Buchtipps, Methoden, Konzepte und Projekte rund ums Lesen und Vorlesen bietet der Ideenpool Lesen gegliedert für alle Schularten und auch für den Elementarbereich.


Bücher des Monats November 2009

In diesem Monat empfehlen wir folgende Bücher:

Wlodzimierz Odojewski: Ein Sommer in Venedig (ab 16 Jahre)

Martin Baltscheit: Jasmin Behringer - Ich und die Kanzlerin (ab 12 Jahre)

Mathias Jeschke: Flaschenpost (ab 5 Jahre)

Wlodzimierz Odojewski: Ein Sommer in Venedig

Schirmer Graf Verlag, 2007
ISBN 3865550444
125 Seiten

Altersempfehlung: ab 16 Jahre

Originaltext: polnisch

Der Roman erzählt die Geschichte von Marek, einem zehnjährigen Jungen, dessen größter Wunsch es ist, einmal seine Traumstadt Venedig zu besuchen. Entstanden ist diese Sehnsucht vor allem durch die bildhaften Erzählungen von Mareks Verwandten, welche die italienische Stadt am Wasser bereits besucht haben. Im Sommer 1939 soll die Zeit nun endlich gekommen sein. Marek erhält das Versprechen, gemeinsam mit seiner Mutter in die italienische Stadt fahren zu dürfen.

Kurze Zeit vor dem geplanten Aufbruch wird Marek jäh enttäuscht. Seine Mutter sagt die Reise ab. Als Grund nennt die Mutter den herannahenden Krieg. Marek jedoch kann die Signale für die bevorstehenden Angriffe noch nicht deuten, genauso wenig wie er begreifen kann, dass sein Vater von der Armee einberufen wird.

Als Alternative zum Venedigbesuch reist Marek zu seiner Tante Weronika aufs Land, welche dort eine malerische Villa mitten in der Natur besitzt. Die dunklen Verfärbungen am Himmel verheißen nichts Gutes, denn sie stehen für den Krieg. Im Keller der Villa verbringt Marek, zusammen mit seiner Cousine, den anderen Kindern und mit den Tanten, jedoch eine schöne und auch von Freude geprägte Zeit: Eine vermeintlich entdeckte Wasserquelle bringt die mit Fantasie begabten Personen um Marek dazu, das weit entfernte, herbeigesehnte Venedig einfach zu imitieren. Somit vermag sich Mareks Traum doch noch zu erfüllen, wenn auch anders als geplant. Die Zeit scheint in der Idylle der Abgeschiedenheit stehengeblieben zu sein und die Fantasie beschert ein Stück Licht im Dunkel der kriegsgeprägten Zeit.

Dass die kindliche Fantasie jedoch nicht immer vor der harten Realität schützt, wird deutlich, als Marek Bombenangriffe und Verwundete sowie Tote wahrnimmt. Diese Erlebnisse kann er jedoch erst im Rückblick überhaupt begreifen. Das Ende seiner sorgenfreien Kindheit scheint eingeläutet zu sein.

Dem polnischen Autor Wlodzimierz Odojewski gelingt es, kindliche Wahrnehmung und ungeschönte Realität zu verbinden und schafft somit ein besonderes Leseerlebnis. Das Buch "Ein Sommer in Venedig" war letztes Jahr als Jugendbuch in der Auswahlliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Mit seinem bescheidenen Umfang - für einen Roman fällt die Seitenanzahl doch relativ gering aus - kann dieses Werk auch von älteren Jugendlichen gelesen werden, die nicht zu den "Viellesern" gehören. Genießen kann man an diesem Buch bereits das Cover, welches durch sein passendes und nachdenkliches Titelbild auffällt, das bereits zum Eintauchen in die Fantasiewelt einlädt.


Martin Baltscheit: Jasmin Behringer - Ich und die Kanzlerin

Boje Verlag GmbH
ISBN 978-3-414-82225-3
144 Seiten

Altersempfehlung: ab 12 Jahre

Zu diesem Buch gibt es eine Hörbuchfassung.

Ein Schülerpraktikum im Bundeskanzleramt - das ist leider nicht möglich. Die fiktive Jasmin Behringer aber hat ein solches Praktikum absolviert. Fünf Tage lang taucht sie in die große Welt der Politik ein und erfährt in der Schaltzentrale der Macht, wie in der Bundeshauptstadt Politik gemacht wird.

Ihr erster Tag beginnt in der Wachstation. Dort werden ihre Personalien aufgenommen und sie erhält einen Besucherausweis. Von da an geht es ab in den siebten Stock, die Chefetage. Hier hat auch die Kanzlerin ihr Büro. In einem wilden Tagtraum muss sie gleich Angela Merkel bei einem Staatsbesuch vertreten. Ihr Gast ist Scheich Kelim. Diese Unterhaltung endet in einem Fiasko und der Scheich verlässt verärgert das Amt. Zum Glück nur ein Traum.

Woher die Politiker ihr Weltwissen haben, lernt Jasmin am zweiten Arbeitstag. Schon morgens um fünf Uhr beginnt in der Presseabteilung der Arbeitsalltag. Sie darf Mitteilungen lesen, scannen, drucken und zusammenfassen. Dann kommt alles in eine Mappe und die Politiker haben bereits zum Frühstück alles Wissenswerte auf ihrem Schreibtisch liegen. Jasmins Thema an diesem Tag: Der gesetzliche Mindestlohn. Danach geht es auf zur Pressekonferenz.

Zurück in der siebten Etage huscht die Kanzlerin an Jasmin vorbei. Während Frau Merkel den Tagesgeschäften nachgeht, vertieft sich Jasmin in ein Organigramm unserer Regierung, lernt den Berater unserer Regierungschefin kennen und darf hautnah miterleben, wie ein Minister zurücktritt.

Zur Halbzeit ihres Praktikums erfährt Jasmin, welche Aufgabe die Kanzlerin als oberste Pflicht in ihrem Amt hat: "Die Aufgabe einer Kanzlerin ist das Vermitteln zwischen den Interessen vieler zum Wohle aller. Wobei alle die Mehrheit sein müssen." Nach dieser Erkenntnis geht es auf in den Reichstag und in eine laufende Sitzung. Hier wird viel diskutiert um eine politische Entscheidung für das Volk transparent zu machen.

Am vierten Tag geht es in eine der Schaltzentren der Macht - zum Geheimdienst. Hier kommen die Meldungen rein, bevor sie im Internet veröffentlicht werden können. Jasmin lernt im Laufe des Tages noch den Koch, das Kabinett und den Redenschreiber der Kanzlerin kennen.

Politik einmal ganz anders. Schon das Layout des Buches in Form eines Tagebuches ist sehr ungewöhnlich. Die Sprache darin dann auch knapp und verständlich. Auf 144 Seiten erfährt der Leser, wie in Deutschlands Hauptstadt, und vor allem im Kanzleramt, Politik gemacht wird.

Die Kanzlerin selbst lernt man nur im Vorbeigehen kennen und in den Tagträumen Jasmins, auch wenn der Titel "Ich und die Kanzlerin" vielleicht mehr verspricht. Da Fantasie und Bericht hier sehr stark verschmelzen, muss man beim ersten Lesen schon genau aufpassen, um die beiden Bereiche voneinander zu unterscheiden. Insgesamt aber ein gelungenes Buch, in dem junge Menschen für Politik sensibilisiert werden.

(ab, Arbeitskreis Leseerziehung)


Mathias Jeschke: Flaschenpost

Hinstorff, 2009
ISBN 978-3-356-01295-8
32 Seiten

Altersempfehlung: ab 5 Jahre
Zuordnung zu den Bildungsstandards: BS 2

Elf Jahre ist die Flaschenpost unterwegs und legt in dieser Zeit über 400 Seemeilen zurück. Was sich hier wie Seemannsgarn anhört, ist eine wirklich geschehene Geschichte, in der überaus realistisch beschrieben wird, wie die Flaschenpost zunächst ins Meer geworfen wurde, ihre weite Reise zurücklegte und schließlich von dem sechsjährigen Marius gefunden wird.

Mathias Jeschke gelingt es meisterhaft, das Abschicken und Auffinden der Flaschenpost realitätsnah und für Kinder nachvollziehbar zu beschreiben. Zwei Lebenswege kreuzen sich beim Auffinden der Flaschenpost. Der Absender ist inzwischen erwachsen und hat einen Beruf und Marius, der beim Abschicken der Flaschenpost noch nicht einmal geboren war, ist ein sechsjähriger Junge. Der Absender dachte schon lange nicht mehr an seine vor elf Jahren abgeschickte Flaschenpost, als er einen Brief von Marius erhält, der ihm von dessen Fund berichtet. Kein Wunder, dass jedermann, der von dieser Geschichte hört, erstaunt reagiert - Flaschenpost kann also wirklich funktionieren.

In diesem Buch "Flaschenpost" geht es aber noch um mehr: Neben der Geschichte der Flaschenpost werden auf vielen Buchseiten Sachinformationen in kindgerechter Form ausgebreitet, die unmittelbar zum Text passen.

Dabei wird schon durch den unterschiedlichen Druck klar zwischen dem Text der Geschichte (große Schrift / Fettdruck) und den Texten der Hintergrundinformationen in kleinerer Schriftgröße unterschieden.

Zusätzlich hat Katja Gehrmann das Buch so illustriert, dass die Informationstexte und der Text der Geschichte selbst verknüpft werden; Blick- und Textführung stimmen überein. Auf diese Weise werden die Sachinformation für die kleinen Leser kindgerecht veranschaulicht, wobei sie sich auf die wesentlichen Dinge beschränken.

Bereits im Vorschulalter eignet sich das Buch vortrefflich als Vorlesebuch - die Sachinformationen und Illustrationen können dem Vorleser dazu dienen, die jungen Zuhörer einzubinden. Im Grundschulalter kann das Buch auch selbstständig von Kindern gelesen werden. Durch seinen hohen Aufforderungscharakter und die beiden klar voneinander abgehobenen Textarten ist es vor allem auch für die Leser geeignet, die sich mit dem Lesen noch etwas schwer tun.



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