„Ich habe noch nie auch nur das leiseste Gefühl gehabt, dass ich mich einmal gegen die Menschenrechte vergangen hätte.“
Der ehemalige Landrat Paul Schraermeyer im Hechinger Deportationsprozess 1947/48

Methodenvorschlag

Didaktische Hinweise


In der ersten Doppelstunde setzen sich die Lernenden mit Argumentationen des angeklagten ehemaligen Landrats Paul Schraermeyer im Hechinger Deportationsprozess von 1947/48 auseinander. Anhand grundlegender Erkenntnisse zum Vorgang der Deportationen einerseits, zum Beitrag Schraermeyers im Rahmen der Verschleppung andererseits versetzen sich die Lernenden in die Rolle des anklagenden Staatsanwalts und entwickeln mögliche Gegenargumentationen. In der sich anschließenden Überprüfung der Stichhaltigkeit der Argumentationen werden die Entlastungsstrategien des Angeklagten demaskiert und beurteilt. Abschließend reflektieren die Lernenden, inwieweit Entlastungsargumentationen auch ein Erklärschlüssel dafür sein können, wie „ganz normale Deutsche“ zu Tätern des „arbeitsteiligen Kollektivverbrechens“ werden konnten.

Die zweite (optionale) Doppelstunde widmet sich der oftmals gescheiterten Strafverfolgung von NS-Tätern, für die der Prozess gegen Paul Schraermeyer ein anschauliches Beispiel sein kann. Anhand der in der ersten Doppelstunde gewonnenen Erkenntnisse sowie der Urteilsbegründung des Schuldspruchs in erster Instanz analysieren die Lernenden die stark exkulpierenden Tendenzen des Freispruchs im Revisionsverfahren. Hierfür versetzen sie sich in die Situation der Überlebenden Selma Weil, die den Prozess durch ihre Anzeige ins Rollen gebracht hatte. Sie schreiben in ihrem Namen einen kritischen Leserbrief gegen den Freispruch.

Anhand des „Falls Schraermeyer“ problematisieren die Lernenden die unzureichende Strafverfolgung von NS-Tätern. Sie setzen die exkulpierenden Tendenzen vor Gericht in Relation zu der auch in der Öffentlichkeit erkennbaren Abneigung gegen eine juristische Aufarbeitung der Verbrechen. In einem abschließenden Transfer fragen sie nach der Langzeitwirkung der mangelnden Aufarbeitung für die bundesrepublikanische Nachkriegsgesellschaft.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -


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