Militarismus, Nationalismus - Pazifismus, Sozialismus - Zwei Wege ins 20. Jahrhundert: Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und Gustav Landauer.

Hintergrund

Zeittafel


1870

07.04. Geburt von Gustav Landauer als dritter Sohn des jüdisch-deutschen
Schuhwarenhändlers Hermann Landauer und dessen Frau Rose, geb. Neuburger, in Karlsruhe.
19.07. Beginn des deutsch-französischen Kriegs
07.08. Geburt von Gustav Georg Friedrich Maria Krupp von Bohlen und Halbach als fünftes Kind des deutschen Diplomaten Gustav von Bohlen und Halbach und dessen Frau Sophie, geb. Bohlen, im niederländischen Den Haag geboren.

1871

18.01. Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles
10.05. Der Friede von Frankfurt beendet den deutsch-französischen Krieg

1879

Umzug der Familie von Bohlen und Halbach nach Karlsruhe

1884

Gustav Krupp von Bohlen und Halbach wird Schüler des Großherzoglichen Gymnasiums in Karlsruhe.

1886

Gustav Landauer wechselt vom Humboldt-Realgymnasium Karlsruhe in die Unterprima auf das Großherzogliche Gymnasium.

1888

Dreikaiserjahr: Kaiser Wilhelm I. stirbt am 9. März in Berlin. Auf ihn folgt sein an Kehlkopfkrebs erkrankter Sohn Friedrich Wilhelm als Kaiser Friedrich III., der bereits nach 99 Tagen Regentschaft am 15. Juni in Potsdam verstirbt. Sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm besteigt als Kaiser Wilhelm II. noch am selben Tag als Deutscher Kaiser und König von Preußen den Thron.

14.07. Landauer und von Bohlen und Halbach erhalten ihr Abiturienten-Zeugnis am Großherzoglichen Gymnasium in Karlsruhe.

B 17 Das heutige Bismarck-Gymnasium, erbaut 1874


1888 - 1892

1888 beginnt Landauer sein Studium der Fächer Germanistik, Anglistik, Philosophie und Kunstgeschichte in Heidelberg, Straßburg und Berlin. 1892 bricht Landauer sein Studium aus finanziellen Gründen offiziell ab. Ausschluss aus allen preußischen Universitäten „mangels sittlicher Befähigung“. Im Dezember Eheschließung Landauers mit der Schneiderin Margarethe Leuschner (1872-1908) in Zürich gegen den Willen seiner Eltern. Austritt aus der israelitischen Religionsgemeinschaft.


1893

15.2. Nach seiner Rückkehr aus der Schweiz wird Landauer verantwortlicher Redakteur und Mitherausgeber des „Sozialist“. 6.-12.8. Landauer reist mit seiner Frau nach Zürich, um als Delegierter der Berliner Anarchisten am Internationalen Sozialistenkongress teilzunehmen. Ab Herbst wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Staatsgewalt und Aufreizung durch die Presse mehrmonatiger Freiheitsentzug.
Gustav von Bohlen und Halbach schließt sein Jurastudium in Heidelberg mit der Promotion ab.

1895

Im Januar wird der „Sozialist“ infolge staatlicher Repressionen sowie mangelnder Finanzmittel eingestellt. Im August erscheint der bis Dezember 1899 bestehende „Sozialist“ unter dem Namen „Neue Folge“ mit dem Untertitel „Organ für Anarchismus – Sozialismus“.

1896

27.7.-1.8. Landauer nimmt am Internationalen sozialistischen Arbeiter- und Gewerkschaftskongress in London teil, auf dem Anarchisten endgültig aus der Zweiten Internationalen ausgeschlossen werden. Auf dem nun parallel stattfindenden Sonderkongress hält Landauer eine bedeutende Rede, in der er den Zusammenschluss von Kleinbauern und Landarbeitern zu Genossenschaften befürwortet.

1897

Landauer legt als Reaktion auf den sich abzeichnenden Niedergang des „Sozialist“ seine Redaktionstätigkeit nieder, schreibt aber als Autor weiterhin für das Blatt.

Gustav Krupp von Bohlen und Halbach wird Assessor im Auswärtigen Amt in Berlin.

1899

18.08.-26.02.1900 Landauer verbüßt in der Haftanstalt Tegel nach einem Gerichtsverfahren wegen verleumderischer Beleidigung eine sechsmonatige Haftstrafe.
Gustav Krupp von Bohlen und Halbach wird Legationssekretär in Washington und Peking

1903

Landauer lässt sich von seiner Frau Margarethe scheiden. Im Mai Eheschließung mit der Lyrikerin und Übersetzerin Hedwig Lachmann, die er 1899 in Berlin kennengelernt hatte.

1904

Gustav Krupp von Bohlen und Halbach wird zum Legationsrat ernannt und an die preußische Gesandtschaft beim Vatikan berufen.

1906

Gustav von Bohlen und Halbach heiratet Bertha Krupp, die Alleinerbin des Krupp-Unternehmens. Aus der Ehe gehen acht Kinder hervor. Kaiser Wilhelm II. als preußischer König erlaubt dem Paar, sich Krupp von Bohlen und Halbach zu nennen, um den Unternehmensnamen zu erhalten.

1908

Gründung des „Sozialistischen Bundes“ und Proklamation des „Zwölf Artikel des Sozialistischen Bundes. Bei Vortragsreisen durch Süddeutschland lernt Landauer die Anarchistin und Gewerkschafterin Margarethe Faas-Hardegger (1882-1963) kennen, mit der er 1909 den „Sozialist“ als Organ des „Sozialistischen Bundes“ herausgibt.
Das Ehepaar Krupp baut die Sozialeinrichtungen des Unternehmens weiter aus.

1909

Krupp wird Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens.

1911

Landauers Hauptwerk „Aufruf zum Sozialismus“ erscheint.

Die 2. Marokko-Krise („Panther-Sprung nach Agadir“) löst bei Landauer eine intensive Beschäftigung mit den Ursachen des Krieges aus. In der aggressiven Kanonenbootpolitik gegenüber der britisch-französischen Entente sieht er bereits die Gefahr zum Weltkrieg angelegt.

1914

Im Juni wird in Potsdam der „Forte-Kreis“ gegründet, der das Ziel verfolgt, den Dialog zwischen den europäischen Nationen zu fördern, um so eine Kriegsgefahr zu mindern. Im Laufe des Jahres 1914 zerfällt die multinationale Gruppe aufgrund nationalistischer Äußerungen einiger deutscher Mitglieder. Landauer verfolgt mit Hedwig Lachmann weiterhin konsequent seinen Antimilitarismus und lehnt grundsätzlich jedes „Völkermorden“ ab.
1.8. Ausbruch des Ersten Weltkrieges
Mit dem Stopp der Auslandslieferungen zu Beginn des Ersten Weltkriegs stellt das Unternehmen Krupp seine Produktion weitgehend auf Rüstung um. Zum ersten Mal werden in der Produktion Frauen eingesetzt.

1915

Landauers „Aufruf zum Sozialismus“ wird verboten. Am 15.3. erscheint die letzte Ausgabe des „Sozialist“. Im Mai wird Landauer gemustert und dauerhaft für „untauglich befunden“. Bis Kriegsende zahlreiche Vorträge, Veranstaltungen, Seminare und Schreiben mit Schwerpunkt Pazifismus, Sozialismus und Friedensgestaltung.

1918

21.2. Plötzlicher Tod Hedwig Lachmanns
7.11. Beginn der Revolution in München: Seit Mitte November beteiligt sich Landauer auf die Bitte des neuen bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner (1867-1919) hin an der „Bewusstseinsrevolution“. Er wird Mitglied des „Revolutionären Arbeiterrates“, des Münchner „Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrates“ und des „Provisorischen Nationalrates Bayerns“. Landauer wirbt konsequent für ein Rätesystem.
Nach Kriegsende steht das Unternehmen Krupp vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten, da es sich wegen des Verbots der Produktion von Rüstungsgütern durch die Entente-Staaten auf Friedensproduktion umstellen muss.

1919

7.4. Proklamation der ersten, anarchistischen Räterepublik in Bayern. Landauer wird Volksbeauftragter für Volksaufklärung, Unterricht, Wissenschaft und Künste (kurz: Kultusminister).
13.4. Die erste Räterepublik wird durch einen gegenrevolutionären Putsch niedergeschlagen. Am nächsten Tag Ausrufung der zweiten, kommunistischen Räterepublik, von der sich Landauer distanziert.
01.05. Einmarsch gegenrevolutionärer Regierungstruppen: Landauer wird nach einer Denunziation im Münchner Vorort Großhadern verhaftet und am darauffolgenden Tag im Münchner Zentralgefängnis Stadelheim von Freikorps-Soldaten misshandelt und erschossen. Der Hauptangeklagte Eugen Digele wird für Peitschenhiebe auf Landauer (Körperverletzung) und das Klauen einer Uhr (Hehlerei) zu sechs Wochen Haft verurteilt, nicht jedoch wegen Todschlags oder Mord. Da er diese Zeit jedoch schon in Untersuchungshaft verbracht hatte, gilt sie als verbüßt. Weitere Tatbeteiligte werden nicht verfolgt.
Landauers älteste Tochter Charlotte gelingt es, dass die Leiche des Vaters und der beschlagnahmte schriftliche Nachlass freigegeben werden.

 

Gustav Landauer in seinem Todesjahr 1919.

B 13 Portrait Gustav Landauer 1919


1923

Am 02.05. wird auf dem Münchner Waldfriedhof die Asche Landauers in einem viereckigen, 1.5 Meter hohen Betonsockel eingelassen.
Die Produktion des Krupp-Unternehmens wird durch die Ruhrbesetzung beeinträchtigt. Krupp und einige Direktoren des Unternehmens werden nach einem Prozess vor einem französischen Militärgericht sieben Monate in Düsseldorf inhaftiert, bis die Politik des passiven Widerstands von der Regierung unter dem Reichskanzler Gustav Stresemann beendet wird.

1925

Fertigstellung des von der „Freien Arbeiter Union Deutschlands“ (FAUD) durch Spendensammlungen finanzierten Denkmals.

1933

Zerstörung des Landauer-Denkmals durch die Nationalsozialisten. Die Urne wird der jüdischen Gemeinde München übergeben und ist während der NS-Zeit anonym in der Selbstmörderecke des Neuen Israelitischen Friedhofs an einer Mauer untergebracht.
Das Unternehmen Krupp profitiert von der nationalsozialistischen Autarkie- und Rüstungspolitik und erlebt einen wirtschaftlichen Aufschwung. Nach anfänglicher Distanz arrangiert sich Krupp zunehmend mit dem NS-Regime. Er wird Kuratoriumsvorsitzender der Adolf-Hitler-Spende der Deutschen Wirtschaft.

Gustav Krupp von Bohlen und Halbach

B 15 Gustav Krupp von Bohlen und Halbach

 

1937

Hitler ernennt Krupp zum Wehrwirtschaftsführer und verleiht ihm drei Jahre später das Goldene Ehrenzeichen der NSDAP, um das Unternehmen sowie die Person Krupp propagandistisch zu nutzen.

1943

Krupp legt den Vorsitz im Aufsichtsrat der Fried. Krupp AG nieder. Zur Sicherung des Krupp-Imperiums erlässt Adolf Hitler die sogenannte Lex Krupp, die den ältesten Sohn von Krupp zum Alleinerben des Unternehmens macht.
1940-45 Das Unternehmen profitiert von dem erhöhten Rüstungsbedarf. Mindestens 100.000 Zwangsarbeiter werden während des Zweiten Weltkriegs bei Krupp eingesetzt.

1945

Wegen der engen Beziehungen zwischen dem Unternehmen und dem nationalsozialistischen Regime sowie der Ausbeutung von Zwangsarbeitern erhebt der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg Anklage gegen Krupp als Hauptkriegsverbrecher. Er ist jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verhandlungsfähig, so dass das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Stattdessen werden Alfred Krupp von Bohlen und Halbach und Manager der Firma Krupp angeklagt und verurteilt.

1946

Landauers Tochter Gundula veranlasst die Wiederherstellung der Grabstätte ihres Vaters. Heute besteht für Gustav Landauer und Kurt Eisner ein gemeinsames Grab auf dem Neuen Israelitischen Friedhof.

1950

16. Januar: Gustav Krupp von Bohlen und Halbach stirbt in Blühnbach.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Karlsruhe -


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