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Die Jungsteinzeit (Neolithikum)
ca. 12.000 v. Chr. 2.000 v. Chr.
Landesgeschichtliche Einordnung
Autoren: |
Johannes Hof (Arbeitskreis RP Freiburg) Dr. Michael Hoffmann (Kompetenzzentrum) |
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Um 3.912 v. Chr. Pfahlbauten am Bodensee Hornstaad-Haus (Rekonstruktion) © wikimedia commons (Manske) |
Leben wie vor 5.000 Jahren Das Experiment: SWR-Steinzeitdorf © wikimedia commons (Zuellig) |
Zwischen 4.400 und 2.700 v. Chr. Pfahlbauten am Federsee Dörfer (Rekonstruktion) im Moor © wikipedia commons/Bene 16 |
I. Überblick die Ausbreitung der neolithischen Kulturen
Die Menschheit verbrachte den mit Abstand größten Teil ihrer im Vergleich mit anderen Lebewesen noch recht jungen Geschichte auf Wanderschaft: als Nomaden, genauer als Jäger und Sammler und Sammlerinnen. Über mehr als 100 000 Generationen lebten und starben die Menschen teilweise im Kampf mit der Natur und ihren Zyklen und Gewalten.
Erst seit 1000 Generationen, also etwa 12.000 v. Chr., begann der Mensch sesshaft zu werden und sich langsam der Dominanz der Naturgewalten zu entziehen: er „machte sich die Erde untertan“, indem er säte und erntete, Tiere domestizierte, Waldflächen rodete und Siedlungen durch Zäune schützte. Der Schritt von der aneignenden zur produzierenden Lebensweise, den man seit dem australischen Historiker Vere Gordon Childe (1882-1957) neolithische Revolution nennt, erreichte Südwestdeutschland um etwa 5500 v. Chr., vom „fruchtbaren Halbmond“ im Vorderen Orient und Ägypten kommend.
Ungefähre Abgrenzung des „Fruchtbaren Halbmondes“
© wikimedia commons (R.Kropf)
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Das erstmals im Nahen Osten zwischen Westiran und Anatolien sowie vor allem in Jordanien, Syrien, Israel für den Zeitraum von ca. 10.000 bis 6.000 vor heute nachgewiesene Aufkommen der neolithischen Lebensweise ist charakterisiert durch den kontinuierlichen Anbau domestizierter Pflanzen, die ständige Tierhaltung, den Hausbau und die Bildung von Dorfgemeinschaften.
Zu den bekannten Werkzeugen kommen solche aus geschliffenem Stein (Äxte, Beile), Mikrolithen (serienweise gefertigte, winzige Steinklingen als Einsätze in Schäfte von Waffen) sowie Klingen mit Sichelglanz an Erntegeräten hinzu.
9.500 bis 5.500 v. Chr.
Mittelsteinzeitliche Mikrolithen aus Hornstein
© Landesamt für Denkmalpflege
Gefäße und dekorative Darstellungen aus gebrannter Keramik werden hergestellt. Weiträumiger Handel, nicht wie zuvor nur auf Schmuck beschränkt, kommt auf. Je nach dem in der jeweiligen Erdregion überwiegend vorhandenen Baumaterial wurden die meist recht großen Häuser als Lehmziegel- oder Holzbauten mit lehmverputzten Flechtwänden errichtet.
Wanddetail Pfahlbaumuseum Unteruhldingen
© wikimedia commons (Ankawü)
Befunde deuten darauf hin, dass die neolithische Kultur auf dem Wege einer Kolonisation, also durch das allmähliche Vorrücken einer neolithischen Agrarbevölkerung vom südöstlichen Mittelmeerraum in den Nordosten Europas verbreitet wurde.
Der Übergang von der späten Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) zur Jungsteinzeit (Neolithikum) vollzieht sich über einen langen Zeitraum in vielschichtiger, komplexer Weise und in unterschiedlicher Schnelligkeit. Diese die Lebensweise der Menschen grundlegend verändernde Entwicklung hin zur bäuerlichen Wirtschaft wird wegen der damit verbundenen umwälzenden Veränderungen häufig als "neolithische Revolution" bezeichnet, obwohl es sich hinsichtlich der Zeitdauer eher um eine evolutionäre Entwicklung handelt.
11.000 5.000 v. Chr.
Die Ausbreitung der neolithischen Kulturen
© wikimedia commons (Jussen)
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II. Epoche der bandkeramischen Kultur
In Mitteleuropa setzt das Neolithikum mit der Entstehung der bandkeramischen Kultur um 6.000 v. Chr. ein, benannt nach den charakteristischen Bandmustern auf den Tongefäßen.
5.200 v. Chr. Steinheim an der Murr
Bandkeramischer Kumpf
© wikimedia commons (Anagoria)
Mit den Bandkeramikern etablierte sich eine Großraumkultur, die von der Nordsee bis auf den Balkan reichte und im Grunde überall vergleichbare Formen hervorbrachte.
Ihre festen Holzhäuser waren 30m 40m lang und 8m breit und wurden von 3-5 Pfostenreihen getragen, die bis zu 8m hoch waren. Auf besonders fruchtbaren Böden, wie z.B. den Lössböden der Fildern südlich von Stuttgart oder auch bei Bad Friedrichshall, waren diese Häuser teilweise in Siedlungen zu Dörfern gruppiert. Sie wiesen Umwallungen oder gar Palisaden und Eingangstore auf und verfügten über nachgewiesene Haustierhaltung, typische mit Bändern umzogene Gebrauchskeramik und Steinwerkzeug.
Man schätzt, dass bis zu 150 Menschen in derartigen Dörfern gewohnt haben könnten. Trotz dieser einheitlichen Kultur scheint es zwischen Sippen und Familienverbänden zu tödlichen Rivalitäten gekommen zu sein, zumindest lassen Massengräber wie das in Talheim bei Heilbronn auf derartige Auseinandersetzungen schließen.
Baden-Württemberg ist reich an Fundorten der neolithischen Bandkeramikkultur. Sie sind breit über das Land verteilt, gehäuft in gewässernahen Gebieten, jedoch kaum auf den raueren und bewaldeten Höhen des Schwarzwaldes und der Alb.
Landwirtschaft in der Jungsteinzeit
© LMZ495881
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Die einheitliche Großkultur der Bandkeramik begann ab etwa 5000 v. Chr.
zu zerfallen, in Südwestdeutschland ab etwa 4000 v. Chr.
Die neu entstehenden Gruppen des Mittelneolithikums, wie z.B. die
Großgartacher Kultur, benannt nach dem Ort Großgartach bei Heilbronn,
umfassten immer noch mittelgroße Räume, um dann im Jungneolithikum endgültig
einer Diversifizierung der Kulturen Platz zu machen.
Innerhalb dieser Ausdifferenzierung entwickelte sich bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. im Südwesten eine eigene Subkultur mit typischen Bestattungssitten (ausgestreckt auf dem Rücken liegend, Grabbeigaben aus Keramik), aber auch mit Steingeräten wie Mahlsteinen.
Das bisher übliche Großraum-Haus machte dem Zweiraumhaus
mit zwei Herdstellen und Werkzeug Platz; diese befanden sich nun in der Nähe
oder direkt am Ufer größerer Seen (Federsee, Pfahlbauten am Bodensee…), als
Siedlungen mit Umwallung umgeben, vielleicht auch mit kommunalen Ställen.
Um 3500 v. Chr. Sipplinger Steinzeitdorf
Schutzwand mit Turm und Tor
© wikipedia commons (ANKAWÜ)
III. Pfahlbausiedlungen am Bodensee und in Oberschwabenn
Um ca. 4000 v. Chr. werden die Moore und Seeufer der Schweiz und Süddeutschlands besiedelt, vermutlich wegen der leichteren Bearbeitung von Feuchtböden (Feldbau mit Furchenstöcken). Hier entwickeln sich dann auch die Pfahlbaukulturen, die bis in die Bronzezeit hinein (bis ca. 1000 v. Chr.) bestanden. Aus dieser Zeit stammt auch das erste bronzezeitliche Relikt auf südwestdeutschem Boden, ein kultischer Gegenstand aus Bronze, der über Handelsnetze von Bulgarien an den Bodensee gelangte..
Ufer- und Moorsiedlungen in Südwestdeutschlandd
© Pfahlbaumuseum Unteruhldingenn
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Zahlreich sind daher auch die Fundorte von Pfahlbausiedlungen in Oberschwaben und vor allem am Bodensee, an dem inzwischen ca. 300 davon bekannt und zum Teil wissenschaftlich erfasst sind.
Sie sind, auch wegen herausragender Funde (z. B. Schuhe und Feuersteindolch nach Art des von "Ötzi" mitgeführten - in Allensbach, kultisch verwendete Frauenbüsten in Sipplingen), bedeutende Zeugnisse für die Frühgeschichte unseres Landes.
Aufgrund der konservierenden Überflutung durch das Seewasser bzw. ihres Standortes im feuchten Moorgebiet haben sich von den Pfahlbauten die Pfahlstümpfe im Seegrund erhalten, während die restlichen Teile längst zerstört sind.
UNESO-Welterbe: Prähistorische Pfahlbauten am Bodensee
Freilegung von Unterwasserdenkmalen durch archäologische Forschungstaucher
© Landesamt für Denkmalpflege
Viele Fragen zum gesellschaftlichen und religiösen Leben der Menschen in den Pfahlbaudörfern wurden und werden häufig gestellt, ohne dass die Archäologen und Historiker immer eine zufriedenstellende Antwort geben können.
Der Landeshistoriker Ulrich Maier hat in seinem Jugendsachbuch
„Schätze der Vergangenheit Archäologie erleben in Baden-Württemberg“
Wie lange hat es Pfahlbausiedlungen gegeben?
Das kann man ziemlich genau sagen. Mit der Dendrochronologie können
Wissenschaftler exakt das Jahr ermitteln, in dem ein Baum gefällt wurde, der
dann als Pfahl in den See kam.
Das funktioniert so: Bäume haben Jahresringe, die siehst du genau, wenn du
einen frisch abgesägten Baum an der Schnittstelle betrachtest. Abhängig
davon, ob es in einem Jahr mehr oder weniger geregnet hat, ist der Ring mal
breiter, mal schmaler. Das gibt über die Jahre hinweg ein typisches Profil,
das aussieht wie ein Strichcode für die Supermarktkasse. Für viele Regionen
haben die Wissenschaftler solche Strichcodes mit dem Computer erfasst.
Daraus ist ein Kalender entstanden, der bis ins 9. Jahrtausend vor Chr.
zurückreicht.
Pfahlbauten sind ab 4.200 v. Chr. nachgewiesen, am Bodensee seit 3.920 v.
Chr.
Pfahlbaumuseum Unteruhldingen
© wikimedia commons (1971Markus)
Die letzten Pfahlbauten hier am Bodensee wurden um 800 v. Chr. gebaut. So gab es am Bodensee über 3.000 Jahre lang Pfahlbausiedlungen.
Du hast vorhin erwähnt. dass man im Seeboden sogar Reste von
Kleidungsstücken gefunden hat. Weiß man, wie die Leute angezogen waren?
Die Pfahlbauleute kleideten sich nicht nur in Leder, sondern
hatten bereits Textilien: gewobene Stoffe aus Flachs, Hanf und Wolle. Sie
konnten die Stoffe auch rot, braun, gelb oder schwarz färben. Männer trugen
Hosen und Umhänge, Frauen eher Kleider. Typisch scheinen runde, spitze
Strohhüte gewesen zu sein. Sicher gab es auch Mützen aus Leder. An den Füßen
trugen sie Sandalen oder Schuhe aus Bast und Leder. Vor wenigen Jahren hat
man im Bodensee vor Sipplingen eine geflochtene Schuhsohle aus der
Jungsteinzeit gefunden. Eine wissenschaftliche Sensation, über die Zeitungen
und Fernsehen berichteten!
Im Winter war es in den Pfahlbausiedlungen auf dem Wasser
sicher recht kalt!
Das Klima hat sich immer wieder verändert. Es gab wärmere und kältere
Phasen. Insgesamt war es wohl eher etwas milder als heute. In manchen Zeiten
konnte man in den Alpen bis knapp 2.000 Meter Höhe Ackerbau betreiben.
Wie war die Gesellschaft organisiert? Gab es so etwas wie
politisches Leben?
Es gab Arme und Reiche, solche die den Ton angaben und solche, die
nichts zu sagen hatten. Vermutlich hatte jedes Dorf ein Oberhaupt, das
sagte, wo's lang ging. Aber es ist nicht sicher, ob das ein Mann oder eine
Frau war. Es gibt viele Phasen in der Geschichte der Menschheit, in denen
die Frauen die Macht hatten.
In den Pfahlbausiedlungen gab es auch Heilkundige, die in
Heilkräuterkunde bewandert waren und Arzneien herstellen konnten, mit denen
sie die Kranken behandelten. Sie führten schon komplizierte Operationen am
Schädel durch. So Behandelte überlebten diese Prozedur sogar, was
Verheilungen an den Löchern beweisen.
Sie glaubten an Götter und ein Weiterleben nach dem Tod, denn sie beerdigten
ihre Verstorbenen in festlicher Kleidung mit Speisen, Getränken und
Ausrüstung für ein Leben im Jenseits. So hat es auch Priesterinnen oder
Priester gegeben.
Die Steinzeitleute trieben Tauschhandel und führten Salz, Bernstein und Feuerstein, später auch Kupfer, Zinn und Bronzewaffen aus Produktionsstätten aus ganz Europa ein. Fahrende Händler waren von Dorf zu Dorf unterwegs, auf dem Bodensee auch mit dem Schiff.
Wie sahen die Schiffe denn aus?
Das waren sogenannte Einbäume, die aus einem ganzen Baum gefertigt
wurden. Nachdem der Baum gefällt war, wurde er zunächst sorgfältig von Ästen
und Zweigen befreit. Dann kerbte man ihn der Länge nach auf beiden Seiten
ein und spaltete das obere Drittel ab. Das verbliebene Unterteil höhlte man
mit Beil, Hammer und Meißel aus. Schließlich wurde das Boot mit Wasser
gefüllt, in das man immer wieder im Feuer erhitzte Steine legte, bis das
Wasser köchelte. Das Holz wurde auf diese Weise biegsamer. Jetzt stemmte man
Holzstreben in den Bauch des Schiffes, der sich dadurch weitete. Bug und
Heck hoben sich gleichzeitig etwas an und der Schiffsrumpf wurde
stromlinienförmig. Das fertige Boot sah aus wie ein Kanu und konnte so
gepaddelt werden.
Pfahlbaumuseum Unteruhldingen: Einbaumboote
© wikipedia commons (Markus)
Wie haben die Leute gesprochen, weiß man, zu welchem Volk sie
gehörten?
Sie haben keine Schrift hinterlassen. Die wurde zu dieser Zeit im Nahen
Osten und in Ägypten entwickelt. Aber die Hieroglyphen berichten nichts von
Pfahlbauten in Mitteleuropa. So können wir diese Frage nicht beantworten.
Erst als die Kelten, die vor 2.500 Jahren in Südwestdeutschland lebten,
erfahren wir von griechischen Schriftstellern. Aber zuvor kommt noch die
Bronzezeit.
(Aus: Ulrich Maier, Schätze der Vergangenheit Archäologie erleben in
Baden-Württemberg, Karlsruhe 2013, S. 67-69)
Mit den seit 1922 in Unteruhldingen rekonstruierten Pfahlbauten, die zusammen mit dem dortigen Museumsbau das "Pfahlbaumuseum Unteruhldingen" bilden, steht der Öffentlichkeit ein populäres Anschauungsobjekt dieser Siedlungsform zur Verfügung, dessen Attraktivität, gerade auch für Schulklassen, durch die Besucherzahlen belegt wird.
Freigelände des Museums
© Federseemuseum Bad Buchau
Ein ebenso nachdrückliches Bild von der jungsteinzeitlichen Lebensweise vermittelt das "Federseemuseum Bad-Buchau".
Erst das 3. Jahrtausend. v. Chr. brachte wieder eine kulturelle Vereinheitlichung, Südwestdeutschland gehörte zur großen Kultur der Schnurkeramik (bezeichnet nach einer charakteristischen Gefäßverzierung), die sich durch strenge Bestattungsriten (Grabhügel, Hockerlage nach Geschlecht geschieden, Pfeil und Bogen) auszeichnete.
Degernau, ca. 2.000 v.Chr., Megalithkultur in
Degernau
Kultplatz mit Menhir Megalithgrab (Rekonstruktion)
© wikimedia commons (Waterborough) © wikimedia commons (Kernow)
Mit dem Beginn der Bronzezeit um etwa 1900 v.
Chr. lassen sich in Südwest-Deutschland erste soziale
Ausdifferenzierungen in der Gesellschaft nachweisen.
Nun finden sich wertvollere Grabbeigaben wie Schmuckstücke aus Bronze oder
Beile. Es scheint auch, dass in der sogenannten Grabhügelbronzezeit die
Bedeutung der Großfamilie oder Sippe zunahm und die Besiedlung eher
zerstreuter wurde. Dafür spricht auch die Ausbreitung des Wollschafes, das
nun maßgeblich für die Kleiderherstellung wurde.
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