Erinnerungsstätte Matthias Erzberger (1875-1921) in Münsingen-Buttenhausen - Ein Wegbereiter parlamentarischer Demokratie in Deutschland

Hintergrundinformationen

1. Bedeutung

Die Erinnerungsstätte Matthias Erzberger in dessen Geburtshaus in Buttenhausen widmet sich ausschließlich der Person und dem Wirken des bedeutenden Zentrumspolitikers. Trotz oder vielleicht auch aufgrund seiner Kleinräumigkeit eignet es sich für den Besuch mit Schülerinnen und Schülern. Über die Beschäftigung mit der Person Erzbergers findet gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit der Politik des Kaiserreiches und der frühen Weimarer Republik statt.

Anhand von zehn 'Geschichtsbildern' werden in der Erinnerungsstätte Leben und Leistung des Zentrumspolitikers Matthias Erzberger (1875-1921) nachgezeichnet. Erzberger hatte entscheidenden Anteil an der Entwicklung Deutschlands zu einer parlamentarischen Demokratie an der Wende vom Kaiserreich zur Weimarer Republik.

Besondere Leistungen:

  • Aktion zur Zusammenarbeit der Parteien der Mitte für eine Friedensresolution des Reichstags 1917 (Stichworte Julikrise, Interfraktioneller Ausschuss)
  • Beendigung des Ersten Weltkriegs durch Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages 1918 (Stichworte Erster Weltkrieg, Compiègne, Völkerbund)
  • Mitwirkung an der Weimarer Verfassung
  • Schaffung einer im Kern heute noch gültigen Steuer- und Finanzreform 1919/20

Von rechtsextremer Seite massiv angefeindet, wird Erzberger 1921 von zwei ehemaligen Offizieren ermordet. In der erzbergerfeindlichen Publizistik spielt zum Teil die Herkunft aus dem jüdisch geprägten Dorf Buttenhausen eine Rolle, dessen Spuren noch vielfach sichtbar sind. Eine Verbindung zu diesem Thema ist durch weitere Einrichtungen vor Ort möglich.


2. Geschichte

1875

Matthias Erzberger kommt als ältester Sohn einer katholischen Familie in dem jüdisch-protestantisch geprägten Albdorf Buttenhausen zur Welt.

Geburtshaus in Buttenhausen 1927

Geburtshaus in Buttenhausen 1927 © Stadtarchiv Münsingen

1896

Redakteur der Zentrumszeitung "Deutsches Volksblatt"; Arbeitersekretär des Zentrums in Württemberg, Beschäftigung mit der sozialen Lage von Arbeitern und Handwerkern

1899

Mitwirkung bei der Gründung christlicher Gewerkschaften in Deutschland

1902

Veröffentlichung einer grundlegenden Studie zur Säkularisation von Kirchengut in Württemberg

1903

Erzberger zieht als jüngster Abgeordneter für den Wahlkreis Biberach in den Reichstag ein.

1905/06

Erzberger macht mit anderen Abgeordneten auf die Kolonialskandale und damit sowohl auf Menschenrechtsverletzungen in den deutschen Kolonien als auch auf wirtschaftliche Missstände aufmerksam. Reichstagsauflösung durch Reichskanzler von Bülow und sog. "Hottentottenwahlen".

1914-1918

Erster Weltkrieg. Erzberger ist Leiter der deutschen Auslandspropaganda und gelangt über Kontakte zum neutralen Ausland an wichtige Informationen. Er entwickelt sich bis 1916/17 vom Befürworter eines chauvinistischen Siegfriedens zum Fürsprecher einer schnellen Beendigung des Krieges ohne Sieger und Besiegte. Durch schonungslose Schilderung der Lage gelingt Erzberger der Beschluss einer Friedensresolution im Juli 1917, die aber nicht umgesetzt wird. Entscheidend bleibt die hier erstmals praktizierte Zusammenarbeit der Parteien der Mitte, die später in wechselnder Konstellation die Republik von Weimar führen sollten.

11. November 1918

Erzberger unterzeichnet im Wald von Compiègne den Waffenstillstand für die deutsche Seite, Ende des Ersten Weltkriegs.

Erzberger als Staatssekretär 1918

Erzberger als Staatssekretär 1918 © Stadtarchiv Münsingen

1918-1919

Schriften zum Völkerbund, Mitbegründung der katholischen Friedensbewegung in Deutschland
Gleichzeitig leitet Erzberger die deutsche Waffenstillstandskommission und ist als der wichtigster Zentrumspolitiker an den Weichenstellungen hin zur Weimarer Republik beteiligt (Ausarbeitung der Verfassung, Annahme des Versailler Vertrages).

1919-1920

Finanzminister im Kabinett Bauer (SPD), Schaffung der Steuer- und Finanzreform, die eine einheitliche Finanzverfassung des Reichs sowie die progressive Einkommensteuer als wesentliche Steuerquelle des Staates vorsah.

Im Arbeitszimmer 1920

Im Arbeitszimmer 1920 © Stadtarchiv Münsingen

1920

Erbitterte publizistische und gerichtliche Auseinandersetzung vor allem mit dem DNVP-Abgeordneten Karl Helfferich, dessen Broschüre "Fort mit Erzberger" ein erstes Attentat zur Folge hatte; Rücktritt als Reichsfinanzminister aufgrund später entkräftigter Vorwürfe über Steuerhinterziehung

21.8.1921

Ermordung Erzbergers bei Bad Griesbach im Schwarzwald durch zwei ehemalige Weltkriegsoffiziere im Auftrag der im Umkreis der Freikorps operierenden Geheimorganisation Consul.

Reichskanzler Joseph Wirth am Bahnhof in Biberach bei seiner Ankunft zu Erzbergers Beerdigung

Reichskanzler Joseph Wirth am Bahnhof in Biberach bei seiner Ankunft zu Erzbergers Beerdigung © Stadtarchiv Münsingen

Einweihung der Gedenktafel 1927

Einweihung der Gedenktafel 1927 © Stadtarchiv Münsingen

Die Gedenktafel am Geburtshaus

Die Gedenktafel am Geburtshaus © Stadtarchiv Münsingen


3. Anlage

Geburtshaus und Erinnerungsstätte in Buttenhausen

Geburtshaus und Erinnerungsstätte in Buttenhausen © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Die Erinnerungsstätte Matthias Erzberger befindet sich im Geburtshaus des Politikers in der Buttenhausener Mühlsteige. Das ursprünglich jüdische Haus entspricht einem dörflichen Seldnerhaus und lässt durch den kleinräumigen Zuschnitt die ärmlichen Verhältnisse der Familie Erzberger - der Vater war Schneider und Briefträger - erahnen. Die kleinen Räume bieten keinen Platz für eine ganze Schulklasse, sondern nur für kleinere Schülergruppen (siehe Lernorterkundung).

Die Themen im Einzelnen (siehe auch Informationen auf Homepage des Erzberger-Museums):

Treppenhaus:

"Herkunft aus einfachen Verhältnissen": Erzberger als Familienvater

Wegbereiter der deutschen Demokratie

Wegbereiter der deutschen Demokratie © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Erzbergers Familie

Erzbergers Familie © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Matthias Erzberger als Familienvater

Matthias Erzberger als Familienvater © Haus der Geschichte Baden-Württemberg


Raum 1:

"Anwalt der kleinen Leute": Jugend, Ausbildung und Politisierung Erzbergers, sein Wirken in Württemberg

Raum 1

Raum 1 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Raum 2:

"Volksvertreter im Reichstag": Erzbergers Arbeit in Berlin, u.a. Kolonialskandale

Raum 2

Raum 2 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Raum 3:

"Erster Weltkrieg": Erzbergers Tätigkeit im Krieg; Wandel vom Kriegsbefürworter zum Schöpfer der Friedensresolution, seine Schriften zum Völkerbund

Raum 3

Raum 3 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Raum 4:

"Waffenstillstand von Compiègne": Inszenierung mit Hörspiel zu den Waffenstillstandsverhandlungen im berühmten Eisenbahnwaggon

Raum 4

Raum 4 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Raum 5:

"Erinnerung an Compiègne": Der Raum spürt den unterschiedlichen Erinnerungskulturen in den verschiedenen Ländern nach, Compiègnes Rolle im Zweiten Weltkrieg (Wochenschaufilm 1940) und das weitere Schicksal des Eisenbahnwaggons werden thematisiert.

Raum 5

Raum 5 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Raum 6:

"Versailler Friedensvertrag": Erzberger setzt sich aus pragmatischen Gründen für die Annahme des Vertrags ein und verhindert damit eine Zerschlagung Deutschlands.

Raum 6

Raum 6 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Raum 7:

"Reichsfinanzreform": In Zeiten riesiger Schuldenlast durch den verlorenen Krieg gelingt Erzberger in wenigen Monaten eine grundlegende Reform der Steuer- und Finanzverfassung.

Raum 7

Raum 7 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg


Raum 8:

"Antirepublikanische Hetz": Erzberger galt vielen als Vaterlandsverräter. Eindrückliche Beispiele in Wort und Bild belegen die aggressive Hetze gegen einen der wichtigsten Repräsentanten der jungen Republik.

Raum 8

Raum 8 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Raum 9:

"Politischer Mord": Anhand eines Asservatenschranks kann man sich auf die Spuren der Täter setzen und Motiven wie Hintermännern nachgehen.


Raum 9

Raum 9 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Raum 10:

"Umkämpfte Erinnerung": Ein Archivregal weist den Weg durch den unterschiedlichen Umgang mit der Erinnerung an Erzberger in Weimar, der NS-Zeit und der Bundesrepublik.

Eine Auswertung von 2004 gemachten Interviews zeigt das Bild Erzbergers heute bei prominenten wie sonstigen Zeitgenossen.

Raum 10

Raum 10 © Haus der Geschichte Baden-Württemberg


 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -



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