„Frage der Etikette“ oder „Kampf um die Republik“?

Der Konflikt zwischen den Sigmaringer Regierungspräsidenten und dem Haus Hohenzollern in der Weimarer Republik

Hintergrund

Bedeutung


  

B 8:

Große mediale Resonanz des Konflikts: Schlagzeilen regionaler und überregionaler Zeitungen veranschaulichen, wie sehr die politische Auseinandersetzung von disparaten politischen Lagern geprägt war – von den Kommunisten über die Sozialdemokraten, Liberalen, Zentrumsanhänger, Deutschnationalen bis zu den Nationalsozialisten.

 

Die Auseinandersetzung zwischen den preußischen Regierungspräsidenten Emil Belzer und Alfons Scherer (beide Zentrumspolitiker) einerseits und den Chefs des Hauses Hohenzollern, Wilhelm und Friedrich Viktor von Hohenzollern, andererseits, war weit mehr als ein „Titelstreit“. Der Konflikt um den gesetzeskonformen Verzicht auf Adelstitel und Adelsprädikate, um eine Eindämmung der protokollarischen, vor allem aber der gesellschaftlichen Sonderstellung der Hohenzollern war ein Kampf um die Durchsetzung republikanischer Grundprinzipien, letztlich der republikanischen Autorität überhaupt gegenüber dem Adelshaus, aber auch gegenüber Teilen der Beamtenschaft und des konservativen Bürgertums. Die starke Resonanz der Auseinandersetzung in der regionalen, aber auch in der überregionalen Presse verdeutlicht, dass sich die Zeitgenossen der politischen Brisanz dieser Auseinandersetzung bewusst waren. Vor allem lässt sich in der medialen Resonanz aber ein Grundproblem der Weimarer Republik erkennen: die Unversöhnlichkeit der politischer Lager bzw. Milieus – von den Kommunisten über die Sozialdemokraten, die Liberalen, die Zentrumsanhänger, die Deutschnationalen bis hin zu den Nationalsozialisten. Für die ehemalige Residenzstadt Sigmaringen lässt sich als weiteres Problem die Unwilligkeit größerer Teile der Bevölkerung ausmachen, im Sinne des republikanischen Gleichheitsgrundsatzes die für Sigmaringen so vorteilhafte Abhängigkeit vom Hohenzollernhaus in Frage zu stellen. Die Drohungen des Adelshauses, von Sigmaringen wegzuziehen, schienen für Viele angesichts seiner Bedeutung als bei weitem wichtigstem Arbeitgeber und „Wohltäter“ weitaus schwerer zu wiegen als grundsätzliche republikanische Erwägungen.
Die Versetzung des Regierungspräsidenten Alfons Scherer in den einstweiligen Ruhestand durch den preußischen Innenminister Carl Severing (SPD) im Jahre 1931 verdeutlicht schließlich nicht nur die Erfolglosigkeit der Staatsrepräsentanten bei ihren Anstrengungen, sich gegenüber aristokratischen Grundüberzeugungen durchzusetzen. Sie ist auch ein deutliches Zeichen für die Tendenzen der „ungeliebten Republik“ zur Selbstaufgabe in ihrer Endphase.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Tübingen -


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