Jüdische Gemeinden in Stadt und Kreis Heilbronn - ein Längsschnitt vom Mittelalter bis ins frühe 20. Jahrhundert

Hintergrund

Zeittafel

B 2 Gedenkstein für Nathan, den Gemeindevorsteher aus dem Kellergewölbe der zweiten Synagoge in Heilbronn aus dem 11. Jahrhundert


Um 1050

Hinweis auf eine jüdische Gemeinde in Heilbronn: Im Kellergefüge der 1357 errichteten zweiten Synagoge war ein Stein eingemauert mit hebräischen Schriftzeichen: Nathan ha Parnes (Nathan der Gemeindevorsteher). Nach einer Untersuchung der Schriftzeichen durch das Leo-Baeck-Institut in Jerusalem verweist der Schriftstil der Inschrift auf die zweite Hälfte des 11.Jahrhunderts.

1298
Ein fränkischer Ritter aus Röttingen namens Rintfleisch zieht gegen die Juden in Franken, um sie zu vernichten. Er sieht sein Unternehmen als Kreuzzug gegen die Juden an. Tausende Juden in Franken werden ermordet. Auch die Namen der Heilbronner Opfer sind im "Nürnberger Memorbuch" überliefert.
Die jüdische Gemeinde in Heilbronn hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 200 Mitglieder. Die erste Heilbronner Synagoge (Ecke Sülmerstraße/Lothorstraße - damals "Judengasse") wurde zerstört.

1343
In Heilbronn ist wieder eine jüdische Gemeinde nachgewiesen. Da den Juden nicht erlaubt ist, einen Handwerksberuf auszuüben oder Ackerland zu erwerben, müssen sie sich auf kaufmännische Berufe beschränken.

1348/49
Im Zusammenhang mit der Pest gibt es erneute Judenverfolgungen in Deutschland. Man beschuldigte die Juden, die Brunnen vergiftet zu haben, ein absurder Verdacht, da die Juden damit ja auch ihre eigene Lebensgrundlage vernichtet hätten. In Heilbronn, Eppingen, Neckarsulm und Widdern sind Verfolgungen bezeugt, darunter wurde der "reiche Jude Nathan" aus Heilbronn ermordet, dessen Vermögen an seinen Schutzherrn, den König, fiel. Sein Haus übergibt König Karl IV. im April 1349 an Elisabeth von Hirschhorn. Die deutschen Könige und Kaiser waren die "Schutzhüllen" der Juden in den Reichsstädten. Offensichtlich wurden in Heilbronn nicht alle Juden getötet, denn die Gemeinde bestand fort.

1357
In einer Heilbronner Urkunde aus dem 15. Jahrhundert ist der Bau der zweiten Synagoge auf das Jahr 1357 datiert.

1361
Karl IV., seit 1355 Kaiser, verpflichtete aus Heilbronn 1349 geflohene Juden, sich wieder in der Stadt anzusiedeln, um weiterhin die Judensteuer einnehmen zu können.

B 6 Jüdischer Arzt bei der Behandlung eines Christen

 

1414
König Sigismund erteilt den Heilbronner Juden am 14. Oktober während seines Aufenthalts in Heilbronn einen Schutzbrief, in dem er ihre Rechte bestätigt.

1422
Die Heilbronner Juden zahlen 400 rheinische Gulden an König Sigismund, der ihnen dafür die Freiheiten zusichert, wie sie die "Judischheit" (jüdische Gemeinde) zu Nürnberg besaß.

1433
Anlässlich seiner Kaiserkrönung erhält Sigismund von den Heilbronner Juden ein "Ehrengeschenk". Dafür bestätigt er den Juden erneut ihre Rechte und verzichtet auf Steuererhöhungen in den folgenden zehn Jahren. Außerdem versichert er, den Schuldnern der Juden keinen Nachlass mehr zu gewähren.

1437
Die Reichsstadt Heilbronn vertreibt die Juden. Als Begründung führte der Bürgermeister in einem Schreiben von 1438 an, dass man von Seiten der Geistlichen in Predigten und in der Beichte gewarnt worden sei, wenn man den Juden den "Wucher" (das Annehmen von Zinsen für gewährte Kredite) erlaube. In Wirklichkeit waren viele Heilbronner bei Juden, die ihnen Geld geliehen hatten, hoch verschuldet und wollten mit den Juden auch ihre Schulden loswerden.
Reichserbkämmerer (Finanzminister) Konrad von Weinsberg protestiert energisch gegen die Ausweisung der Juden aus Heilbronn, verweist auf den Ausfall der Judensteuer und bringt die Angelegenheit vor den Reichstag zu Nürnberg. König Albrecht verurteilt die Stadt, ihre Juden wieder aufzunehmen oder den Schaden zu bezahlen. Die Reichsstadt Heilbronn machte deshalb die Ausweisung rückgängig, die Heilbronner Juden bezahlten an den Reichserbkämmerer Konrad von Weinsberg 200 Gulden.

1467
Kaiser Friedrich III. fordert die Stadt Heilbronn auf, ihren jüdischen Bürger Mosse anzuweisen, von Heinrich von Sickingen für 250 geliehene rheinische Gulden keine Zinsen zu verlangen.

1469
Die Heilbronn benachbarte Kurpfalz weist ihre Juden aus.

1476
Die Reichsstadt Heilbronn weist erneut die Juden "auf ewige Zeiten" aus. Proteste und Strafandrohungen des Kaisers schlägt sie in den Wind. Die bei den Juden verschuldeten Bürger Heilbronns bezahlen keinerlei Schulden zurück. Die meisten Heilbronner Juden kommen in den Heilbronn benachbarten Orten des Deutschen Ordens (Neckarsulm, Sontheim - heute Stadtteil von Heilbronn) unter.

1498
Die Juden werden auch aus den württembergischen Territorien vertrieben.

16./17. Jh.
Die Heilbronner Juden finden in kleineren Herrschaften in der Region Aufnahme, etwa in den Territorien des Deutschen Ordens, der Reichsritter oder der Johanniter, Sie entrichten dem jeweiligen Territorialherrn dafür eine Judensteuer.

1620
Juden, die nach Heilbronn kommen, um dort ihre Geschäfte zu betreiben, müssen bei Betreten der Stadt einen Judenleibzoll entrichten.

1667
In beschränktem Umfang wird Juden in Heilbronn Warenhandel erlaubt, nicht aber dort zu wohnen.

1770
Juden, welche Heilbronner Markttage besuchen, werden vom Leib- und Brückenzoll befreit.

1828
Ein württembergisches Gesetz regelt, dass sich Juden im Rahmen der schrittweisen Emanzipation auch in der seit Beginn des Jahrhunderts zu Württemberg gehörenden Stadt Heilbronn niederlassen dürfen.

1831
Tuchfabrikant Isidor Veit aus Sontheim (Heilbronn-Sontheim) lässt sich als erster Jude in Heilbronn nieder.

1849
Der aus Eschenau (Obersulm-Eschenau) zugewanderte Rechtskonsulent Moritz Kallmann wird als erster jüdischer Bürger in den Heilbronner Gemeinderat gewählt.

1857
In Heilbronn leben zwanzig jüdische Familien und Einzelpersonen: ein Tuchhändler, ein Tuchfabrikant, ein Händler mit Rohwaren, zwei Handwerker, zwei Rechtsanwälte, zwei Händler mit Staatspapieren und Wechseln, drei Kaufleute und Handelsmänner sowie acht Händler mit landwirtschaftlichen Produkten

1858- 1900
Die jüdische Einwohnerschaft Heilbronns wächst ständig an, von 65 Einwohnern im Jahre 1858 auf 815 im Jahre 1900.

1865
In der Stadt gibt es 48 jüdische Gewerbebetriebe und Geschäfte.

1864/67
Der Rabbinatssitz wird vom benachbarten Lehrensteinsfeld nach Heilbronn verlegt.

1868
Am Fuße des Wartbergs wird ein jüdischer Friedhof angelegt.

1877
In der Allee wird am Rande der damaligen Innenstadt eine Synagoge gebaut. Bei der Einweihung beschreibt ein Vertreter der württembergischen Regierung die Struktur der jüdischen Gemeinde: "Man findet in Heilbronn eine Kaufmannschaft, vor allem Bankgeschäfte, Landesprodukte, Wein- und Viehhandel, Fabrikstand, Advokaten, Handwerker, wenig Reiche, einen guten Mittelstand und manche gering Bemittelte."

1914-18
Von 861 jüdischen Einwohnern im Jahre 1914 waren während des Ersten Weltkriegs 128 Frontsoldaten, davon fielen 27.

März 1933
Dr. Siegfried Gumbel, 1936 bis 1939 Präsident des Oberrats der israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg, wird aus dem Gemeinderat ausgestoßen. Dem langjährigen Gemeinderat Max Rosengart wird das ihm 1930 in Anerkennung seiner Verdienste um die Stadt verliehene Ehrenbürgerrecht abgesprochen.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -


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