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Kinder als Arbeiter in englischen Fabriken

Obwohl am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts weltweit die Zahl der Menschen in Fabriken verschwindend gering war, zeichnete sich hier doch ein neues Arbeitsmodell ab. Die Menschen richteten ihr Leben nach dem Takt der Maschinen aus und führten in den ländlichen Räumen, in denen die Fabriken entstanden zu einer Umgestaltung des sozialen ländlichen Raumes. Die kapitalistische Revolution war erfolgreich, weil sie unvollständig blieb – d.h. Arbeiter konnten nebenbei noch agrarisch tätig sein, nicht vollständig von der Fabrik abhingen. Gerne rekrutierten Fabrikbesitzer Migranten aus ländlichen Gebieten, die oft über recht geringe Zeiträume hin beschäftigt wurden, darunter vor allem Frauen und Kinder. Kinder waren billig, leisteten wenig Widerstand und stellten für arme Eltern oft die einzige Quelle von Einkommen dar.

„In Quarry Bank Mill, Samuel Gregs Pionier-Fabrik in der Nähe von Manchester, arbeiteten viele Kinder aus ärmlichen Verhältnissen als sogenannte «Lehrlinge». Greg bediente sich in den Armenhäusern der Gemeinde und rekrutierte dabei so viele Kinder, dass diese zwischen 1784 und 1840 mehr als die Hälfte seiner Belegschaft stellten. Er brachte sie in Schlafsälen unter und ließ sie in der Regel sieben Jahre lang für sich arbeiten. Zwar stellte Greg sich selbst als fürsorglichen, väterlichen Arbeitgeber dar, es wurde aber auch berichtet, dass er die junge Esther Price in eine speziell konstruierte Arrestzelle für «Ungehorsam» sperrte und andere Kinder Überstunden machen ließ, um sie für das «Vergehen» zu bestrafen, einen Apfel stiebitzt zu haben. Greg war jedoch kein Einzelfall. Samuel Oldknow zum Beispiel erschloss sich ebenfalls einen blühenden Markt für «Lehrlinge»; 1796 offerierte die Gemeinde Clerkenwell 35 Jungen und 35 Mädchen und lud Oldknow ein, sich so viele davon auszusuchen, wie es ihm beliebte. Die Edinburgh Review beteuerte 1835, dass Fabriken «die besten und wichtigsten Lehranstalten für Kinder» seien. Wenn sie sich auf der Straße herumtrieben, sei das viel schlimmer, als wenn sie in den Spinnereien «in Sicherheit» gebracht würden.“

zitiert nach: Sven Beckert, King Cotton, München: C.H.Beck  22014, S. 186.

Kinderarbeit war auch noch im 20. Jahrhundert gang und gäbe (hier z.B. in den USA): 3.12.1908, Newberry, South Carolina


Kinderarbeit war sozial akzeptiert und wurde dringend benötigt, die Kommission der Société Industrielle de Mulhouse im Elsaß empfahl, dass Kinder zwischen 8 und 10 maximal 10 Stunden am Tag arbeiten sollten, Nachtschichten sollten nur für über 14-Jährige in Frage kommen. Nur wenige Kinder hinterließen Spuren in den Quellen. 

„Ellen Hootton war eine seltene Ausnahme. Anders als Millionen ihrer Leidensgenossen ging sie in die Geschichtsschreibung ein, weil sie im Juni 1833 vor die Königliche Untersuchungskommission für Fabriken berufen wurde, die mit der Prüfung von Kinderarbeit in britischen Textilbetrieben betraut war. Als sie mit nur zehn Jahren verängstigt vor dem Untersuchungsausschuss stand, war sie schon seit zwei Jahren in einer Baumwollspinnerei angestellt und bereits eine erfahrene Arbeiterin. Ellen hatte die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da eine Gruppe von Aktivisten der Mittelschicht Manchesters, welche die Arbeitsbedingungen in den zahlreichen neuen Fabriken der Stadt und des Umlandes ins Visier nahmen, ihren Fall ausgewählt hatten, um den Missbrauch von Kindern zu demonstrieren. Sie bezeichneten Ellen als Kindersklavin, die dazu gezwungen werde, nicht nur in metaphorischen, sondern in echten Ketten zu arbeiten, unter Androhung von Strafen durch einen brutalen Aufseher.

Die Kommission befragte Ellen, ihre Mutter Mary und ihren Aufseher William Swanton ebenso wie den Fabrikbesitzer John Finch - mit der Absicht zu zeigen, dass das Mädchen eine «notorische Lügnerin» sei, der man nicht trauen konnte. Trotz der Bemühungen der Kommission, den Fall reinzuwaschen, erwiesen sich aber die Anschuldigungen grundsätzlich als wahr. Ellen war das einzige Kind von Mary Hootton, einer alleinerziehenden Mutter, die selbst eine Handweberin war und damit kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte. Bis sie sieben wurde, hatte Ellen etwas Unterstützung von ihrem Vater, ebenfalls ein Weber, erhalten. Als diese Zahlungen jedoch ausblieben, brachte ihre Mutter sie in eine der nahegelegenen Fabriken, um das magere Einkommen der Familie aufzubessern. Erst nach vollen fünf Monaten unbezahlter Arbeit (es wurde behauptet, dass sie das Gewerbe erst erlernen müsse) wurde sie eines von den vielen Kindern, die in Eccle's Spinnerei angestellt waren. Zu ihrem Arbeitstag befragt, sagte Ellen aus, dieser beginne morgens um 5.30 Uhr und ende abends um 20 Uhr, unterbrochen von einer Frühstücks- und einer Mittagspause. Der Aufseher, Mr. Swanton, erklärte, dass Ellen in einem Raum mit 25 anderen arbeite, darunter drei Erwachsene, der Rest Kinder. Sie selbst sagte, sie sei ein «Flicker an der Drosselspinnmaschine« - eine ermüdende Arbeit, die aus dem Reparieren und Anknoten gerissener Fäden bestand, die auf die Spulen der Spinnmaschinen aufgezogen wurden. Da die Fäden ständig rissen, oft mehrmals in der Minute, blieben ihr nur wenige Sekunden, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Es war nahezu unmöglich, mit der Geschwindigkeit, mit der sich die Maschine vor-und zurückbewegte, Schritt zu halten, weshalb ihr manchmal ein «Fadenbruch» unterlief - was bedeutete, dass sie die lockeren und gerissenen Enden des Fadens nicht schnell genug zusammengeknüpft hatte. Für solche Fehler musste sie teuer bezahlen. Ellen berichtete, dass sie von Swinton «zweimal die Woche» geschlagen wurde, bis ihr «Kopf grün und blau war». Swinton bestritt die Häufigkeit dieser Prügel, gab aber zu, «einen Lederriemen» zu benutzen, um das Mädchen zur Ordnung zu rufen. Ihre Mutter, die Ellen ein «ungezogenes, dummes Ding» nannte, sagte aus, dass sie solche körperlichen Strafen gutheiße und Swinton sogar darum gebeten habe, strenger zu sein, um den Ausreißversuchen ihrer Tochter ein Ende zu machen. Mary Hootton hatte ein schweres Leben. Sie war auf den Lohn des Kindes dringend angewiesen, und sie bat Swinton wiederholt, das Kind trotz allen Ärgers zu behalten. «Ich weine oft», sagte sie.

Die Prügel jedoch waren nicht das Schlimmste, das Ellen durch Swinton angetan wurde: Einmal, als Ellen zu spät zur Arbeit kam, bestrafte Swinton sie noch härter: Er hängte ihr ein Eisengewicht um den Hals (es bestand keine Einigkeit darüber, ob es 7 oder 9 Kilo wog) und ließ sie in der Fabrikhalle auf und ab laufen. Die anderen Kinder piesackten sie, und so «stürzte sie mehrfach, während sie sich, das Eisengewicht am Hals, mit Händen und Füßen zur Wehr setzte». Noch heute, fast 200 Jahre später, ist das Leid im Leben dieses Mädchens, von ihrer quälenden Arbeit bis hin zu der Gewalt, die ihr angetan wurde, schwer zu begreifen.“

zitiert nach: Sven Beckert, King Cotton, München: C.H.Beck  22014, S. 174f.


Aufgaben:

Beschreibe die Arbeitsbedingungen für Kinder in englischen Fabriken.

Erkläre, warum sie als Arbeitskraft für Unternehmer attraktiv waren.

Informiere dich, ab wann Kinderarbeit in den europäischen Staaten offiziell verboten war.


Die Quellen als Arbeitsblatt im pdf-Format.

 

 

 


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