Erinnerungskultur in der Weimarer Republik: Das Kriegerdenkmal auf dem Reutlinger Friedhof Unter den Linden

Hintergrund

Bedeutung

Lange Zeit sind Kriegerdenkmäler zum Ersten Weltkrieg in erster Linie wirkungsgeschichtlich im Sinne einer Überhöhung des "Opfertods" der gefallenen "Helden" und der "nationalen Kampfgemeinschaft" gedeutet worden. Michaela Stoffels weist dagegen in ihrer Studie über ausgewählte Denkmäler der Weimarer Republik darauf hin, dass "erst wenn man die Perspektive auf die Monumente umkehrt und sie nicht weiter wirkungs-, sondern entstehungsgeschichtlich betrachtet, [...] Risse im vermeintlich nationalistischen Gefallenengedenken sichtbar" werden. (Stoffels (2011), Kriegerdenkmale als Kulturobjekte, S.457) Die in der ersten Doppelstunde zu erarbeitende Entstehungsgeschichte des Kriegerdenkmals Unter den Linden verweist auf unterschiedliche Konzepte der Erinnerungskultur, aber auch auf Sachzwänge im Betrachtungszeitraum der 1920er-Jahre.

Die unmittelbare Rezeptionsgeschichte nach der Einweihung des Denkmals im April 1926 ermöglicht darüber hinaus eine schlaglichtartige Auseinandersetzung mit den Gefährdungen der jungen Demokratie im Kontext des Flaggenstreits. Die Teilnahme des demokratietreuen Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold löste heftige Kritik von nationalen Kreisen aus. Die Frage, wem die Ehrung der Gefallenen zustehe, wurde in Presse und Gemeinderat sehr kontrovers erörtert.

B5 Heldengedenkfeier 1935

B 5 Heldengedenkfeier 1935: Die Frontkämpfer aus dem Ersten Weltkrieg auf dem Reutlinger Marktplatz
© Stadt Reutlingen / Dieses Bild ist von der Lizenz CC-BY 4.0 ausgenommen

Das Thema Rezeptions- bzw. Gedenkkultur lässt sich - anhand der Vertiefungsmaterialien - über die Epochengrenze 1945 hinaus auch für die junge Bundesrepublik behandeln. Bei einem Besuch des Friedhofs, aber auch im Klassenzimmer, erfolgt aber eine individuelle Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit der Erinnerungsstätte, wie sie heute aussieht.

Denkbar ist - noch umfassender - eine Einbettung in eine längsschnittartige Betrachtung der Erinnerungskultur vom Kaiserreich bis in die 1950er-Jahre - mit Bezügen zu unserer heutigen Rezeption der Denkmale. Somit kann auch die im BP explizit geforderte Behandlung des Gedenkens an den Krieg von 1870/71 bzw. die Sedanfeiern (BP 3.2.5) mit Bezügen zum Reutlinger Friedhof geleistet werden - hier findet sich auch ein Obelisk zum deutsch-französischen Krieg von 1870/71.

Friedhof Unter den Linden, Denkmal zum Krieg 1870/71

B 29 Friedhof Unter den Linden, Denkmal zum Krieg 1870/71 © Dr. Ines Mayer (2016)

Schließlich soll das Modul zum Denkmal Unter den Linden Anregungen zur schulischen Behandlung des Themas Gefallenengedenken auch anhand anderer Orte bieten. Auch Besuche von Kriegerdenkmälern am eigenen Schulort können anhand der Materialien geplant werden.

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -

letzte Änderung: 2016-10-04