Dampf auf dem Bodensee - Die Dampfschifffahrt als Kommunikationserfolg

Hintergrund

Zeittafel


 

Bodenseeschifffahrt im 19. Jahrhundert
Die Schifffahrt auf dem Bodensee lässt sich bis in das Mittelalter zurückverfolgen.
Im 18. Jahrhundert kamen für den Gütertransport Lädinen und Segner zum Einsatz. Die Lastsegelschiffe wurden aus Eichenholz gebaut und hatten zu dieser Zeit eine Ladekapazität von 30 - 45 t (Segner) und 90 - 150 t (Lädine). Ein wichtiges Transportgut der Bodenseelastsegelschiffe war seit dem Mittelalter Salz. Dieses aus Hall in Tirol und aus Reichenhall in Oberbayern stammende Salz wurde über Lindau nach Buchhorn (Friedrichshafen) in die Schweiz transportiert. Des Weiteren auch Getreide aus Oberschwaben und Wein. Von der Schweiz in das Deutsche Reich wurden Leinwand und Holz, besonders Rebstecken, über den See gebracht.

B 1, Aufbau einer Lädine

 

In Friedrichshafen wurde seit der frühen Neuzeit ein Schifffahrtslehen vergeben. Damit waren die Nutzungsrechte an den Wirtschaftsgütern (Schiffe) und Herrschaftsrechte (Schifffahrtsrechte) verbunden. Auch wenn es sich um ein sogenanntes Schupflehen handelte, blieben die Rechte meist auf Lebzeiten in den Händen derselben Schiffer.


17. August 1807 Jungfernfahrt Clemont
Nachdem der vom Amerikaner Robert Fulton (1765-1815) gebaute Seitenraddampfer Clemont auf dem Hudson River seine Jungfernfahrt hatte, wurden in England, Russland, Frankreich und den Niederlanden erste Dampfschiffe in Betrieb genommen. Am Bodensee gab der im badischen Konstanz ansässige Tuchscherer, Offizier und Spinnereifabrikant Johann Kaspar Bodmer (1776-1827) als erster den Bau eines Dampfschiffes in Auftrag. Aufgrund von Geldmangel baute Bodmer letztlich eine Dampfmaschine aus einer Spinnereifabrik ein. Am 29. April 1818 wurde die Jungfernfahrt der Stefanie von Konstanz nach Meersburg durchgeführt. Auf der Rückfahrt versagte die Dampfmaschine, sodass das Dampfschiff seinen Spitznamen „Steh-fahr-nie“ erhielt.

 

B 2, Skizze des Dampfschiffes Stefanie

 

Ab 1822: Die Förderer werden aktiv
Der Bau des ersten württembergischen Dampfschiffes wurde durch die ideelle und finanzielle Förderung verschiedener Personen vorangetrieben. Eine wichtige Rolle spielte Karl Viktor von Bonstetten. Der schweizerische Philosoph stand mit Friedrich von Matthisson und König Wilhelm I. in brieflichem Kontakt und berichtete ihnen vom Bau eines Dampfschiffes (Guilleaume Tell) auf dem Genfersee durch den amerikanischen Consul Edward Church. Friedrich Matthisson war Geheimer Legationsrat am württembergischen Königshof, übersetzte die Briefe ins Deutsche und leitete sie an das Stuttgarter Finanzministerium weiter. Außerdem setzte sich der Verleger Johann Friedrich Cotta für den Bau eines württembergischen Dampfschiffes ein und unterstützte dies auch mit finanziellen Mitteln.
Die Idee, ein Dampfschiff für den Bodensee zu bauen, stieß bei König Wilhelm I. auf offene Ohren, da ihm die handels- und verkehrspolitische Förderung der neu geschaffenen Stadt Friedrichshafen wichtig war. Dabei standen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, mit Blick auf den Transport von Waren als auch hinsichtlich der Überführung Reisender. Während von Bonstetten auf eine schnelle Entscheidungsfindung drängte, um das erste Dampfschiff auf den Bodensee zu bringen, war der König darauf bedacht, eine genaue finanzielle Analyse zu veranlassen, welche der Finanzminister Ferdinand von Weckherlin durchführte.

 

B 3, König Wilhelm I.

 

26. Februar 1824
Der Vorschlag für die Privatisierung des Dampfschifffahrtsunternehmens kam vom Schaffhauser Handelshaus Schlach zum Garten, welches sich auch an der 1824 gegründeten Aktiengesellschaft beteiligte. Diese betrieb die Friedrichshafener Dampfbootgesellschaft und verfügte über ein Anfangskapital von 113142 Mark. Sie finanzierte den Bau des ersten Dampfbootes „Wilhelm“, das 87507 Mark kostete. Die Aktionäre waren neben dem König Wilhelm I., Edward Church, das Finanzministerium und einige Stuttgarter Privatleute und Kaufleute aus Friedrichshafen. Zweck der Gesellschaft war die Verschiffung von Kaufmannswaren, Früchten und Gütern auf dem Bodensee und insbesondere nach Rorschach.

23. März 1824
Ein größeres Hindernis stellten die bestehenden Schifffahrtslehen dar. Als die Schifferschaft von Friedrichshafen, bestehend aus acht Schiffermeistern, von den Bauplänen eines Dampfschiffes erfuhren, sahen sie ihre Existenz bedroht. Deshalb schrieben sie bereits am 2. Juli 1823 eine Erklärung mit ihren Bedingungen. Sie lehnten die Bildung und Teilnahme an einer Aktiengesellschaft ab und waren auch mit der Höhe der angebotenen Leibrente nicht einverstanden. Die Verhandlungen mit der Schifferschaft - unter anderem mit dem Oberfinanzrat Nördlinger - blieben zunächst erfolglos.
Schließlich fuhren die zwei Schiffer Valentin Spanagl und Aurel Rothmund nach Stuttgart und übergaben dort eine Bittschrift an den König. Schließlich kam am 23. März 1824 der Vertrag zwischen der königlichen Hafendirektion in Friedrichshafen und der Schifferschaft zustande. Darin wird erklärt, dass jeder Schiffer auf sein Schifffahrtsrecht verzichtet und stattdessen eine lebenslange Rente von 450 Gulden erhält. Außerdem kaufte der Staat den Schiffern alle Schiffe und Gerätschaften ab.

17. August 1824: Stapellauf des Wilhelm
Innerhalb weniger Monate (von Frühjahr 1824 – 17. August 1824) wurde auf dem sogenannten Schiffsholm in Friedrichshafen der Glattdeckdampfer Wilhelm gebaut. Daran waren Edward Church als Ingenieur, der Handelsmann Schalch als Bauaufseher und der Schiffsbauer Mauriac aus Bordeaux beteiligt. Das Schiff hatte eine Länge von 30,6 m und war 5,14 m breit und konnte eine Tonnage von 60 t tragen. Außerdem konnten 124 Personen transportiert werden, davon 100 an Oberdeck und 24 in einem heizbaren Zimmer unter Deck.
Beim Stapellauf des Dampfschiffes waren König Wilhelm mit der Königin und einigen Prinzessinnen sowie Interessierte, zum Teil aus dem Ausland, anwesend. Unter Glockengeläut, Kanonendonner und Musik erhielt das Schiff den Namen seines Förderers Wilhelm.

10./11. November 1824
Das Dampfschiff wurde mit einer Niederdruckdampfmaschine von Fawcett in Liverpool mit 20 PS ausgestattet und konnte eine maximale Geschwindigkeit von 10,50 km/h erreichen. Die erste Fahrt legte das Schiff von Friedrichshafen nach Langenargen innerhalb einer Stunde zurück. Am folgenden Tag wurden die Schiffer beeindruckt, welche aufgrund von starkem Föhnsturm nicht auslaufen konnten. Das Dampfschiff hingegen schaffte die Fahrt zum schweizerischen Rorschach innerhalb von 3 ½ Stunden. Ab sofort fuhr das Schiff vier Mal in der Woche diese Route, hinzu kamen noch Sonderfahrten.

B 14, Dampfschiff Wilhelm


Ab 1830 Gründungen weiterer Dampfbootgesellschaften
Wenige Jahre später gründeten die Badener am 12. Juni 1830 in Konstanz die „Dampfschifffahrtsgesellschaft für Bodensee und Rhein“. Ihre ersten Dampfschiffe hießen „Leopold“ (Obersee) und „Helvetia“ (Konstanz – Rhein, Schaffhausen).

Fünf Jahre später wurde dann 1835 in Lindau die bayerische „Dampfboot-Actiengesellschaft“ gegründet. Deren erstes Schiff „Ludwig“ war das erste aus Eisen gebaute Bodenseeschiff.
1850 folgte in Schaffhausen die Gründung der „Schweizerische[n] Dampfboot-Actiengesellschaft für den Rhein und Bodensee“. 1855 dann die „Bodenseedampfschifffahrt der Schweizerischen Nordostbahn-Gesellschaft“ in Romanshorn. Schließlich waren ab 1884 mit der Gründung der „k.u.k. Österreichische Bodensee-Schifffahrt“ in Bregenz alle Anliegerstaaten an der Bodenseedampfschifffahrt beteiligt.

B 21, Dampfschiffgesellschaften


1846
Dass der Bodensee von Dampfschiffen unterschiedlicher Staaten befahren wurde, führte immer wieder zu Problemen. Besonders hervorzuheben sind die unterschiedlichen Uhrzeiten. Im Königreich Württemberg galt die Stuttgarter Zeit, im Großherzogtum Baden die Karlsruher Zeit, in der Republik Schweiz die Berner Zeit, im Königreich Österreich die Prager Zeit und im Königreich Bayern die Münchner Zeit. Dies hatte zur Folge, dass die Borduhren und die der Passagiere immer wieder umgestellt werden mussten. Als 1846 der erste gemeinsame Fahrplan aller Schifffahrtsgesellschaften rund um den Bodensee eingeführt wurde, mussten alle fünf Uhrzeiten berücksichtig werden. 

B 6, Fünf Uhrzeiten am Bodensee

1850
Eine Zäsur für die Dampfschifffahrt stellte das Jahr 1850 dar, als die erste Eisenbahnlinie, die württembergische Südbahn, an den Bodensee, nach Friedrichshafen, gebaut wurde. Vier Jahre später wurde die Württembergische Bodensee-Dampfschiffgesellschaft verstaatlicht und der Staatsbahn unterstellt.

1. März 1868
Auf der ersten gemeinsamen Konferenz der Dampfschifffahrtsgesellschaften in Bregenz wurde eine gemeinsame internationale Schifffahrts- und Hafenordnung für den Bodensee entwickelt. Damit wurde die Kooperation vertraglich geregelt und die internationalen einheitlichen Bestimmungen von den nationalen Zuständigkeiten klar getrennt. Seit 1976 wurde die Ordnung durch die Bodensee-Schifffahrtsordnung (BSO) ersetzt und ist auch heute noch in aktualisierter Form gültig.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -


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