Die Abschiebung der Wimpfener Ortsarmen nach Amerika im Jahr 1854/55 im Spiegel der amerikanischen Presse

Hintergrund

Zeittafel


November 1854
Die Vorbereitungen für die Abschiebungsaktion beginnen. Die Stadt macht den Ortsarmen das „Angebot“, auf Gemeindekosten nach Amerika auszuwandern. Wer sich weigert, wird darüber belehrt, dass die Stadt die Unterstützungszahlungen für bedürftige Mitbürger künftig nicht mehr aufbringen könne. Wimpfen erhält von der hessischen Regierung für die Aktion einen Kredit von 10 000 Gulden.

10.12.1854
Abreise der Ortsarmen von Wimpfen mit einem Raddampfer der Neckar-Dampfschiff-AG Heilbronn. Da sich eine der Betroffenen von Anfang an gegen die Auswanderung sträubt und lautstark protestiert, wird sie einige Tage vor Beginn der Aktion im Wimpfener Gefängnis eingesperrt und kurz vor der Abfahrt von der Polizei aufs Schiff gebracht. Die Bürgerwehr führt weitere Ortsarme, die sich im letzten Moment auszuwandern weigern, mit Gewalt aufs Schiff. Der Agent des Schifffahrtsunternehmens, das mit der Beförderung bis Le Havre beauftragt ist, fährt von Wimpfen an mit.

B 8, Charity-Hospital in New Orleans (um 1859), in dem einige der Wimpfener Abgeschobenen eine Erstversorgung erhielten.

 

14.12.1854
Mit einem Seeküstendampfschiff fahren die Wimpfener durch die Nordsee, die Straße von Dover und den Kanal nach Le Havre. Vorgesehen waren dafür eineinhalb Tage, wegen stürmischer See brauchen sie dreieinhalb Tage und verpassen in Le Havre das vorgesehene Schiff nach New Orleans.

17.12.1854
Der Auswandereragent kommt mit den Auswanderern um 21.00 Uhr in Le Havre an. Während der Aufenthaltszeit bricht eine Empörung wegen der Auszahlung des zu geringen Kopfgeldes aus, bei der sich einer der Auswanderer erfolgreich an den hessischen Konsul in Le Havre wendet. Dieses „Kopfgeld“ steht jedem Auswanderer gesetzlich zu, der dafür auf sein Bürgerrecht und seinen Unterhaltsanspruch im Falle der Not verzichtet hat. Statt jedem einzelnen soll jeder Familie als Startgeld für Amerika zehn Gulden ausgezahlt werden. Gesetzlich vorgesehen sind allerdings zwanzig Gulden pro Person.
In Le Havre wird die 18 jährige ledige Johanne Dengel von einem Töchterchen entbunden, das sogleich getauft wird. Zehn Tage später geht sie mit dem Säugling an Bord des Segelschiffes nach New Orleans.

23.12.1854
Auf den Brief des Agenten Riedel hin beschließt der Gemeinderat, diesen zu ermächtigen, weitere 350 Gulden an die Auswanderer auszuzahlen (Etwa zweieinhalb Gulden pro Auswanderer).

30.12.1854
Abfahrt von Le Havre auf dem Schiff „Republik“ nach New Orleans mit zehntägiger Verspätung.

26.2.1855
Ankunft an der Mississippimündung, wo der Kapitän die Passagiere illegal absetzt, weshalb anschließend ein Verfahren gegen ihn eingeleitet wird. Vermutlich wollte er eine Verzögerung wegen des desolaten Zustands der Passagiere vermeiden.

27.2.1855
Umstieg mit Sack und Pack auf ein amerikanisches Dampfboot, das die Auswanderer nach New Orleans bringt, wo sie um 20 Uhr eintreffen und an Bord übernachten.

28.2.1855
Die Auswanderer steigen in New Orleans aus. („Hier standen wir, verlassen und entblößt von allem.“)
Die Deutsche Gesellschaft von New Orleans kümmert sich um die Auswanderer, organisiert Kleider- und Geldspenden und bringt sie notdürftig in einem Lagerschuppen unter. Einige unter ihnen weist der Amtsarzt in das Charity-Hospital ein.

4.3.1855
Einer der Auswanderer schreibt an seine Freunde und Verwandte in Wimpfen. Die Deutsche Gesellschaft in New Orleans veranlasst, dass der Brief in der Allgemeinen Auswandererzeitung abgedruckt wird.

9.3.1855
Eine Abordnung der Wimpfener führt Beschwerde gegen den Bürgermeister und Gemeinderat von Wimpfen sowie den Auswandereragenten. Vor einem Gericht in New Orleans geben sie eine eidesstattliche Erklärung ab. Das Gericht schickt das Dokument mit einem Beschwerdebrief nach Wimpfen und an die zuständigen Regierungsbehörden.

März 1855
Deutschsprachige Zeitungen in New Orleans wie die „Louisiana Staatszeitung“ berichten über die skandalösen Umstände der Einreise der Wimpfener.

April 1855
Die „Allgemeine Auswanderungs-Zeitung“ berichtet ausführlich über die Reaktionen auf die Abschiebung von Ortsarmen in den Vereinigten Staaten.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -


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