Die Stuttgarter SMV nach dem Zweiten Weltkrieg: Demokratiebildung am Beispiel der Schülermitverantwortung in Stuttgart

Hintergrund

Bedeutung


Demokratiebildung stellt seit dem Schuljahr 2019/20 eine wichtige Aufgabe sowohl des Fachunterrichts als auch allgemein des Schülerlebens in der Schule dar. Besonders die Stärkung des Vertrauens in politische Institutionen und das Vorgehen gegen Extremismus, Menschen- und Demokratiefeindlichkeit sind Ziele dieser Leitperspektive. Am Beispiel der Einführung und Entwicklung der Schülermitverantwortung nach 1945 soll die Wichtigkeit von Interessen und Beteiligung am politischen aber auch schulischen Geschehen methodisch und inhaltlich erfahren werden.

Nach Kriegsende 1945 waren die Deutschen unter Besatzungsmacht der Siegernationen. Dies galt auch für Stuttgart, das nach einem kurzen Intervall französischer Besatzung von den Amerikanern verwaltet wurde.

Die Amerikaner strebten in ihrer Besatzungszone die Durchsetzung der „Re-education“ an, sie wollten in Bezug auf die Bildungspolitik ein großes politisches Programm, das der besiegten Nation durch Demokratie den Weg in eine bessere Zukunft zeigen sollte. Diese Idee war auf die Überzeugung zurückzuführen, dass der Mensch von Natur aus gut ist und – vom guten Weg abgekommen – durch Erziehung beeinflusst werden kann.

Die Amerikaner strebten eine strukturelle und ideelle Veränderung des Bildungssystems an, wobei die neu zu schaffende Schülermitverwaltung vor allem unter die ideelle Veränderung für das Schulleben fällt. Daneben spielte die Demokratisierung der Lehrbücher, die Entnazifizierung der Lehrer, die Einführung einer Gesamtschule und die Einführung von Austauschprogrammen eine Rolle.

Am 24. Mai 1946 erfolgte der Aufruf an alle höheren Schulen, in den höheren Klassen Vertrauensleute (Klassensprecher) zu wählen, die die Anliegen der eigenen Klasse vertreten sollten. Dieses System sollte in „organischer Form“ aus den jeweiligen Voraussetzungen jeweils erwachsen und wurden von den Amerikanern deswegen bewusst nicht weiter definiert. In der Realität erwuchs in den meisten Schulen Stuttgarts aus der Versammlung der Klassensprecher der Posten des Schulsprechers sowie unterschiedliche Referate, die mit speziellen Aufgaben die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler vertraten. Dabei wurde vor allem der Bereich Kultur und Sport als Einsatzmöglichkeit für Schülerinnen und Schüler erachtet. Auch auf Stadtebene trat ein Gremium bestehend aus Schulsprechern und Stellvertretern zusammen, das für die Schulen der Stadt unter anderem die Wahl eines Vertrauenslehrers an den Schulen sowie eine andere Abwicklung der Schulspeisung erreichen konnte.

Um das Problem der Durchsetzung von Idealen durch eine Militärregierung zu lösen, wurde der Ausweg versucht, den Deutschen selbst ihre eigene Umerziehung anzuvertrauen. Letztlich verzichteten mit dem Beginn des Kalten Krieges, der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und dem Erlass des Besatzungsstatutes die Alliierten auf ihren Handlungsmacht in der Umerziehung – von nun an war Einflussnahme nur noch durch gutes Zureden möglich.

Die demokratische Umerziehung am Beispiel der Schülermitverantwortung kann als zweischneidiges Schwert gesehen werden: In den 1950er Jahren herrschte am Friedrich-Eugens-Gymnasium Verdruss über nicht funktionierende Referate und Strukturen. Gleichzeitig gelang auf Stadtebene den Schulsprechern, die tägliche Schulpolitik (nicht Bildungspolitik) nachhaltig bis heute zu beeinflussen. Insofern konnte das oktroyierte System der Forderung nach dem demokratischen Instrument der Schülermitverwaltung nur insofern erfolgreich sein, als es von den Schülern akzeptiert wurde und in das System Schule eingebettet werden konnte.

Anhand des Aufbaus der Schülermitverwaltung sollen die Schülerinnen und Schüler den schrittweisen Aufbau und den Erfolg von Demokratisierung der Schule untersuchen. Dieses Modul will zeigen, wie die Ideale der Demokratieerziehung mit dem Alltag in Nachkriegsdeutschland, verschiedenen kulturellen Traditionen und gesellschaftlichen Strukturen aneinandergerieten und sich nur zum Teil vereinbaren ließen.

Karikatur über die Aufgaben der Referenten

B 3, Der Kulturreferent, Karikatur aus dem Fege-Feuer, Friedrich-Eugens-Gymnasium

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Stuttgart -


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