2010)
Der gesamte Bestand kann im Staatsarchiv Sigmaringen eingesehen werden (siehe: 4.2 Tipps zur Weiterarbeit).

1.2
Kreative Aufgabe: Schreiben eines Leserbriefs an die „Hohenzollerische Volkszeitung“


In einem Leitartikel in der Hohenzollerischen Volkszeitung vom 21. Oktober 1918 ( AB 20 ) fordert Oberst a.D. Richard Gädke das Militär auf, auch in scheinbar auswegloser Situation unbeirrt weiterzukämpfen. Ein unbekannter Soldat, der sich zu diesem Zeitpunkt auf Heimaturlaub befindet, antwortet in einem anonymen Leserbrief mit den Worten: „[...] wenn er so siegesgewiss sei, so soll er mal draußen mithelfen seinen großen Kopf hinhalten, die Soldaten, die schon 4 ½ Jahr draußen sind, haben genug gekämpft [...].“ (Staatsarchiv Sigmaringen, FAS Sa 376)
Die Schüler versetzen sich in die Situation des Leserbriefschreibers. Sie stellen sich vor, sie hätten an der Front die Erfahrungen gemacht, die auf den Fotomotiven (B 1 bis B 68) erkennbar sind, und schreiben einen Leserbrief an Oberst a.D. Gädke.

Gruppenpuzzle:

a) Stammgruppen (je 5 Schüler)

Die Schüler lesen AB 20 .
Aufgaben:
- Arbeitet heraus, mit welchen Argumenten der Artikelschreiber das Militär zum weiteren Kampf motivieren will.
- Findet Erklärungen dafür, dass sich der Leserbriefschreiber über die Argumentation Gädkes ärgert.

b) Expertengruppen

Die Fotos (auf DIN-A-4-Blättern ausgedruckt) werden thematisch geordnet auf fünf Tischinseln verteilt:

1. „Kriegstechnik“ (B 1 bis B 20)
2. „Stellungskrieg“ (B 21 bis B 34)
3. „Zerstörungen“ (B 35 bis B 42)
4. „Opfer“ (B 43 bis B 57, AB 14b )
5. „Logistik des Krieges“, „Truppenparaden“ und „Alltag“ (B 58 bis B 68)

Die Stammgruppen lösen sich auf. Je ein Schüler geht zu einer der Tischinseln und trifft dort mit Schülern der anderen Gruppen zusammen. Die an der Tischinsel ausliegenden Fotos werden von der neu gebildeten „Expertengruppe“ analysiert, die Ergebnisse von jedem Schüler schriftlich festgehalten.

Aufgabe:
Stelle Dir vor, du wärst als einfacher Soldat an der Front gewesen und hättest die auf den Fotos dargestellten Situationen selbst miterlebt. Stelle zusammen, welche Wirkung diese Ereignisse auf Dich gehabt haben könnten.

c) Stammgruppen

Die Schüler kehren in ihre ursprüngliche Stammgruppe zurück und berichten von ihren Arbeitsergebnissen. Aufgrund der Arbeitsergebnisse schreiben sie gemeinsam den Leserbrief an Oberst a.D. Gädke.

1.3
Gestaltung einer Ausstellung:


Die Fotos werden ohne thematische Ordnung ausgelegt. Die Schüler ordnen die Fotos selbstständig nach übergeordneten Themen, informieren sich im Internet über die einzelnen Sachverhalte und formulieren zu den einzelnen Fotos bzw. Themengruppen erläuternde Texte. Die Fotos und erläuternden Texte werden in einer Ausstellung präsentiert.

1.4
Der Erste Weltkrieg als Stellungskrieg

(B 21 bis B 34, AB 1 und 2)

Aufgabe:
Erarbeite anhand des Bild- und Textmaterials typische Merkmale eines sogenannten „Stellungskrieges“.

2. Thematischer Schwerpunkt:
Kriegserfahrungen Sigmaringer Bürger - Die „Heimatfront“

(AB 4a bis AB 20)

Heranführung der Schüler an das Thema:

- Filmsequenz aus „Im Westen nichts Neues“ (Antikriegsfilm nach der Vorlage des Romans von Erich Maria Remarque, Regie: Lewis Mileston, 175 min, USA 1930): Ganz am Anfang des Filmes hält der Gymnasialprofessor Kantorek im Jahre 1915 eine patriotische Rede über Ruhm, Ehre und Vaterlandsliebe. Die Rede bewegt die ganze Klasse dazu, sich geschlossen zur Armee zu melden.
- Vergleich der Filmsequenz mit Auszügen aus der Rede des Volksschullehrers Franz Keller vom 29. Januar 1916 zum Thema „Was hat der Krieg der Jugend geschenkt?“ ( AB 5a oder AB 5b ) bzw. mit dem Zeitungsartikel zur Paramilitärischen Ausbildung Jugendlicher in Sigmaringen vom 19. Oktober 1914 ( AB 10 ).

Möglichkeiten zur Behandlung des thematischen Schwerpunkts:

2.1. Separate Bearbeitung der einzelnen Arbeitsblätter

Die Arbeitsblätter können einzeln bearbeitet werden, da sie jeweils mit Arbeitsaufträgen versehen sind.

2.2 Gewinnung eines Überblicks zum Gesamtthema

Die Schüler versetzen sich in die Situation von Emma Frieda Bieger, geb. 12. 9. 1903 in Sigmaringen. Das Foto ( B 69 jpg-Datei ) zeigt Emma Frieda Bieger mit 14 Jahren im Kreise ihrer Familie (1917): Links Mutter Frieda Bieger, geborene Mauz. Vater Gebhard Bieger, Bäckermeister (zweiter von rechts), befand sich gerade auf Heimaturlaub. Er überlebte den Ersten Weltkrieg und starb im Jahre 1945. Die Familie wohnte in der Fidelisstraße 6. Ein Jahr vor dieser Aufnahme hatte Emma Bieger im Unterricht an der Katholischen Volksschule Sigmaringen (7. Jahrgangsstufe) einen Aufsatz zum Thema „Was der Krieg der Jugend geschenkt hat“ zu schreiben ( AB 6 ). Es handelte sich nicht um einen freien Aufsatz, sondern um eine Wiederholung der wichtigsten Inhalte der Rede des Volksschullehrers Franz Keller anlässlich der Kaiserfeier des Jahres 1916 ( AB 5a oder AB 5b ).
Die Schüler versetzen sich in die Situation von Emma Bieger und schreiben einen Feldpostbrief an ihren Vater. Emma schildert in diesem Brief ihre Erlebnisse und Erfahrungen in der Kriegszeit:
- Welche Erfahrungen hat sie in der Kriegszeit gemacht?
- Welche Erlebnisse beschäftigen sie besonders?
- Was macht ihr Angst / Sorgen?
- Was gibt ihr Grund zur Hoffnung?
Für ältere Schüler:
- Inwieweit wird Emma Bieger durch die Propaganda beeinflusst?
Variante:
- Emma Bieger schreibt jeweils einen Brief im Jahre 1914, 1916 und 1918 und nimmt auf die sich verändernde Situation Bezug.

Folgende Arbeitsblätter können arbeitsteilig bearbeitet werden:
AB 4a , AB 5a oder AB 5b , AB 7 , AB 8a oder AB 8b , AB 9 (Lösungen: T 1 ), AB 10 , AB 13a , AB 19

Hintergrundinformationen zu den Feldpostbriefen:
Im Ersten Weltkrieg beförderte die deutsche Feldpost ca. 29 Milliarden Sendungen zwischen Front und Heimat bzw. Heimat und Front (im Tagesdurchschnitt zwischen 7 und 10 Millionen). Oft gerieten die befördernden Stellen angesichts der Flut an Sendungen logistisch an ihre Grenzen. 1916 wurden zentrale Postüberwachungsstellen eingerichtet. Den Soldaten war die mögliche Zensur der Briefe bekannt. Zensiert wurden die Übermittlung militärischer Informationen, „schwere Verstöße gegen die Mannszucht“ sowie „aufreizende und in hohem Maße entmutigende Kundgebungen“. Aufgrund der Masse an Sendungen konnte die Überwachung und Zensur jedoch nur stichprobenartig erfolgen.

2.3 Erstellung einer Präsentation zu einem Einzelaspekt

Die Schüler erarbeiten in Gruppenarbeit eine Präsentation zu einem der folgenden Themen:

- Zwischen Begeisterung und Niedergeschlagenheit:
AB 4a bis AB 5, AB 8a und AB 8b , AB 10 , AB 12 , AB 16 , AB 18 , AB 19 , AB 20

- Propaganda und Wirklichkeit:
B 43 bis B 57, B 62 bis B 64, B 72, AB 14 bis AB 18, AB 19 und AB 20

- Jugendliche im Krieg:
AB 5 bis AB 11, B 70

- Der Erste Weltkrieg als totaler Krieg:
B 1 bis B 20, B 35 bis B 42, B 58 bis B 61, AB 12 bis AB 13c

- Rollen im Krieg (Frauen, Mädchen, Jungen, Kirche):
Ausgangspunkt: „Die zehn Gebote des Nichtkämpfers“ (Hohenzollerische Volkszeitung, 21. August 1914, AB 4c ).
AB 4c , AB 5a oder AB 5b , AB 10 , AB 11 , AB 12 , AB 17

- Opfer des Krieges:
B 43 bis B 57, AB 14b , AB 19 und AB 20

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -