Buchtipps, Methoden, Konzepte und Projekte rund ums Lesen und Vorlesen bietet der Ideenpool Lesen gegliedert für alle Schularten und auch für den Elementarbereich.

Unsere Buchempfehlung im August 2022


Karrie Fransman & Jonathan Plackett: Der Prinz auf der Erbse - und andere umgekrempelte Märchen
(ab 6 Jahren)
Verlag: Verlag: Kein & Aber 2022

Corinna Wieja: Die Mittsommer - Bande
(ab 11 Jahren)
Verlag: arsEdition 2022

Buch des Monats August 
Cover: © liegt beim Verlag

Karrie Fransman & Jonathan Plackett: Der Prinz auf der Erbse - und andere umgekrempelte Märchen

Genderswapped Fairytales

Verlag: Kein & Aber; 1. Auflage, 2022
Übersetzerin: Sophie Zeitz-Ventura
Illustratorin: Karrie Fransman
ISBN-13: 978-3-0369-5866-8
Gebunden: 200 Seiten
Altersempfehlung: ab 6 Jahren
Märchen

 

Viele sind mit Märchen Hans Christian Andersens, der Gebrüder Grimm, Charles Perraults und anderen aufgewachsen. Sie wurden vorgelesen, als (Trick-)Film oder in Bilderbüchern angesehen. (Fast) jeder kennt Dornröschen, Schneewittchen, Aschenputtel und Rotkäppchen. Die Frage, was wäre, wenn die Geschlechter in den uns bekannten Märchengeschichten vertauscht wären, hat sich sicher noch nie jemand ernsthaft gestellt.
Jonathan Plackett und die Künstlerin Karrie Fransman haben aber genau das getan und mit Hilfe eines Algorithmus´ zwölf der bekanntesten Märchen verändert. Im Vorwort wird erklärt, wie es zu der Idee kam und warum das Geschlechterklischee verändert werden sollte: Das Autorenpaar (Video auf Englisch zu dem Paar und ihrer Arbeit am Buch) hat eine Tochter, und ist der Meinung, dass „kleine Mädchen stark sein und kleine Jungen ohne Zorn zu ihrer Verletzlichkeit stehen dürfen“ (S. 10).
Der von Plankett entwickelte Algorithmus vertauschte in den Texten alle gegenderten Figuren. Ziel sei es gewesen, die „Eindeutigkeit auf(zu)brechen“, die Menschen dazu zu bringen, dass sie ihre Annahmen hinterfragen, „mit denen wir das soziale Geschlecht in unserer Gesellschaft aufladen“ (S. 12). Das Vorwort ist sehr lesenswert, es gibt Einblicke zur Entstehung des Buches und der Texte, regt zum Nachdenken an und ändert sicher bei dem ein oder anderen die Sichtweise – vielleicht sogar noch schneller, wenn man die Märchen liest.
Die Sprache und der Wortlaut der Originaltexte wurden nach Möglichkeit übernommen, die Texte wirken aber ganz anders durch die Veränderung des Geschlechts: Aus dem Aschenputtel wird das Aschenpeterl, der Brüder und einen bösen Stiefvater hat, die ihn schlecht behandeln. Die Prinzessin auf der Erbse wird – wie der Titel schon verrät – zum Prinzen auf der Erbse, der von der Prinzessin zum Mann genommen wird. Das Geschwisterpaar Hänsel und Gretel heißen in dem Text Gretel und Hänsel, wodurch die stereotypen Mann-Frau-Eigenschaften umgekehrt werden und für eine andere Sichtweise sorgen: Die Geschwister treffen auf einen Hexer, der Gretel einsperrt und Hänsel für sich arbeiten lässt. Schneewittich wird von einer Jägerin in den Wald gebracht, begegnet den sieben Zwerginnen und lebt bei ihnen. Sein Stiefvater will ihn umbringen, bringt ihm verkleidet einen Schnürriemen, gibt ihm einen vergifteten Kamm und schließlich unter einer List den vergifteten Apfel. Eine Prinzessin nimmt den scheinbar toten Schneewittich mit und rettet ihm durch Zufall das Leben, als sein Sarg herunterfällt.
Wenn man die traditionellen Märchen kennt, fällt es sicher öfter schwer, die Texte zu lesen. Man muss das Traditionelle aber nicht verbannen, sondern kann die Sammlung Placketts und Fransmans als Anlass nehmen, mit den Kindern über Rollenklischess zu sprechen und zu erarbeiten, was man gegen diese tun kann. Die alten und neuen Texte eignen sich sehr gut, um sie zu vergleichen und zu untersuchen, was sich durch die Darstellung ändert.

In der Unterrichtseinheit „Märchen“ ist es denkbar, dass die Kinder die Originaltexte lesen, die Rollen in ihrem Lieblingsmärchen verändern und anschließend gemeinsam mit der Lehrkraft die Veränderungen reflektieren. Die Märchen des Autorenpaares können im Anschluss gelesen werden. Auch die Illustrationen können gewinnbringend eingesetzt werden: Sie muten orientalisch verzaubert an und können als Einstieg oder während der Reflexion eingesetzt werden. Auch jüngere Kinder, ab dem Schuleintrittsalter, können immer wieder Neues in den detailverliebten Aquarelldarstellungen finden.

Eine Leseempfehlung, vor allem für Erwachsene, die oft in Klischees gefangen sind und durch das Buch erkennen können, wie schnell durch die Änderung des Geschlechts eingefahrene Strukturen und Rollenbilder sichtbar werden. Vielleicht entstehen neue Sichtweisen. – Spaß beim Lesen und Entdecken hat man auf jeden Fall, wenn Rapunzel zum Beispiel den langen Bart herunterlässt oder der Großvater und sein Enkel von der Wölfin gefressen werden.


Blick ins Buch © Karrie Fransman & Jonathan Plackett, Der Prinz auf der Erbse, 2022 by Kein & Aber AG Zürich – Berlin


M.S. Ideenpool Lesen

Corinna Wieja: Die Mittsommer - Bande

Verlag: arsEdition 2022
Illustratorin: Mila Marquis
ISBN-13: 978-3-8458-4582-1
Gebunden : 192 Seiten
Altersempfehlung: ab 9 Jahren
Vorlesebuch, Roman


Schweden, Sommer, Kinder – Wer denkt bei diesen Schlagworten nicht an viele Kinderbuchklassiker von Astrid Lindgren! Die Autorin Corinna Wieja nimmt ihre Leserinnen und Leser mit auf eine Reise in das heutige Schweden, das immer noch viel vom Charme der Lindgren-Bücher hat. 

Flo freut sich darauf, in den Sommerferien drei Wochen auf einer schwedischen Insel zu verbringen. Dort reist sie mit ihrer Familie hin, um ihre Brieffreundin Motte kennenzulernen, die im Sommer bei den Großeltern auf der Insel ist. Zusammen mit Flos Schwester Biene gründen sie eine Bande, genießen die Freiheit der Ferien und entdecken die Insel, den Strand und den Wald. Dabei gilt es eine Schnitzeljagd mit vielen Rätsel zu lösen, die Mottes Großvater für die Mädchen, aber auch für die Jungen-Bande rund um Mottes Bruder Jonte vorbereitet hat. Natürlich will jede der beiden Gruppen das Rätsel zuerst lösen. Außerdem wollen Flo und Motte herausfinden, ob es das sagenumwobene weiße Rentier tatsächlich gibt. Dabei wird es zwischenzeitlich ganz schön spannend.
Freundschaft und Herzlichkeit sind die zentralen Themen des Buches. Die älteren Kinder binden die jüngeren Geschwister ganz selbstverständlich mit ein. Kleine Rivalitäten zwischen den Mädchen und Jungen werden beschrieben; im Verlauf der Geschichte finden die Kinder für Streitpunkte gute Lösungen und tun sich zusammen, als der Wald der Insel droht abgeholzt zu werden. Die sympathischen Charaktere bieten für Kinder viele Identifikationsmöglichkeiten.
Das Buch ist in übersichtliche Kapitel gegliedert, die nicht zu lang sind. Es eignet sich daher hervorragend als Vorlesebuch, aber auch zum Selberlesen. Zu Beginn der Geschichte werden die einzelnen Protagonisten kurz vorgestellt und über ein Bild visualisiert. Weitere kleine schwarz-weiß Illustrationen läuten jedes Kapitel ein.
Die Leserinnen und Leser erfahren beim Lesen ganz nebenbei einiges über Schweden und die schwedische Kultur. Gemeinsam feiern die Kinder z.B. das Mittsommerfest. Im Buch sind immer wieder schwedische Begriffe eingestreut, die genutzt werden können, um auch weitere Sprachen einer Klasse aufzugreifen. Die Sommerrätsel des Großvaters verlocken zum Mitraten und können als Schreibanlass für eigene Rätsel verwendet werden. Eine weitere Schreibanregung ist das Abenteuerbuch, in das Flo jeden Abend ihre Erlebnisse und Gedanken schreibt. Der Aspekt „Schreiben für sich selbst“ wird dadurch aufgegriffen und kann mit Schülerinnen und Schülern im Rahmen von Tagebucheinträgen thematisiert werden. Es kann Schreibmotivation geweckt werden, ein eigenes Ferientagebuch zu schreiben. Aber auch ein Einbinden des Themas „Briefe schreiben“ ist möglich. Über den Deutschunterricht hinaus können die Impulse genutzt werden, die sich auf den letzten Seiten des Buches finden. Hier gibt es eine kleine Sammlung an Rezepten, Spielen und Bastelideen, die in unmittelbarem Kontext zum Buch stehen. Die Klasse könnte ein eigenes kleines Büchlein herstellen, für welches jedes Kind eine Anleitung zu einem Lieblingsspiel, Lieblingsgericht oder einer schönen Bastelarbeit notiert.
Des Weiteren bietet die Geschichte an vielen Stellen Gesprächsanlässe, z.B. zum Thema Konflikte lösen. Der Bereich Sprechen kann vertieft eingebunden werden, indem Schülerinnen und Schüler Argumente sammeln, warum der Wald der Insel abgeholzt oder nicht abgeholzt werden sollte. Für den Sachunterricht bieten sich die Lebensräume Wald, Strand und Meer an, mit ihrer Flora und Fauna näher betrachtet zu werden.
Bei „Die Mittsommer-Bande“ handelt es sich um ein Buch, das die Vorfreude auf Ferien weckt und die Leserinnen und Leser in die besondere Atmosphäre der schwedischen Insel mitnimmt.
 

C.S. Ideenpool Lesen

 


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