Mannheims Entwicklung zur modernen Industriestadt – ein Besuch der multimedialen stadtgeschichtlichen Ausstellung im MARCHIVUM

Hintergrund

Zeittafel

1817

Karl Drais unternimmt am 12. Juni mit seiner Laufmaschine die erste Fahrt von Mannheim zum Relaishaus an der Schwetzinger Chaussee.

1828

Am Rhein wird ein Freihafen eröffnet.

1831

Durch den Abschluss der ersten Rheinschifffahrtskonvention („Mainzer Akte“) wird Mannheim bis 1910 Endpunkt der Großschifffahrt auf dem Rhein.

1834

An der feierlichen Grundsteinlegung für den Rheinhafen, der 1840 vollendet wird, nimmt der badische Großherzog Leopold teil. Johann Konrad Reihle gründet eine Zuckerfabrik, die 1867 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird (heute Südzucker AG).

1840

Als erste badische Strecke wird die Bahnlinie Mannheim-Heidelberg eröffnet. Der Bahn­hof befindet sich am östlichen Stadtrand nahe dem heutigen Tattersall.

1842

Binnenschiffer und Kaufleute gründen die Mannheimer Dampfschleppschifffahrts-Ge­sellschaft. Bei der Neugründung 1862 übernehmen Großkaufleute die führende Rolle.

1845

Als erster fester Übergang über den Neckar wird die Kettenbrücke eingeweiht. Als sie dem gewachsenen Verkehrsaufkommen nicht mehr genügt, wird sie abgerissen und 1891 durch die neu erbaute Friedrichsbrücke ersetzt. 1907 kommt als zweite die Jung­buschbrücke, 1926 die Friedrich-Ebert-Brücke hinzu.

1848

Friedrich Engelhorn sen. gründet eine Fabrik für Portativgas. Den bei der Gaserzeugung als Abfallprodukt entstehenden Teer verwertet er seit 1860 in einer Anilinfabrik. Aus ihr geht 1865 die BASF hervor. Obwohl die Fabrikanlagen in Ludwigshafen errichtet wer­den, behält das Unternehmen bis 1925 seinen Sitz in Mannheim.

1854

Eine französische Spiegelmanufaktur (heute Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH Werk Mannheim) nimmt auf dem zum Dorf Käfertal gehörenden Waldhof die Produktion auf und errichtet eine Wohnsiedlung für ihre zunächst französischen Arbeiter. In der Spiegelsiedlung wird 1897 der spätere Fußball-Bundestrainer Josef (Seppl) Herberger geboren.

1859

Heinrich Lanz führt unter der Firma seines Vaters amerikanische und englische Land­wirtschaftsmaschinen ein. Der damit verbundene Reparaturbetrieb bildet die Keimzelle der Maschinenfabrik Heinrich Lanz, die 1925 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird (seit 1967 John Deere Werke Mannheim).

1863

Auf Privatinitiative wird eine Töchterschule als erste höhere Lehranstalt für Mädchen er­öffnet. Aus ihr geht das heutige Elisabeth-Gymnasium hervor, das 1905 das neu erbau­te Schulhaus in D 7 bezieht.

Nach Aufhebung der Zünfte (1862) werden erste Gewerkschaften (Tabakarbeiter, Buch­drucker) gegründet. 

1866

Nach einer Dampfkesselexplosion im Vorjahr gründen 21 Unternehmer die „Gesell­schaft zur Überwachung und Versicherung von Dampfkesseln“. Aus ihr gehen die heu­tigen Technischen Überwachungsvereine (TÜV) hervor. 1868 tritt Carl Isambert als erster Prüfer und Sachverständiger seinen Dienst an.

1867

Die Rheinbrücke wird für den Eisenbahnverkehr eröffnet.

1868

Die revidierte Rheinschifffahrtsakte wird in Mannheim unterzeichnet. Die „Mannheimer Akte“ bildet bis heute die Rechtsgrundlage der freien Rheinschifffahrt.

Auf Initiative von Gewerkschaftern bildet sich eine Filiale des lassalleanischen „Allgemei­nen Deutschen Arbeitervereins“. Ein Jahr später sammeln sich die Anhänger Wilhelm Liebknechts und August Bebels in einem örtlichen Verein der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ („Eisenacher“). Beide Richtungen schließen sich 1875 zur „Sozialisti­schen Arbeiterpartei“ (seit 1890 SPD) zusammen. Unter dem Bismarck’schen „Sozialis­tengesetz“ (1878-90) entwickelt sich Mannheim zu einem Knotenpunkt des illegalen SPD-Netzes.

1869

Demokraten und Nationalliberale bilden Vereinsorganisationen. Während die Demokra­ten bis Mitte der 1880er Jahre dominieren, steigen seither die Sozialdemokraten zur stärksten politischen Kraft auf. Aufgrund des Drei-Klassen-Wahlrechts nehmen dennoch bis 1918 Nationalliberale die führende Stellung in der Kommunalpolitik ein. 

1870

Die Badische Bank (seit 1978 Baden-Württembergische Bank) und die Rheinische Creditbank (1929 in der Deutschen Bank AG aufgegangen) werden gegründet. 

1872

Christian Friedrich Boehringer verlegt seine pharmazeutische Fabrik von Stuttgart nach Mannheim. Das als Boehringer Mannheim GmbH firmierende Unternehmen erhält 1985 für sein Analysegerät Reflotron den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft in Silber und wird 1990 vom Bundesverband der Deutschen Industrie für umweltorientierte Unter­nehmensführung ausgezeichnet. 1997 wird die Firma von dem Basler Pharmakonzern Hoffmann-La Roche übernommen und trägt ab 1999 den Firmennamen Roche Diagno­stics GmbH.

1873

Friedrich Julius Bensinger gründet die Rheinische Hartgummiwaren-Fabrik in Neckarau, die sich seit 1885 Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik nennt. Die spätere Schildkröt AG geht schließlich in der Braas Flachdachsysteme GmbH & Co. Kunststoffwerk Mann­heim auf.

Ein Mannheimer Konsortium gründet die Chemische Fabrik Rheinau, die 1886 in eine Aktiengesellschaft für Chemische Industrie umgewandelt und 1887 an die Chemische Fabrik Rhenania in Aachen verkauft wird. 1912 übernimmt die Th. Goldschmidt AG das Rheinauer Werk, wo ab 1916 eine Versuchsanlage zur Kohlehydrierung (Gewinnung von Benzin aus Kohle) nach dem von dem Chemiker Friedrich Bergius entdeckten Ver­fahren errichtet wird. 1919 trennt sich Bergius von Goldschmidt und gründet die Deut­sche Bergin AG, wo er seit 1924 mit der Zuckergewinnung aus Holz experimentiert. 1931 erhält Bergius den Nobelpreis.

1875

Der Mühlauhafen wird eröffnet.

1876

Der neue Hauptbahnhof an der Südostecke der Stadt wird in Betrieb genommen.

1881

Der Fernsprechverkehr wird mit zunächst 47 Teilnehmern eröffnet.

1883

Carl Benz gründet die Firma Benz & Co. Rheinische Gasmotorenfabrik, aus der später die Motorenwerke Mannheim AG (später Deutz AG Werk Mannheim) und das Mercedes-Benz Werk Mannheim-Waldhof hervorgehen.

Die 1880 gegründete Bauunternehmung Weis & Bernatz siedelt nach Mannheim über. Sie firmiert seit 1892 als Grün & Bilfinger oHG (heute Bilfinger Berger).

Die Eduard Kauffmann & Söhne GmbH gründet die erste Mannheimer Dampfmühle. Bis 1907 entstehen vier weitere Mühlen am Industriehafen.

Aus einer kleinen Rübölfabrik entsteht die Mannheimer Ölfabrik AG, die sich mit ande­ren Unternehmen zum Verein Deutscher Ölfabriken (heute Cereol Deutschland GmbH) zusammenschließt.

1886

Carl Benz lässt sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ patentieren und macht am 3. Ju­li eine erste Probefahrt: die Geburtsstunde des Automobils. Zwei Jahre später unter­nimmt Bertha Benz, die Frau des Erfinders, die erste Überlandreise nach Pforzheim mit dem „Patent-Motorwagen“.

1889

Der von Gustav Halmhuber entworfene Wasserturm ist mit der Aufstellung der bekrö­nenden Figur der Amphitrite vollendet. Die zentrale Wasserversorgung, in deren System der Wasserturm als Druckausgleichsreservoir fungiert, wird bereits 1888 in Betrieb ge­nommen. 

1890

Das Bekleidungshaus Engelhorn & Sturm wird eröffnet.

1895

Die Stadt erwirbt von Sandhofen die Friesenheimer Insel und beginnt mit dem Bau des Industriehafens.

1897

Der von privaten Finanziers und Firmen angelegte Rheinau-Hafen wird in Betrieb ge­nommen.

Der Verein „Frauenbildung – Frauenstudium“ bildet eine Ortsgruppe, die bald zu den stärksten im Reich gehört. Zu den maßgeblichen Mitgliedern zählen Julie Bassermann und Alice Bensheimer. 1916 gelingt dem Verein die Gründung einer Sozialen Frauen­schule zur Ausbildung von Fürsorgerinnen und verwandten Frauenberufen mit der Do­zentin der Handelshochschule Elisabeth Altmann-Gottheiner als geschäftsführender Vorsitzender und Marie Bernays als Leiterin.

Mit der Eingemeindung Käfertals wird das Industriegebiet Waldhof der Stadt eingeglie­dert. Mannheim zählt nun über 100 000 Einwohner und ist damit Großstadt. Bis 1913 folgen die Eingemeindungen Neckaraus (1899), Feudenheims (1910) sowie Sandhofens und des Rheinau-Gebiets (1913). Die Gemarkungsfläche der Stadt vergrößert sich um fast 350%.

1900

Die schweizerische Brown, Boveri & Cie. KG verlegt ihre deutsche Niederlassung von Frankfurt nach Mannheim, nachdem sie 1898 von der Stadt den Auftrag zum Bau des Elektrizitätswerks erhielt. Nach der Fusion mit der schwedischen ASEA (1987) gehört BBC Mannheim zum ABB-Konzern. Teile des Unternehmens werden 2000 vom französischen ALSTOM- bzw. dem kanadischen Bombardier-Konzern übernommen.

Der „Gewerbeverein und Handwerkerverband“ gründet die Mannheimer Gewerbebank (heute Volksbank Rhein-Neckar eG).

Alfred Kander eröffnet in T 1 das erste Warenhaus.

1901

Die Handwerkskammer Mannheim wird gegründet.

Die erste Linie der elektrischen Straßenbahn geht in Betrieb.

Auf Initiative von Stadtschulrat Joseph Anton Sickinger beschließt der Stadtrat Schritte zu einer organisatorischen Reform der Volksschule (Hilfs- und Förderklassen sowie Fortbildungskurse), die in den Folgejahren ausgebaut und durch „sozialhygienische“ Maßnahmen (Schulturnen, medizinische Untersuchungen, Brausebäder, Schulspeisung, Ferienkolonien) ergänzt werden. Das „Mannheimer Schulsystem“ findet international Beachtung und Nachahmung. Die Nationalsozialisten schaffen es nach 1933 ab.

1907

Mannheim feiert sein 300-jähriges Stadtjubiläum u.a. mit einer „Internationalen Kunst- und Großen Gartenbau-Ausstellung“.

Die Kunsthalle, ein Bau des Karlsruher Architekten Hermann Billing, wird eröffnet.

Großherzog Friedrich I. von Baden weiht den Industriehafen ein.

Elisabeth Blaustein gründet einen Ortsverband des Bunds für Mutterschutz, der sich für ledige Schwangere und Mütter einsetzt.

1911

Kunsthallendirektor Fritz Wichert gründet den Freien Bund zur Einbürgerung der bildenden Kunst, der dank gewerkschaftlicher Unterstützung rasch auf über 5 000 Mitglieder anwächst.

Der Unternehmer Karl Lanz und der Ingenieur Johann Schütte schließen einen Vertrag mit dem Ziel, ein Luftschiff nach Plänen Schüttes zu bauen. Am 17. Oktober startet das Luftschiff SL von Rheinau zum ersten Probeflug. Bis 1918 werden im Auftrag von Heer und Marine 22 Luftschiffe gebaut.

Ludwig Roebel, Versuchsingenieur bei der Brown, Boveri & Cie. KG, erfindet den nach ihm benannten Roebelstab, der den Bau wesentlich größerer Turbogeneratoren ermöglicht.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Mannheim  -


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