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Die Affäre Dreyfus – fataler Justizirrtum und Durchbruch des republikanischen Gedankens in Frankreich

Nach dem deutsch-französischen Krieg 1871 hat das Kaiserreich eine sehr moderne Verfassung eingeführt, in Frankreich wurde die sog. „Dritte Republik“ etabliert. Die Dritte Republik in Frankreich und der französische Parlamentarismus haben sich so ganz anders entwickelt als der Parlamentarismus im Kaiserreich. Was aber waren die Faktoren, die hierfür verantwortlich sind?

Nach einer eher autoritären ersten Phase kamen die republikanischen Tendenzen ab Ende der 1870er-Jahre in Frankreich zum Durchbruch und bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs hat sich ein funktionierendes parlamentarisches Miteinander entwickelt, das sich durch eine hohe Kontinuität der politischen Akteure auszeichnete, weniger durch eine Kontinuität der einzelnen Regierungen.

Daneben gab es aber starke konservative Tendenzen, vor allem im Klerus und beim Militär. Hier schaute man auf die Zeit Napoleons III. mit Wehmut zurück und verfolgte argwöhnisch den Liberalismus, der sich im französischen Parlament und zunehmend auch in den Regierungen durchzusetzen begann.

Die Degradierung des Alfred Dreyfus

(nach "Le Petit Journal", Januar 1895)

 

Ein Konflikt, an dem das liberale und das konservative Frankreich aufeinanderstießen, war die sog. Dreyfus-Affäre. Sie legte die Bruchlinien offen, anhand derer sich im Militär ein großes Unbehagen gegen dem liberal-republikanischen Verfassungsstaat gebildet hatte und zeigt, wie unversöhnlich beide Seiten gegenüberstanden. Der Konflikt zog sich dabei durch die gesamte Gesellschaft bis hin auf die private Ebene von Familienfesten.

Objekt und Opfer der Affäre war Alfred Dreyfus, ein Hauptmann aus dem elsässischen Mühlhausen und jüdischer Abstammung – ein Umstand, der ihn für seine Vorgesetzten auf zweierlei Art zum potenziellen Sündenbock prädestinierte: als Jude und vermeintlicher deutscher Spion.

Un diner en famille

(Unterschriften: "Vor allem wollen wir nicht über die Affäre Dreyfus sprechen - Sie haben darüber gesprochen."

Karikatur vom 13. Februar 1898

 

Dieses Modul wendet sich der sog. Dreyfus-Affäre zu, weil sie konstitutiv für die praktische Durchsetzung der liberal-republikanischen Prinzipien im Frankreich der Jahrhundertwende steht. Dazu soll zunächst die unmenschliche Situation Alfred Dreyfus‘ auf der sog. Teufelsinsel untersucht werden, um sie mit seinen vermeintlichen Verbrechen zu kontrastieren. Mithilfe einer kleinen Präsentation wird den Schülerinnen und Schülern die Vorgeschichte erklärt und Dreyfus als Opfer eines fatalen Justizirrtums erkennbar. Die unhaltbare Position der Militärs wird mithilfe des provokativen und inzwischen legendären Texts von Emile Zola (im Original und mit Kürzungen) aufgearbeitet und die Schülerinnen und Schüler kommen abschließend mithilfe eines Thesenpapiers zu einem Urteil der Dreyfus-Affäre.

J'accuse - die Anklageschrift Emile Zolas in der Dreyfus-Affäre

 

In Frankreich konnte sich die liberale Öffentlichkeit durchsetzen; gleichzeitig formierte sich aber auch die politische Rechte während und nach der Dreyfus-Affäre. Zu einem problemorientierten Abschluss eignet sich die Situation des Justizirrtums und die weitgehende Ausschaltung des Rechtsstaats durch die militärische Gerichtsbarkeit sowie die individuelle Tragik von Alfred Dreyfus. Hier können durchaus Bezüge zur Gegenwart gezogen werden (z.B. Guantanamo; Türkei). Vergleichend sollte nun ein innenpolitisches Thema des Kaiserreichs gegenübergestellt werden (Kulturkampf, Sozialistengesetze, Affären unter Wilhelm II.), um zu sehen, wie die Gesellschaften sich unterschieden.

Alle Arbeitsblätter im zip-Format (7,2 MB).


1. Einstieg: Der Gefangene Alfred Dreyfus auf der Teufelsinsel

Sensibilisierung: Ein Gefangener Ende des 19. Jahrhunderts - Welche Fragen stellen sich?

  • Was hat er verbrochen?
  • Unter welchen Bedingungen wir er gefangen gehalten?
  • Wo ist die Teufelsinsel?
  • ...

2. Arbeitsphase 1: Strafbedingungen des Gefangenen Dreyfus auf der Teufelsinsel (Louis Begley)

  • Arbeite heraus, unter welchen Bedingungen Alfred Dreyfus seine Strafe verbüßt hat.
  • Überlege, was der Gefangene angestellt haben mag.

3. Auswertung 1: Strafbedingungen von Alfred Dreyfus

  • Extreme räumliche Einschränkung
  • Primitivste Wohnbedingungen
  • Extreme klimatische Bedingungen
  • Krankheiten ausgesetzt (Malaria)
  • Einzelhaft
  • Kein Besuch möglich
  • Zensur des Briefverkehrs
  • Sprechverbot

4. Informationsinput: Was hat Alfred Dreyfus getan, dass er so hart/unmenschlich bestraft wird?

5. Arbeitsphase 2: Der Widerstand der Dreyfusards: Emile Zola

6. Auflösung: Die Rehabilitierung (ppt)

7. Reflektion/UG: Bedeutung und Folgen für das republikanische Frankreich

  • Erläutere eine der dargestellten Thesen.

8. Orientierungskompetenz/Gegenwartsbezug:

  • Rechtsstaatliche Möglichkeiten eines Verurteilten heute (Appellation; Revision;...)
  • Rolle von Rechtsstaatlichkeit (z.B. Türkei)
  • Guantanamo als Gefängnis im rechtsfreien Raum

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