Valerius Maximus: : Wundergeschichten (Facta et Dicta Memorabilia 1, 8, 1)

Wie das mythischen Brüderpaares Castor und Pollux in den Kampf eingriff, und über eine Erscheinung des toten Caesars

Die Texte auf dieser Seite sind teilweise vereinfacht. Die vollständige Fassung findet man bei der Bibliothek des Packard Humanities Institute.

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1,8: De miraculis: Über die Wunder: Einführung

In der Einführung zu Kapitel 1, 8 erklärt der Autor, Valerius Maximus, worum es in diesem Kapitel geht .

1.8. Initium

Multa etiam interdiu et vigilantibus acciderunt perinde ac tenebrarum somnique nube involuta.

Viele Dinge sind auch bei Tage den Menschen, die wach waren, zugestoßen, so wie wenn sie in einer Wolke der Dunkelheit und des Schlafes eingehüllt gewesen wären.

Quae quia dinoscere arduum est,

unde manaverint aut qua ratione constiterint,

merito miracula vocentur.

Quorum e magno acervo in primis illud occurrit.

Weil es schwer ist zu erkennen, woher diese Dinge kamen und wie sie entstanden sind, sollen sie zu Recht „Wunder“ genannt werden.

Aus der großen Menge dieser Dinge ist zuerst dieses aufgefallen:

 

Die Erscheinung des Brüderpaares Castor und Pollux

Facta et dicta memorabilia 1, 8, 1

Am Anfang des 5. Jh. v. Chr. lag die jungen römische Republik im Konflikt mit den Tuskulanern; dies war Teil der Latinerkriege (siehe die Tabelle zur römischen Geschichte). Die Römer ernannten Aulus Postumius Albus zum dictator. Das Amt des dictator diente dazu, in Krisenzeiten einen einzelnen Heerführer zu haben, der mehr Macht als  der Konsul hatte und sich nicht mit einem Kollegen abstimmen musste. Die Amtszeit des dictator war zeitlich eng begrenzt.

Cum apud lacum Regillum A. Postumius dictator et Tusculanorum dux Mamilius Octavius magnis viribus inter se concurrerent ac neutra acies aliquamdiu pedem referret,

Castor ac Pollux Romanarum partium propugnatores visi hostiles copias penitus fuderunt.

vīres: die Kräfte

concurrere, concurrō, concurrī, concursum Tabelle: aufeinandertreffen (im militärischen Sinne)

neuter: keiner von beiden

aliquamdiū (Adverb): eine Zeitlang

pedem referre: sich zurückziehen (wörtlich: den Fuß zurückziehen)

prōpugnātor, prōpugnātoris, m. Tabelle: der Vorkämpfer, der Unterstützer

Castor et Pollux: Castor und Pollux (mythisches Brüderpaar; siehe den Artikel der Wikipedia.)

Rōmānae partēs: die römische Seite

hostīlis, hostīle Tabelle: feindlich

penitus fundere, fundō, fūdī, fūsum Tabelle: völlig vernichten

 

Diese Geschichte, die sich im Jahr 499 oder 496 v. Chr. zugetragen haben soll, wird auch bei Cicero, De Natura Deorum 2,6 und 3,11 berichtet.

 

Der Tempel des Castor und Pollux auf dem Forum Romanum

Der Tempel des Castor und Pollux auf dem Forum Romanum erinnert heute noch an die Bedeutung der Sage. Die Säulen stammen aus der Zeit des Tiberius.

Facta et dicta memorabilia 1, 8, 8: Eine Erscheinung Iulius Caesars

Im vorangehenden Abschnitt spricht der Autor von der Stadt Alba und ihrer Besiedlung durch Ascanius, den Sohn des Aeneas. In dieser Geschichte erzählt er von einer Erscheinung Caesars in der Schlacht von Philippi im Jahr 42 n. Chr. zwischen Octavian, dem späteren Augustus, und Marcus Antonius auf der einen Seite und den Caesarmördern auf der anderen Seite. Caesar war zu diesem Zeitpunkt also bereits tot. Zu dieser Schlacht siehe die Tabelle zur römischen Geschichte.

Originaltext bei der Perseus Bibliothek

 

Facta mentione urbis [Albae], e qua primordia civitas nostra traxit, divus Iulius, fausta proles eius, se nobis offert.

Alba: Siehe Einleitung

prīmōrdium, prīmōrdiī, n. Tabellensymbol: der Anfang; primorida trahere: seinen Ursprung haben

dīvus Iūlius: der vergöttlichte Iulius. Gemeint ist C. Iulius Caesar, der von den Triumvirn Anfang 42 v. Chr. zum Gott erklärt wurde. Siehe die Tabelle zur römischen Geschichte, Link oben.

fausta prōlēs: der gesegnete Sprössling
eius bezieht sich auf Alba Longa (Wikipedia). KommentarKommentar zur TextstelleAls „Nachkomme Albas“ wird Caesar deswegen bezeichnet, weil die gens Iulia (der Stamm der Iulier) nach der Propaganda des Kaiserhauses von Ascanius gegründet wurde, welcher der Sohn des Aeneas war und mit zweitem Namen Iulus hieß.

Quem vidit C. Cassius numquam sine praefatione publici parricidii nominandus, cum in acie Philippensi ardentissimo animo perstaret.

Aspexit eum humano habitu augustiorem, purpureo paludamento amictum, minaci vultu et concitato equo in se impetum facientem.

C. Cassius: C. Cassius Longinus, einer der Caesarmörder (Wikipedia)

numquam … nominandus: übersetze mit einem Relativsatz (der niemals … genannt werden darf)

sine praefātiōne: ohne Erwähung

parricīdium, parricīdiī, m. Tabellensymbol: der Vatermord

acies Philippensis: die Schlacht von Philippi (siehe den Vorspann zu dieser Geschichte)

ardentissimo: Superlativ zu ardens, ardentis: fanatisch

humano habitu augustiorem: erhabener als eine menschliche Gestalt

mināx, minācis: drohend

vultus, vultūs, m. Tabellensymbol: die Miene

purpureus: rot

palūdāmentum, palūdāmentī, n. Tabellensymbol: der Mantel, der Umhang

amictus: gekleidet

concitāre: erregen, anfeuern, anregen

impetus, impetūs, m. Tabellensymbol: der Angriff

Quo aspectu perterritus tergum hosti dedit voce illa prius emissa:

„Quid enim amplius agam, si occidisse parum est?“

aspectus, aspectūs, m. Tabellensymbol: der Anblick

tergum dare: jemandem den Rücken zuwenden, d.h. fliehen

amplius: noch mehr

parum est: es ist zu wenig, es reicht nicht aus

Non occideras tu quidem, Cassi, Caesarem, neque enim ulla extingui divinitas potest, sed violando eum, qui adhuc mortali corpore utebatur, meruisti, ut tam infestum haberes deum.

Cassi: Vokativ zu Cassius

dīvīnitās, dīvīnitātis, f. Tabellensymbol: das göttliche Wesen

ūtī, ūtor, ūsus sum: (hier:) haben

merēre, mereō, meruī Tabellensymbol: verdienen (in klassischem Latein wird meist mereri, also das Deponens verwendet.)

īnfestus: feindlich

 

Arbeitsanregungen

Zur Einleitung und zum gesamten Text

Überprüfe, ob der Autor die Geschichten, die er hier erzählt, für wahr oder für erfunden hält.

Zur Geschichte von der Erscheinung Caesars

  1. Arbeite heraus, was man aus dieser Geschichte über das Caesarbild zur Zeit des Valerius Maximus erfährt. Suche dafür insbesondere die Wörter heraus, die sich auf Caesar beziehen.

  2. Arbeite die sprachliche Gestaltung heraus. Schaue dafür auf den letzten Satz, in dem sich mehrere Stilmittel finden lassen, z. B. ein Paradox. Verwende dafür die Liste der Stilmittel.

Belege deine Ergebnisse am lateinischen Text.

Vorschläge zur Arbeit mit den Texten

Weitere Informationen:


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