Einführung der Reformation „von oben“ in der Amtsstadt Schorndorf – „Gotsforcht, Erbarkeit unnd Zucht“ im evangelischen „Musterstaat“ Herzog Christophs

Hintergrund

Zeittafel


Übersicht:

 

Um 1500:

Vor der Reformation – Das katholische Schorndorf im Herzogtum Württemberg
Volksglaube – Volksaufstände – Fremdherrschaft

Wohlstand durch Wein- und Salzhandel
Schorndorf, Amtsstadt der Grafen und Herzöge von Württemberg (ab 1496)                           

„Spendet … seid treu im Glauben … gnädigst nachzulassen“                                                                     
Religiöses Leben – Tief verwurzelte Frömmigkeit

„Aufruhr, der Arm Conradt genant“                                                                                                    
Volksaufstände, Vertreibung des Herzogs, Fremdherrschaft der Habsburger


1534:

Rückkehr des Herzogs, Ende der Fremdherrschaft, Schorndorf wird evangelisch

Visitationen: Bestandsaufnahme und Kontrolle                
Wer ist für die Reformation?                                                                                                                            

„… gen Stutgarten geantwurt …“ – „ … übern hauffen geworffen“                                                            
Schorndorfer Kirchenschätze                                                                                                                           

Der „Armenkasten“
Neuorganisation der Armen- und Krankenfürsorge                                                                                     

Militärisches Großprojekt zur Landesverteidigung             
Schorndorfs wird Festungsstadt

 

1548 - 1551:

„Vil Tyranney an unß volbracht“ – Unter spanischer Besatzung
 

1550 - 1568:

„Gotsforcht, Erbarkeit unnd Zucht“

„Cuius regio, eius religio“

Wer Herr im Haus ist, bestimmt über den Glauben!

 „ …nit allein die Knaben/sonder auch Doechterlin zuor Schuol geschickt“
Bildungsoffensive – Große Württembergische Kirchenordnung 

Wolfart – "… ein gemein gleich Landtmeß vnd Eych“
Förderung des Handels und Stabilisierung der Staatsfinanzen

„Christenlichs/Gottseligs/ … züchtigs/unstraefflich Leben“
Mit dem Glauben Staat machen
 


 

 Um 1500

Vor der Reformation – Das katholische Schorndorf im Herzogtum Württemberg

Volksglaube – Volksaufstände – Fremdherrschaft
 
Wohlstand durch Wein-, Getreide- und Salzhandel
Schorndorf, Amtsstadt der Grafen und ab 1496 der Herzöge von Württemberg 

Hohe Steuerkraft der Handelsstadt mit ihren knapp 2500 Einwohnern und bedeutende Stellung im Herzogtum Württemberg  (Vierter Rang nach Stuttgart, Tübingen und Urach). 

Herrschaft in der Amtsstadt Schorndorf
Zuständigkeit des Vogts (Vertreter des Herzogs) Georg von Gaisberg: Einzug der Steuern, Wehrwesen, hohe Gericht (Blutgericht) und für die Verwaltung …
Vertretung im Rat der Stadt: Mitglieder der Oberschicht, die sog. „Ehrbarkeit“.

Spendet, seid treu im Glauben, 100 Tage im Fegefeuer können erlassen werden 

Religiöses Leben – Tief verwurzelte Frömmigkeit


 

 Mittelalterliche Lebenswelten: Himmel und Hölle
Darstellungen an der Kirche St. Marien/Stadtkirche Schorndorf

Abb. 2:  Marienkapelle: Maria mit Kind                                          Abb. 3: Wasserspeier, den Teufel bannen

  

1477 – 1511
Bau der Stadtkirche  Finanzierung der Kirchenbaus  und Bau des Turms durch päpstliche Ablässe.
„… welche zu solchem Bau hülffliche Handreichung thun werden, …100. Tag von den ihnen aufgelegten Bussen in dem Herrn gnädigst nachzulassen.“ 8

Kirchliche Einrichtungen

 

B3, Lageplan der kirchlichen Einrichtungen
(Sonderausstellung im Stadtmuseum „Schorndorf im Zeitalter der Reformation“, 2017)


Umfangreiche geistliche Versorgung der Bevölkerung:  Pfarrer, Prediger, Kapläne der zahlreichen in und außerhalb der Stadt gelegene Kapellen sowie die Gemeinschaft der „Seelschwestern“ der Schorndorfer Klause kümmerten sich um das Seelenheil der Menschen in der Stadt.

Versorgung der Wallfahrer und Pilger:   Schorndorf war eine Station der mittelalterlichen Pilgerwegkarte Köln – Rom. Übernachtungsmöglichkeiten im Spital. Bevorzugte Andachten in der ehemaligen Marienkirche am Unteren Tor, später in der Marienkapelle der Pfarrkirche oder in der St. Georgs-Kapelle, die sich in unmittelbarer Nähe des Spitals befand.


Volksaufstände, Vertreibung des Herzogs, Fremdherrschaft der Habsburger
 

  B4: „Der Bundtschu, Diß biechlein sagt …
Titelbild der Flugschrift,  1514


1514           
„Aufruhr, der Arm Conradt genant“  
Volksaufstand Armer Konrad gegen Herzog Ulrich und Tübinger Vertrag.
Schorndorf – Zentrum der Aufstandsbewegung.
Hinrichtung von 10 Anführern des "Armen Konrad" in Schorndorf auf Befehl des Herzogs im August 1514.

1518                   
Martin Luther und die HEIDELBERGER DISPUTATION – Verbreitung der reformatorischen Lehre im süddeutschen Raum u.a. durch die Studenten Brenz, Schnepf, Bucer

1519           
Vertreibung von Herzog Ulrich aus Württemberg durch den Schwäbischen Bund
Verhängung der Reichsacht über Herzog Ulrich durch Kaiser Karl V.

1520 – 1534             
Verfügung Kaiser Karl V.: Herrschaft der österreichischen Habsburger über das Herzogtum Württemberg

Um 1520            
Verbreitung der Ideen Luthers im Remstal durch reisende Buchhändler

1521                   
Reichstag zu Worms: Verhängung der Reichsacht über Luther
Verbot seiner Werke und Verbreitung seiner Schriften

1524                   
Lutherische Büchlein in Schorndorf
Verhaftung des Wanderhändlers Hans Schmid in Schorndorf. Anklageerhebung, Schwur der ‚Urfehde‘, da er „ … etliche lutherische Büchlein unter die Leute gebracht und sich nach Kräften für die Ausbreitung dieser Lehre eingesetzt hatte …“ (T 1)

1525                   
Bauernkrieg in Württemberg
Herzog Ulrich an der Seite der Bauern. Erfolgloser Versuch der Rückgewinnung des Herzogtums Württembergs

März – April 1525
Bauernaufstände auch im Remstal
Zerstörung der Klöster Engelberg (Winterbach) und Adelberg (teilweise)

11.11. 1531                   
Einführung der Reformation in der 30 km von Schorndorf entfernten Reichsstadt Esslingen durch Beschluss des Bürgermeisters und des Rats

1532                   
Verbot nach Esslingen zu gehen und evangelische Predigten zu hören

 
 1534

Einführung der Reformation in der Amtsstadt Schorndorf durch Herzog Ulrich

Rückkehr des Herzogs, Ende der Fremdherrschaft, Schorndorf wird evangelisch

 

B5: Herzog Ulrich von Württemberg (1487 - 1550) Holzschnitt um 1545


13. Mai 1534
Schlacht von Lauffen am Neckar. Sieg der hessischen Truppen unter der Führung des evangelischen Landgrafen Philipp von Hessen über die katholischen Habsburger.

Folgen für das Herzogtum Württemberg:
- Ende der Fremdherrschaft der österreichischen Habsburger  
- Erneute Machtübernahme durch Herzog Ulrich mit Unterstützung des hessischen Landgrafen unter dessen Schutz er seit 1527 stand
- Sofortige Einführung der Reformation

16. Mai 1534
Erster evangelischer Gottesdienst in der Stiftskirche Stuttgart

September 1534
Beauftragung des Theologen Erhard Schnepf mit der Durchführung der Reformation  in den nördlichen Teilen des Herzogtums 

Einführung der Reformation in Schorndorf

1534/1535   
Visitationsbesuche von Erhard Schnepf  
Treffen mit den Geistlichen der Stadt. Information über die  Absichten des Herzogs und Befragung „Wer ist für die Reformation?“

- Zum evangelischen Glauben bekannten sich:
   Kaplan Kindsvater:  Versetzung auf die Pfarrei Schornbach
   Kaplan Konzmann:  Ernennung zum Diakon, für Haubersbronn zuständig
   Prädikant Bertsch: Beibehaltung seiner Predigerstelle
   (1538: Ernennung zum Stadtpfarrer auf Wunsch der Schorndorfer Bevölkerung)

- Den neuen Glauben nicht annehmen wollten:
  Pfarrer Schertlin: Wegzug aus dem Herzogtum, Neustart in einem katholischen Gebiet
  Kaplan Leinecker: Versetzung ins Kloster Maulbronn, das zu einem Sammelkloster für alle  
  alte Geistlichen wurde, die sich nicht zum neuen Glauben bekennen wollten.  

- Kompromisslösungen:  

   Ämterverzicht von vier betagten Kaplanen, die eine lebenslange Rente erhielten.

- Reduzierung der bisher vierzehn geistlichen Stellen auf vier.
  (Stadtpfarrer Himmelberger aus Kempten, Diakon Konzmann, Pfarrer Kindsvater sowie
   Prediger Bertsch, dessen Stelle – wie die Jahre zuvor – aus einer städtischen Stiftung
   bezahlt wurde)
- Teilweise Einzug des Vermögens der aufgehobenen Stellen durch den Staat
  Verbleib des restlichen Teils in der Stadt zur Unterstützung des Spitals

- Bezahlung fester Gehälter in Geld- und Naturalleistungen für Pfarrer und Prediger
   (Verbesserung gegenüber den vormals schwankenden Einkünften)

Keine größeren Vorbehalte gegen diese Maßnahmen im Rat der Stadt und in der Bevölkerung. Positive Grundstimmung gegenüber der Lehre Luthers durch die Verbreitung seiner Schriften im Remstal trotz scharfer Maßnahmen der Habsburger gegen die „lutherische Sect“.
Zufriedenheit über die Beendigung der Fremdherrschaft der österreichischen Habsburger.
Erinnerungen an die blutige Niederschlagung des Aufstands „Armer Konrad“ vor 20 Jahren durch den Herzog waren verblasst.

Frühjahr 1535
Verbot des Messgottesdienstes.
Einzug der Kirchenschätze (Messkelche und Messgewänder wurden überflüssig)

Juli 1535  
Neue Klosterordnung
für die 14 Männer- und 12 Frauenklöster in Württemberg
 „Es hatt der tausendt listig Sathan under dem Schain ains Engels des Liechts sonnderlich bey den closterleutten …  vilfaltig eingedrungen …“ 1

Konsequenzen:
- Aufhebung der katholischen Kirchenkonvente in Württemberg
- Einzug des Klostervermögens  
- Vergrößerung des württembergischen Territoriums um rund ein Drittel

Gewissensentscheidung der Mönche und Nonnen: Lossagen vom alten Glauben und im Kloster bleiben oder außer Landes in ein Kloster ihres Ordens abwandern?

27. – 28. Juli 1535
„… gen Stutgarten geantwurt …“
Schorndorfer Kirchenschätze

Nach Stuttgart gebracht, eingeschmolzen und in die herzoglichen Münze verarbeitet wurden: 1 silberne Monstranz,  1 silbernes Rauchfass, 2 silberne Messkännchen, 12 silberne silberne und goldene Messkelche und weitere Gefäße … (T 2)

Verkauf der Messgewänder zugunsten des Armenkastens

1535 – 1537 (1590)
„… die Büldstürmer habens übern hauffen geworffen …“

Plünderung, Rettung, Zerstörung:
Plünderung eines Großteils des Figurenschmucks im Innern und Äußern der Stadtkirche.
Proteste der Stifter, zumal die Stiftungen kaum mehr als eine Generation zurücklagen.

 

B6:  Nischen ohne Statuen an der Nordseite der Stadtkirche Schorndorf


Einlagerung des teilweise mutwillig beschädigten Figurenschmuckes (abgeschlagene Nasen, Arme und Beine) und der Heiligenbilder auf dem Dachboden des Spitals.  

Rettung der Madonna-Figuren:
Die „Stuttgarter Madonna“ wurde nach Hofen (bei Stuttgart), das zum Besitz des Grafen von Neuhausen gehörte, außer Landes gebracht.
Die ‚Schorndorfer Madonna‘ wurde vermutlich von den beiden Riedlinger Seelschwestern der Schorndorfer Klause zu den Franziskanerinnen ins 90 km entfernte Unlingen gebracht.

 

B7: Muttergottesstatue
in der Klosterkapelle Unlingen  (bis 1713 in der Pfarrkirche)
Ziel vieler Kranker und Hilfesuchenden – Wallfahrt  zur „Muttergottes auf der Saul“

 

Zerstörung des Sakramentshäuschens im Chor der Stadtkirche:
„Ahn der Wand gegen Mitternacht … ist gestanden ein sehr schön Sacramentheußlin, von
reinem Stainwerckh … mit laubwerckh und Bildern … Aber die Büldstürmer habens übern
hauffen geworffen ...“ 5 (David Wolleber um 1590)

Lediglich das Chorgewölbe in der Marienkapelle der Stadtkirche mit der Wurzel-Jesse Darstellung wurde nicht Opfer der Bilderstürmer.

 

B8: Marienkapelle, Deckengewölbe mit der Wurzel Jesse, 1506

 

1536                   
„Vater unser …“ Neue Kirchenordnung  – Festlegung durch den Herzogs
Regelfall des Gottesdienstes: Predigergottesdienst auf Deutsch auf der Grundlage der Bibel als einzige Lehrnorm (Sola scriptura).  
Besonderheit: Gebete für die Obrigkeit und positive Bewertung des Staates

Gründung Tübinger Stift
Ausbildung begabter Landeskinder zu evangelischen Pfarrern
(Rektor der Universität Tübingen war der in Schorndorf geborene Mediziner und Philosoph Jakob Schegk, genannt Degen)

13. Dezember 1537         
Erneuter Visitationsbesuch von Erhard Schnepf in Schorndorf
Der ‚Armenkasten‘ – Neuorganisation der Armen- und Krankenfürsorge

Vor der Reformation: Zuständigkeit des Sozialunternehmens ‚Spital zum Heiligen Geist‘ (Gründung vor 1420) für die Versorgung der Alten in Schorndorf. Darüber hinaus war das Spital ein sehr erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen, das im Laufe der Zeit fünf der sechs Schorndorfer Keltern besaß, einen u.a. Großteil des Weinhandels abwickelte und Kredite und Darlehen vergab.

1537 Neuorganisation:
Einführung des ‚Armenkastens‘, als zentrale Kasse für die Versorgung der Armen und Kranken in Stadt und Amt Schorndorf.

In den ‚Armenkasten‘ – auch ‚Gotteskasten‘ genannt – wurde das örtliche Kirchenvermögen, die Einkünfte aus den Almosen der Kapellen und einiger Handwerkerbruderschaften sowie die Einnahmen aus dem Stiftungsvermögen einbezahlt.
Weitere Pfründe wurden zugunsten des Herzogs eingezogen.

Folgende Maßnahmen wurden aus dem Armenkasten finanziert:

- Kosten für Arme und Kranke in den verschiedenen Einrichtungen     
   a) Spital:  Altersheim, das z.B. 1537  mit 31 reichen ‚Pfründnern‘ (hatten sich
        dauerhaft mit Geld, Wertpapieren oder Grundstücken eingekauft) und 12 armen
        Insassen (wurden um  ‚Gotteslohn‘ aufgenommen) belegt war.5
        Zudem gab es ‚Siechstuben‘ für Kranke im Spital.

 

Abb. 4: Wappen des Spitals  über dem Eingang zum ‚Pfründnerhaus‘ von 1558 (Baubeginn)

 

Abb. 5: Wappen am Spitalgebäude der beiden Spitalpfleger,  des Spitalmeister, des Siechenpflegers und  des Baumeisters von 1582 (Erweiterung)

 

   b) Waisenhaus: In ihm lebten 1537  10 Waisen
   c) Sondersiechenhaus: Für u.a. Leprakranke.
       Lag außerhalb der Stadt und war organisatorisch mit dem Spital verbunden.

- Ausgaben für das Kirchengebäude und für die Schulmeister, die nun eine feste
   Besoldung erhielten

1538 – 1544
Ausbau Schorndorfs zur Festungsstadt unter Herzog Ulrich

 

Abb. 6: Zeichen der Landeshoheit – Herzog Ulrichs
Wappen am Portal des Burgschlosses

Abb. 7: Festungsstadt Schorndorf
Sonderausstellung im Stadtmuseum, 2017 

 

Militärische Großprojekte zur Landesverteidigung:  Ausbau der Burgen Hohenurach, Hohentübingen Hohenasperg, Hohenneuffen und  Hohentwiel  und der Städte Kirchheim/Teck und Schorndorf zu Landesfestungen.

Bis zum Bau des Ludwigsburger Schlosses war der Ausbau Schorndorfs zur Festungsstadt das größtes und mit ca. 280 000 Gulden (heute ca. 28 Mio. Euro) das teuerste Bauvorhaben im Herzogtum. 
Zum Bau der Festungsanlage wurden u.a. die Steine des im Bauernkrieg zerstörten Klosters Engelberg, des Adelberger Klostergebäudes und der zahlreichen Schorndorfer Kapellen verwendet.

B2: Festungsstadt Schorndorf  Federzeichnung von Andreas Kieser zeigt den modernisierten Zustand von 1686

 
1540/1560                   

Beschwerden über die Schorndorfer Seelschwestern:
 „ … sich unseren christenlichen evangelischen ordnung zu halten gar nit befleissen,
 weder zur predig noch unsers hern Nachtmal zu geen schicken“. 11

1560 besuchten die drei verbliebenen Seelschwestern die Predigten, nicht aber das
Abendmahl. Ihre Kutten hatten sie inzwischen abgelegt – „die kuhutten ußgethon“ 11

Einführung der Reformation von oben in der Amtsstadt Schorndorf – Fazit
Trotz vereinzelter Beschwerden stieß die von Herzog Ulrich angeordnete Reformation in Amt und Stadt Schorndorf bei großen Teilen der Bevölkerung auf weitgehende Zustimmung. Für die Schorndorfer hatte sich das geistliche Zentrum von Rom nach Stuttgart verlagert.

 

1548 – 1551

Zeit des Interims – Schorndorf wieder katholisch

 „Vil Tyranney an unß volbracht“ – Unter spanischer Besatzung

1545 – 1563
Konzil von Trient: Katholische Erneuerung

1546 – 1547
Schmalkaldischer Krieg: Sieg der Truppen von Kaiser Karl V. gegen den Schmalkaldischen Bund (Bündnis protestantischer Landesfürsten und Städte).  Unterwerfung Herzog Ulrichs unter Kaiser Karl V.

1548
Reichstag von Augsburg: Wiedereinführung der katholischen Kirchenordnung in den protestantischen Gebieten bis zum nächsten Konzil (Interim)   
 
1548 – 1551
Besetzung der Festungsstadt Schorndorf durch spanische Truppen

 

Abb. 8:  “Die fünf Landsknechte“, Radierung von Daniel Hopfer, um 1530

 

Einquartierung von rund 1000 Soldaten in Privathäuser. Dazu „Marketender, Troß und Weiber“, insgesamt 1400 Personen und rund 200 Pferde.

Folgen für die Bevölkerung:
- Massive Gewalttaten der spanischen Besatzer. Erfolglose Beschwerden der Städte  
  Schorndorf und Kirchheim/Teck bei Kaiser Karl V.

- Entlassung der evangelischen Pfarrer, die das Interim nicht annehmen wollten.

- Vom Predigergottesdienst in deutscher Sprache zur lateinischen Messe –
  Wiedereinführung der Messgottesdienste in der Stadtkirche.
  Wenn nicht, drohte der spanische Befehlshaber dem Katechisten aus Geradstetten
    „…[ihn] gen Schorndorf [zu] führen und uff dem Markt zu Bulfer verbrennen lassen …“ 5

- Wiederverwendung der in Schorndorf verbliebenen Kelche, Messgewänder und unbeschädigten Statuen

1550                    
Herzog Ulrich †

15. Oktober 1551                   
Abzug der spanischen Besatzung aus Schorndorf

Bürgermeister Johann Schmidlapp über den Abzug der Spanier:

„ … Vil Tyranney an unß volbracht  Drei Jar, acht Woch blibens allhie …  
Der Sünden Schuld macht unß solich Müeh
Lob gesagt von warem Hertzen Grundt  
Das wür erlebt han diese  Stundt.“5


Anmerkung:  
„Schön ist der Krieg nur für den, der ihn nicht kennt“5
Der Schorndorfer Schertlin von Burtenbach,
ein berühmter Landsknechtführer und Kriegsunternehmer im 16. Jahrhundert

 

Abb. 9: Sebastian Schertlin von Burtenbach
Vater: Heinrich Schertlin, Forstmeister, Richter, Bürgermeister
Schwester: Barbara Schertlin, Begine der Schorndorfer Klause
Konfession: Katholisch, evangelisch

 


1550 – 1568

Württemberg unter Herzog Christoph – Ein evangelischer „Musterstaat“

 „Gotsforcht, Erbarkeit unnd Zucht“

 

B9: Das “hochlöbliche Herzogthum Wirtenberg“ 1559,
ein moderner Territorialstaat, in dem der Landesherr mit Gesetzen und Verordnungen für Recht und Ordnung sorgt

 

 „Cuius regio, eius religio“
Wer Herr im Haus ist, bestimmt über den Glauben!

1551                    
„Confessio Virtembergica“ – Württembergische Bekenntnisschrift
Diskussionsbeitrag für das Konzil von Trient 1552
Verfasst von Johannes Brenz (Berater von Herzog Ulrich und Herzog Christoph)

1552                    
Abschaffung der Messe in Württemberg

1553                    
Neue Kirchenordnung: Landesherr nun auch Landesbischof seiner Kirche
Regelungen für den Gottesdienst und den Katechismus (Religiöse Unterweisung in Kirche, Familie und Schule)                                    

1555                    
Augsburger Religionsfriede
Regelungen für ein friedliches und dauerhaftes Nebeneinander von Luthertum und Katholizismus im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Festlegung: „Cuius regio, eius religio“ – der Landesherr bestimmt die Religion seiner Untertanen. Recht der Untertanen in ein Territorium ihres Glaubens auszuwandern.

„ …nit allein die Knaben/sonder auch Doechterlin zuor Schuol geschickt“
Bildungsoffensive – Große Württembergische Kirchenordnung  

Ab 1556              
Klosterschulen – „Pflanzstätten“ für Schule und Verwaltung

B10: Herzog Christoph von Württemberg (1515–1568)
Holzschnitt nach 1542

 
Umwandlung von 13 Männerklöstern in 9 „niedere“ Klosterschulen (u.a. Adelberg, Lorch)
und vier „höhere“ Klosterschulen (u.a. Maulbronn, Bebenhausen, Hirsau, Herrenalb).
„ … das darinn das Studium der hayligen göttlichen schrift geübt, der recht Gottes dienst glert und gelernt würde, damit die Closter personen nicht allein zu irem aigen besonderen hayll, sonder auch zu dem dienst unnd ambtern der gemeinen, christlichen Kirchen auffertzogen werden möchten.“3

Stipendien für 200 begabte Landeskinder. Allerdings, kein Zugang für Mädchen zum höheren Bildungswesen.

1559                   
Große Württembergische Kirchenordnung – Meilenstein der Bildungsreform
(Schulsystem des Landes: Sieben der 19 Einzelordnungen)

Regelungen für das Schulsystem:
- Verantwortung für die Bildung der Landeskinder übernehmen die Städte und das Land
   (vorher Kirche).

- Einrichtung von „Deutschen Schulen“
   Grundschule für alle Kinder, getrennte Unterrichtung der Mädchen und Jungen
   im gesamten Herzogtum, um den Bildungsstandard des ‚gemeinen Volkes‘ zu heben.
   Schließlich sollten die Landeskinder die Bibel lesen und verstehen können.
   (1559: 156 Latein- und deutsche Schulen – Beginn 17. Jh. 400 Deutsche Schulen)

  Amtsstadt Schorndorf:
  Einrichtung der ‚Deutschen Schule‘  im Nebengebäude der seit 1357 bestehenden
  ‚Lateinschule‘ (Schule für Knaben reicher Bürger), die mit ihren ca. 90 Schülern nach
  Stuttgart und Tübingen die drittgrößte Schule im Land war.

- Eliteförderung über zwei Bildungswege
   Geistliche Berufe: Lateinschule, Klosterschule, Universität Tübingen (Stift) –
   Theologiestudium  
   Weltliche Berufe (Höhere Verwaltungsbeamte): Lateinschule, Pädagogium in Stuttgart
   oder Tübingen, Universität Tübingen (Stift) – Studium der Rechtswissenschaft und
   andere Fächer

- Klosterschulen
  Stärkere Betonung des ‚normalen‘ Schulunterrichts

- Weiterbildungsschulen
   Schreib- und Rechenschulen: Schulzentren für Schreiber und Rechenmeister
   in Stuttgart, Tübingen, Urach

   Verwaltungsschulen für den gehobenen und höheren Dienst für Räte und Amtleute

- Fördersystem
  20 Stipendiate für adelige Landeskinder
  10 Stipendiate für Auslandsreisen, um „frembde Sprachen zu lernen“

Übernahme der Schulordnungen Württembergs u.a. in Kursachsen

Wolfart – "… ein gemein gleich Landtmeß vnd Eych“
Förderung des Handels und Stabilisierung der Staatsfinanzen

1553/1565
Zustimmung des Landtags (Städte, Prälate, Adel) zur Übernahme von Staatsschulden  

1557   
„Ein Maß in allen Teilen des Landes“ – Wirtschaftsförderung
Beispiel Eichordnung: Erschwerte Handelsbedingungen durch unterschiedliche Maße für Waren und Güter in Württemberg.
Beseitigung der Handelshemmnisse durch den Erlass einer Eichordnung – ein Maß (Gewichte, Größe und Mengen) in allen Teilen des Landes.

B11: Hoheitliche Eichgefäße mit den württembergischen Hirschstangen
(Sonderausstellung  im Stadtmuseum, „Schorndorf im Zeitalter der Reformation“, 2017)


„Christenlichs/Gottseligs/ … züchtigs/unstraefflich Leben“
Mit dem Glauben Staat machen

1559                   
Große Württembergische Kirchenordnung

Enge Verknüpfung von Kirche und Gesellschaft.
Regelungen aller Bereiche des kirchlichen Lebens und vieler Bereiche des  
gesellschaftlichen Lebens in 19 Einzelnormen

Sittliche und moralische Erziehung der Landeskinder durch Förderung eines gottgefälligen
Lebenswandels, der Wohlfahrt und der Beseitigung von „unordnung“.
 
  Beispiele:
  - Neuregelungen zur Eheschließung und -scheidung durch ein Ehegericht des Herzogs
     (bisher bischöfliche Gerichte)
  - Verordnungen gegen Sektierer, Zauberer,  Verordnungen für Leib- und Wundärzten usw.
  - Straftatbestände: Fluchen, Gotteslästerung, übermäßiges Trinken und Glücksspiel in
    Gasthäusern
  Die Bestrafung dieses „gottlosen Lebenswandels“ erfolgte auch noch Jahrhunderte
  später. In Schorndorf wurden beispielsweise 1648 für verbotenes Tanzen und Trinken 10
  Gulden Strafe für den Wirt und mehrere Tage Gefängnis für die Gäste und Spielleute   
  angedroht. 1728 wurde für „Fressen, Saufen, Fluchen“ der Schmied Rieckhardt für drei
  Tage ins Gefängnis gesteckt und auch Schuhmacher Sautter verbrachte 1762 drei Tage
  und Nächte bei Wasser und Brot für Fluchen im Strafturm.

1565
Landtag: Verpflichtung des Herzogs auf das evangelische Bekenntnis und die Kirchenverfassung über seinen Tod hinaus

1568 und 1570
Herzog Christoph †  und Johannes Brenz †

1579
Ausbau der Stadtkirche

B 12: Stadtkirche Schorndorf, Ostseite, Chor

B 13: Südseite, Zwillingstreppe mit zwei Delfinen

 


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -


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