„Hier hört alles Denken und alle Vernunft auf.“ Fritz Blum – Ein Mannheimer Abiturient im Ersten Weltkrieg

Hintergrund

Bedeutung


Der Erste Weltkrieg wurde von dem amerikanischen Diplomaten George F. Kennan als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. John Keagan spricht in seiner Darstellung des Krieges von einer „europäischen Tragödie“, die „so starke politische und rassistische Hassgefühle hinterließ, dass die Ursachen des Zweiten Weltkrieges ohne diese Wurzeln nicht zu verstehen sind.“ In der Rückschau auf das vergangene Jahrhundert eröffnet für Eric Hobsbawn der Erste Weltkrieg „die mörderischste Ära in der überlieferten Geschichte.“ Die traumatischen Folgen dieses Krieges sind vielfach bis heute spürbar und haben auch in zahlreichen Schulen Baden-Württembergs ihre Spuren hinterlassen. Im Lessing-Gymnasium in Mannheim erinnert eine große Gedenktafel in der Eingangshalle an die „im Kampfe fürs Vaterland“ gefallenen Lehrer und Schüler dieser Schule.

 

Gedenktafel Lessing-Gymnasium

B 1 Die Gedenktafel im Lessing-Gymnasium.

„Bei den Bildern, die ich bei Cambrai gesehen habe, als wir in wütendem Handgemenge mit den Engländern begriffen waren, standen mir vor Entsetzen die Haare zu Berg, und ich musste vor Schreck die Augen schließen und zitterte am ganzen Leibe. O Mutter, Mutter, wer jemals solche herzzerreißenden Szenen erlebt hat, vergisst sie nie wieder in seinem ganzen Leben. Ich glaubte, die Berge und Hügel müssten bersten vor solchem unsäglichen Weh und fürchterlichen Elend. Wehe denen, die den Krieg angestiftet haben, wenn der Tag des Gerichts hereinbricht!“

Diese Zeilen stammen aus einem Brief, den Fritz Blum (1897-1918) am 16. Dezember 1917 in Villers-Outréaux an seine Mutter in Mannheim geschrieben hat. Sie geben einen Eindruck von dem Grauen, das der damals Einundzwanzigjährige erleben musste. Fritz Blum war Schüler des Mannheimer Lessing-Gymnasiums und hat dort 1916 sein Abitur gemacht. Sein Vater, Dr. Friedrich Blum, war der erste Direktor des Lessing-Gymnasiums. Er schrieb nach dem frühen Tod seines Sohnes ein Buch über ihn, aus dem der oben zitierte Brief entnommen ist. Bei diesem Buch handelt es sich um ein einzigartiges zeitgeschichtliches Dokument. Darin berichtet Friedrich Blum über das Leben seines Sohnes, er schildert dessen Kindheit und Schulzeit am Lessing-Gymnasium und schließlich dessen Zeit als Soldat an der Westfront.

  

Das Titelbild des Buches über Fritz Blum

B 2 Titelbild des Buches über Fritz Blum.

Eine besonders wertvolle Quelle stellen die Feldpostbriefe Fritz Blums im Anhang des Buches dar. In diesen Briefen wird deutlich, welche Normen und Werte Fritz Blum in seiner Erziehung durch Elternhaus, Kirche und Schule vermittelt bekommen hatte. Auf der Grundlage dieser Werte setzt er sich mit seinen Erlebnissen an der Front auseinander und versucht dem Kampf einen Sinn zu geben. Dabei verändern sich die Briefe im Laufe des Krieges. Sie sind immer stärker geprägt von der Spannung zwischen den eigenen durch die Schulzeit geprägten Bildern und Vorstellungen vom Krieg und der schrecklichen Realität des Frontalltages.

Fritz Blum wurde 1916 sofort nach seinem Abitur eingezogen und kam 1917 an die Front, wo er im März 1918 in der Nähe von Péronne an der Somme starb. Zusammen mit den Namen von 70 weiteren Schülern und neun Lehrern steht sein Name auf der Gedenktafel für die Gefallenen des Lessing-Gymnasiums. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden im ganzen Land unzählige Kriegerdenkmäler und Gedenktafeln aufgestellt. Sie geben Auskunft über den Umgang mit den Folgen des Krieges.

Kaum ein Thema war in der Weimarer Republik so umstritten wie die Erinnerung an das Fronterlebnis. Auf der einen Seite stand eine kleine Gruppe von Kriegsteilnehmern, die versuchte die Erinnerung an die Schrecken des Krieges wach zu halten. Auf der anderen Seite stand die große Mehrheit der ehemaligen Frontsoldaten, die die Erinnerung an das Grauen des Krieges verdrängte und stattdessen die Schützengraben-Gemeinschaft verklärte. Im Sinne von Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ sah man den Krieg nun als Ort heroischer Selbstbewährung. Diese heroische Sicht des Krieges offenbart sich auch in vielen Kriegerdenkmälern. In kaum einem Denkmal wird der Krieg so gekennzeichnet wie er tatsächlich war. Man erfährt nichts über die Leiden der Betroffenen und nichts über die Schuld der Verantwortlichen. Stattdessen werden die Toten zu Helden stilisiert, die für das Vaterland starben. Bedenken wir, „nicht dem leidenden und qualvoll sterbenden Soldaten, nicht dem durch Wehrpflicht zum Waffendienst gezwungenen Mann sind die Kriegerdenkmäler gewidmet, sondern vorrangig sind die Vorstellungen der Denkmalsetzer und -stifter in ihnen aufgehoben, die mit denen der Opfer nur in wenigen Fällen kongruent sind“ (Michael Hütt, S.9).

Diese Ambivalenz von Kriegerdenkmälern macht ihren eigenen Quellenwert aus. Als Quelle können sie im Geschichtsunterricht „besonders gute Dienste bei der Analyse der politischen und religiösen Ideen einer Zeit und den vorherrschenden Denkmustern einer Gesellschaft leisten“ (Gerhard Schneider).


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Mannheim -


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