Auswanderung aus Baden nach Amerika:Mittel staatlicher Struktur- und Sozialpolitik nach 1848 am Beispiel des Dorfes Freudental bei Allensbach

 

1.2 Geschichte

1360
Erste urkundliche Erwähnung des Ortes Freudental in einem Zinsrodel der Herren von Bodman: Damals befanden sich hier 14 Hofgüter. Seit dem 16. Jahrhundert war jedoch nur noch ein Hof nachweisbar.

1695
Auf dem Wege des Erbgangs kommt der inzwischen heruntergekommene Hof Freudental in den Besitz des Oberhofmeisters beim Bischof von Konstanz, Franz Dominik von Prassberg. Er lässt auf dem Hügel oberhalb des Hofgutes das heutige Schloss im Barockstil erbauen.
Baubeginn ist im Frühjahr 1698, Fertigstellung im Jahr 1700.
Als Baumeister ist Michael Wiedenmann, der auch die Abtei Neresheim entworfen hat, tätig. Das Schloss wird ausgestattet mit Stukkaturen nach Wessobrunner Vorbild.

Schloss Freudental, Südseite
Schloss Freudental, Südseite
© Johannes Hof

1745
Freudental kommt wieder in Bodmanschen Besitz.

1779
Zur Bezahlung von Schulden wird Freudental für 34.000 fl wieder verkauft, und zwar an den Thurn und Taxisschen Hofrat Maria Alexander Leopold Franz Freiherr von Reichlin-Meldegg.
In der spekulativen Absicht, aus dem Waldreichtum Freudentals Gewinn zu erzielen, fördert er den Zuzug von Arbeitskräften für die Waldarbeiten durch kostenlose Überlassung eines Hausgrundstücks und das Versprechen von Steuer- und Zehntfreiheit. Auch eine Wirtschaft, der "Adler", wird von ihm auf solche Weise eingerichtet. Dabei werden benötigte Berufe gezielt ausgewählt. Die gebotene Chance ist für viele arme Leute aus nah und fern attraktiv: Ohne Vermögen können sie so das Bürgerrecht, das Heiratsrecht und Hausbesitz erlangen. Bis 1784 siedeln sich 17 Familien an, es ist also ein kleines Dorf entstanden.

Freudental - Schloss und Dorfplatz mit Gasthaus
Freudental - Schloss und Dorfplatz mit Gasthaus "Adler"
© Johannes Hof

Allerdings werden die Kolonisten mit hohen Frondiensten und Abgaben belastet: jährlich 12 Klafter (ca. 40 Ster) Holz machen, 5 Tage mit auf die Jagd gehen, 3 Pfund Hanf verspinnen, 1 Henne und 6 Hühner abliefern. Durch den Hausbau sind die meist besitzlosen Zuzügler außerdem erheblich verschuldet.

1804
Nach erneutem Besitzerwechsel kommt Freudental für 50.000 fl wieder an einen Herrn von Bodman zu Bodman.

1848
An der Revolution beteiligen sich mindestens 14 Freudentaler. Das Dorf hat damals ca. 200 Einwohner, davon 35 als Bürger.
Um weiteren Unruhen vorzubeugen, verstärkt die großherzoglich-badische Regierung in den Jahren danach die Kontrolle über die Gemeinden. Zu diesem Zweck finden jährliche Ortsbereisungen durch das Bezirksamt (vergleichbar mit dem heutigen Landratsamt) statt, bei denen der Zustand der Gemeinden festgestellt wird und Beschwerden der Einwohner entgegengenommen werden.
Später will die großherzoglich-badische Verwaltung die verarmte und wenig obrigkeitstreue Gemeinde durch Bezuschussung der Auswanderung nach Amerika auflösen, was jedoch nicht gelingt. Auswanderungswillige Freudentaler Familien erhalten staatliche Zuschüsse, wenn sie ihr Vorhaben ausführen, was einige dann auch tun.

Das Schloss, im 19. Jahrhundert meist unbewohnt, wird nach zahlreichen ganz unterschiedlichen Nutzungen schließlich 1975 in heruntergekommenem Zustand an den Konstanzer Finanzmakler Franz Josef Schmid verkauft, der es 1988-89 aufwändig renovieren lässt und seit 1990 an das Humboldt-Institut vermietet, das darin Intensivkurse in deutscher Sprache für ausländische Teilnehmer durchführt

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -