Stadt im Mittelalter am Beispiel Villingen

Hintergrund

Zeittafel

999

Kaiser Otto III. verlieh dem Grafen Berthold, ein Vorfahr jener Adelsfamilie, die als Herzöge von Zähringen in die Geschichte eingegangen sind, das Recht, an dem Ort Villingen einen öffentlichen Markt mit Münz- und Zollrecht sowie Gerichtsbann zu errichten. Diese Marktrechtsverleihung stellt noch keine Stadtgründung dar. Es kam ganz darauf an, wie das angelegte Potential vom Privilegienbesitzer genutzt bzw. ausgebaut wurde. Für Villingen standen die Zeichen zunächst schlecht, denn das kleine Dorf am Rande des unbesiedelten Schwarzwalds zeigte keinerlei wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit. Villingen war nicht in ein bedeutendes Straßennetz integriert, wichtige Wirtschaftsorte entstanden oft in Nähe bedeutender Verkehrswege.

1030/40

Spätestens im oben genannten Zeitraum wurden in Villingen Münzen geprägt. Dies belegen zahlreiche Funde. Zuvor dürfte eine Münzstätte als festes Gebäude errichtet worden sein. Auch die Errichtung einer Marktstätte in Villingen ging voraus, unweit des Dorfes Villingen. Um 1000 dürfte aus Villingen eine geschäftige Baustelle geworden sein, die Handwerker anzog.
Kurz nach der Jahrhundertwende begann Berthold mit dem Bau einer Burganlage zum Schutz der Münzstätte. Die Betriebsamkeit des Ortes Villingen hob sich bald vom alten Dorf Villingen ab. Die Entwicklung zur voll entwickelten Stadt sollte allerdings noch etwas dauern. Erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts konnte Villingen als Stadt bezeichnet werden.

1100

Herzog Berthold II. von Zähringen ließ um 1100 den Bau des ersten romanischen Münsters beginnen. Das war ein wichtiger städtebaulicher Impuls, denn die werdende Stadt erhielt so ein räumliches und geistliches Zentrum.

Münster �Unserer lieben Frau�

B 19 Münster "Unserer lieben Frau" © N. Hermann

Um 1175

In der Zeit um 1175 wurde das Villinger Stadtbachsystem angelegt. Das Be- und Entwässerungssystem zwang der Stadtentwicklung eine gewisse Regelmäßigkeit auf und führte zum endgültigen ovalen Grundriss Villingens. Herzog Berthold IV. ist wohl für diesen Meilenstein der Stadtentwicklung verantwortlich zu machen.

Um 1200

Der letzte Zähringerherzog, Berthold V., gilt als der Initiator der Villinger Stadtmauer. Er wird auch in einem Villinger Totenbuch als Gründer der Stadt Villingen bezeichnet. Man kann also vermuten, dass Berthold V. der längst ausgebildeten urbanen Siedlung den rechtlichen Rahmen verliehen hat, obgleich eine urkundliche Erhebung Villingens zur Stadt nicht überliefert ist. Die Stadterhebung dürfte aber unmittelbar vor dem Mauerbau erfolgt sein. Folglich kann der Mauerbau im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts als Stadtwerdung Villingens im Rechtssinn bezeichnet werden.

Stadtmauer mit Kaiserturm

B 8 Stadtmauer mit Kaiserturm © N. Hermann

1218

Herzog Berthold V. starb kinderlos. Graf Egino der Bärtige von Urach, der mit einer Schwester Bertholds verheiratet war, erhob Anspruch auf das Erbe. Doch auch der Stauferkaiser Friedrich II. erhob Anspruch auf das Erbe Bertholds und so kam es zur Auseinandersetzung zwischen Egino und Kaiser Friedrich II. 1218/19 nannte sich Friedrich II. tatsächlich Stadtherr von Villingen und Villingen war für kurze Zeit Reichsstadt geworden.

1225

In diesem Jahr wird Villingen zum ersten Mal "civitas", also Stadt, genannt.

1230

In diesem Jahr starb Graf Egino der Bärtige und nur sechs Jahre später sein Sohn Egino V. Die Söhne Eginos V. gründeten eigene Linien: Konrad wurde Graf von Freiburg und Heinrich wurde Graf von Fürstenberg. Zunächst trat Graf Heinrich nicht als Stadtherr Villingens auf. Villingen war zwischen 1236 und 1250 erneut Reichsstadt. Diese Tatsache unterstützte sicherlich den beginnenden Emanzipationsprozess der Bürgerschaft.

1251

Graf Heinrich von Fürstenberg begann, Einfluss auf die Stadt zu nehmen

1283

Villingen wurde in dieser Zeit als Reichsstadt betrachtet. König Rudolf von Habsburg vergab Villingen jedoch im Mai des Jahres 1283 als ewiges Reichslehen zu Händen der Grafen von Fürstenberg.

16. Oktober 1284

Nach dem Tod Graf Heinrichs handelten seine vier Söhne Friedrich, Egen, Konrad und Gebhard von Fürstenberg mit der Stadt die Bedingungen für ihre Herrschaft aus. Der ausgehandelte Vertrag kann als erste Verfassungsurkunde der Stadt Villingen gesehen werden. Innerhalb des Vertrages mussten die vier Brüder der Stadt zusichern, dass innerhalb von zweieinhalb Jahren einer der vier zum Stadtherrn bestimmt werde.

24. August 1286

Graf Egen von Fürstenberg trat die Stadtherrschaft an. Der neue Stadtherr hatte wohl eine schwache Position gegenüber seiner Stadt. Gemäß der Urkunde von 1284 bezog er nur eine bescheidene Steuer von 40 Mark Silber und musste der Stadt eine große politische Selbstständigkeit einräumen. Beispielsweise war der Schultheiß in anderen Städten ein vom Stadtherrn besetztes Amt, in Villingen dagegen wurde der Schultheiß aus Reihen der "ehrbaren Bürger" der Stadt bestimmt. Die Rechtssprechung, einschließlich der Hochgerichtsbarkeit, lag innerhalb der Stadtmauern bei einem bürgerlichen Gerichtsgremium. Ein weiteres Privileg der Stadt war die Befreiung von auswärtigen Gerichten, z. B. dem Hofgericht in Rottweil.

Die ältesten Verfassungsorgane, der Schultheiß und das Gericht, dürften bereits unter Berthold V. existiert haben, sie werden aber erst in einer Urkunde aus dem Jahr 1225 genannt. In der Urkunde von 1225 wird auch zum ersten Mal der Rat der 24 erwähnt, der die Stadt regiert. Schultheiß und 24er Rat blieben bis zum Tod Heinrichs von Fürstenberg die zentralen Organe der städtischen Verfassung. Erst unter Graf Egen kam Veränderung in die städtische Verfassungsstruktur. Diese Veränderung reflektierte den Wandel der sozialen Struktur. Bis um 1300 gehörten Schultheißen und Mitglieder des Rates ausnahmslos der bürgerlichen Führungsschicht an, den Patriziern. Ein einflussreiches Patriziergeschlecht war die Familie Heimbürge.

Durch einige Großbaustellen im 12. und 13. Jahrhundert zog Villingen zahlreiche Handwerker an. Das Anwachsen des Handwerks zwang den Stadtherrn, Zuzug, Konkurrenzfähigkeit, Ausbildungs- und Produktqualität zu kontrollieren. Das geschah durch die Organisation des Handwerks in Zünften. Zünfte boten den Handwerkern unter anderem die Möglichkeit, sich politisch zu artikulieren und ihren Anspruch auf Mitwirkung an den politischen Gremien der Stadt zu fordern.

1311

Erst in diesem Jahr treten Zunftmeister zum ersten Mal schriftlich in Erscheinung.

Zunftstein

B 20 Zunftstein © N. Hermann

1324

Am 7. Dezember 1324 wurde die Villinger Zunftverfassung verliehen, die die Existenz zünftiger Organisation in Villingen zum ersten Mal belegt; gleichwohl dürften Frühformen zünftiger Organisation schon in den Jahrzehnten zuvor in Villingen vorhanden gewesen sein. Die zentralen Organe dieser Verfassung waren der Bürgermeister, Schultheiß, Zunftmeister, kleiner und großer Rat. Die Zunftverfassung zeigte eine deutliche Emanzipation der Stadt vom Stadtherrn. Eine Besonderheit ist auch, dass die Villinger Bürger die Zunftverfassung nicht in einer blutigen Auseinandersetzung erstreiten mussten, sondern in einem Ausgleich zwischen Patriziern und Zunftbürgern gegen den Stadtherrn entstand diese Verfassung.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -