Die KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen (Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof)

Hintergrundinformationen

1.2. Geschichte - Teil 3:

3. Selektive Erinnerung

Am 1.6.1945 wurde den französischen Soldaten von zwei Überlebenden das Massengrab auf dem Flugplatzgelände gezeigt, das am folgenden Tag geöffnet wurde. Die männliche Bevölkerung von Oberndorf, Hailfingen und alle Bürger aus Bondorf und Tailfingen mussten zu Fuß zum Flugplatz und dort die Leichen ausgraben. Die Tailfinger Männer mussten das Massengrab aufdecken, dabei kam es zu Misshandlungen durch französische Soldaten. Ein Mann starb durch Überanstrengung an seinem Herzleiden, ein anderer einige Tage später an den Folgen der Schläge. Die Tailfinger Frauen mussten ein Grab auf dem Tailfinger Friedhof ausheben, in das die Leichen überführt wurden.
Das Holzkreuz auf dem Friedhof, das die Franzosen anordneten, trägt die Inschrift:
"Hier ruhen 72 unbekannte KZ-Häftlinge."

Die Aufdeckung des Massengrabs

Die Aufdeckung des Massengrabs
© KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen

Nach 1945: Auch wenn immer wieder betont wurde, dass man nichts wusste und über das Konzentrationslager jahrzehntelang weitgehend Schweigen herrschte, war die Geschichte des Lagers in der lokalen Erinnerung immer präsent. Sie wurde jedoch durch die Erinnerung an die Ereignisse vom Juni 1945 überlagert, die dann auch mehrfach instrumentalisiert wurden, um von den Naziverbrechen abzulenken oder sie zu verharmlosen.

Der ehemalige Flugplatz interessierte zunächst nur im Hinblick auf seine zukünftige Nutzung. Zweimal Ende der 60er-Jahre und 1972/73 stand das Gelände sogar als möglicher Standort für einen Großflughafen Stuttgart II zur Diskussion.

Mitte der 60er-Jahre setzten Angehörige von Ignac Klein einen Gedenkstein neben das Holzkreuz auf dem Tailfinger Friedhof.

Nachdem bereits 1978 ein fundierter wissenschaftlicher Aufsatz über das KZ-Außenlager erschienen war, folgten ab 1982 erste Aktivitäten und Veranstaltungen.
1985 errichtete die DKP Tübingen am Ende der Landebahn ein Holzschild mit der Inschrift:
"Hier war das Konzentrationslager Hailfingen-Natzweiler Elsaß. Hunderte zu Tode geschundene und ermordete KZ-Häftlinge mahnen. Nie wieder Faschismus, Nie wieder Krieg."

Die erste Gedenktafel auf dem Flugplatzgelände

Die erste Gedenktafel auf dem Flugplatzgelände
1985 von der Tübinger DKP 1985 errichtet
© KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen

Sowohl die Veranstaltungen als auch die Gedenktafel stieß auf starke Ablehnung in Teilen der Bevölkerung und wurde mehrfach beschmiert.
Ende 1985 gründete sich der Förderverein zur Errichtung eines Mahnmals für die Opfer des Konzentrationslagers Hailfingen-Tailfingen. Ein Jahr später wurde auf dem Tailfinger Friedhof von der Gemeinde Rottenburg, der Gemeinde Gäufelden und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs ein Gedenkstein enthüllt.

Gedenkstein für die Opfer der Gewalt auf dem Tailfinger Friedhof

Gedenkstein für die Opfer der Gewalt auf dem Tailfinger Friedhof
© Wolfgang Wulz
Da dem Förderverein eine Erinnerung auf dem Gelände wichtig war, errichtete er dort 1987 eine Informationstafel, die ebenfalls beschmiert wurde.

1987 Gedenktafel des Fördervereins

1987 Gedenktafel des Fördervereins
auf dem Flugplatzgelände
© KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen

Ende 2001 präsentierte die Gemeinde Gäufelden in einer Ausstellung in Tailfingen Luftaufnahmen der Alliierten und eine rekonstruierte Karte des Flugplatzgeländes.

2002 begann die Sektion Böblingen-Herrenberg-Tübingen des Vereins Gegen Vergessen Für Demokratie (GV/FD), die Geschichte des KZ Außenlagers Tailfingen-Hailfingen intensivst aufzuarbeiten.

2007 erschien eine umfassende Dokumentation über die Geschichte des Flugplatzes und des Lagers. GV/FD gab außerdem die Autobiographie von Mordechai Ciechanower, einem der Überlebenden, heraus. Ebenso die Lebensgeschichte der Tochter des ersten Opfers, Marga Griesbach, geborene Steinhardt.
Daneben wurde multimediales Unterrichtsmaterial erstellt, das im Herbst 2007 in das Internetportal des Kreismedienzentrums Böblingen www.zeitreise-bb.de gestellt wurde. Johannes Kuhn (Herrenberg) drehte den 60-minütigen Dokumentarfilm Geschützter Grünbestand , der am 7.4.2006 zum ersten Mal gezeigt wurde.

Im Schuljahr 2007/08 begann das St. Meinrad-Gymnasium Rottenburg mit einem Projekt Gedenkpfad .

2008 entstand ein weiterer Dokumentarfilm (Bernhard Koch und GV/FD).

2010 wurden das Mahnmal auf dem Flugplatzgelände und die Dauerausstellung im Rathaus Tailfingen eingeweiht.

Anfahrtskizze zur KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen

Anfahrtskizze zur KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen
© KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen


Text: Volker Mall und Harald Roth

 

Teil 1 - Der Nachtjägerflugplatz Hailfingen-Tailfingen

Teil 2 - Das KZ-Außenlager auf dem Flugplatz Hailfingen-Tailfingen

Druckversion aller 3 Teile

 

- Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart / KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen -