Bedeutung Militär und Gesellschaft im Kaiserreich 1871 - 1914 am Beispiel Rastatts (mit Exponaten des Wehrgeschichtlichen Museums (WGM) in Rastatt)

Hintergrund

Bedeutung

Das Wehrgeschichtliche Museum in Rastatt bietet in seiner Dauerausstellung eine gute Übersicht über das Kaiserreich und den Ersten Weltkrieg. Ergänzt durch lokalgeschichtliche Beispiele werden die Präsenz des Militärs und die Ausprägungen der Militarisierung der Gesellschaft im Kaiserreich sowie die Durchdringung mit imperialen Ideen deutlich. Gerade in der Verknüpfung mit Ortsarchivalien werden die konkreten Auswirkungen auf das Leben der Menschen spürbar. Das Beispiel Rastatt mit der Nähe zum Hartmannsweilerkopf, aber auch als Lazarettstadt mit Kriegsgefangenenlagern zeigt exemplarisch, wie der Krieg an der Front und in der Heimat erlebt wurde.

Durch die Verknüpfung mit lokalgeschichtlichen Beispielen soll gezeigt werden, dass Rastatt als Garnisonsstadt in mancherlei Hinsicht in besonderem Maße vom Militär geprägt wurde - vor und auch während des Krieges -, aber auch, dass Rastatt in vielen anderen Bereichen exemplarisch für die Zustände im Reich gelten darf. Im Folgenden ein paar Erläuterungen dazu:

Rastatt bot mit seiner untergegangenen Festungsarchitektur eine besondere Ausbildungsmöglichkeit für die in Rastatt stehenden Regimenter. Bis 1890 prägte die Bundesfestung und das bestehende Festungsreglement auch das zivile Leben in Rastatt.

Soldaten üben im Rahmen eines Hindernislaufs innerhalb der Rastatter Festungsmauern an einer Eskaladierwand

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Soldaten üben im Rahmen eines Hindernislaufs innerhalb der Rastatter Festungsmauern an einer Eskaladierwand (Holzwand)
© WGM Rastatt

Zahlreiche Reservistika als Erinnerung an die Militärdienstzeit sind erhalten: Pfeifen, Bilder, Bierkrüge etc. Sie zeugen von einer engen Verbindung zum Militär auch nach Ablauf der Dienstzeit, denn obwohl die Erinnerungsstücke teuer waren, wurden sie in großer Zahl erworben. Die Reservistenkrüge standen oft in der Stammkneipe, wo man gemeinsam mit anderen ehemaligen und aktiven Soldaten der "alten Zeiten" gedachte.

Militärvereine, die gezielt die Verbindung der Soldaten untereinander pflegten, aber auch die Errichtung von Kriegsdenkmälern vorantrieben, waren feste Institutionen in der Kaiserzeit, die vom Kaiser wegen ihrer großen Treue zu Kaiser und Nation unterstützt wurden. Ein Einblick in das Handbuch der Badischen Militärvereine zeigt auch, dass sie zwar offiziell politisch nicht aktiv waren, wohl aber Sozialdemokraten von der Mitgliedschaft ausgeschlossen waren.

Das Kriegerdenkmal in Rastatt, Errichtung 1902 initiiert vom Militärverein

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Das Kriegerdenkmal in Rastatt, Errichtung 1902 initiiert vom Militärverein
© WGM Rastatt

Um die Jugend möglichst früh für Militär, Nation und Kaiser zu begeistern, wurden Kinderbücher, Geschirr und Mode in den Dienst der Propaganda gestellt. Die Beschäftigung mit Militärischem war selbstverständlich - nicht nur in Deutschland. In der Schule wurden die Kinder beispielweise durch Exkursionen nach Kiel - finanziert von den örtlichen Flottenvereinen - oder mit Besuchen von Museen auf die Flottenpolitik eingestimmt. Beispiele aus Rastatt und Karlsruhe zeigen dies exemplarisch sehr deutlich.

Die Propaganda wurde einerseits durch den Staat vorangetrieben und finanziert, beispielweise beim Druck der Schulbücher, andererseits aber auch von privater Seite. Die Matrosenanzüge für Kinder beispielsweise sind von der Firma Bleyle in Stuttgart hergestellt worden und wurden zum Verkaufsschlager. Die Struwwelpeter-Varianten sind Werke verschiedender Autoren, die darin ihre "Ideale" zum Ausdruck brachten. Man kann daran ablesen, dass die staatliche Propagande und politischen Richtlinien auf fruchbaren Boden stießen und bereitwillig aufgegriffen wurden.

Ein patriotischer Kinderteller um 1900

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Ein patriotischer Kinderteller um 1900
© WGM Rastatt

Wie nahmen Rastatter Bürger Kolonialpolitik wahr? Durchreisende Truppen nach China wurden am Bahnhof begrüßt und versorgt, in Kolonialwarenläden kaufte man überseeische Waren, wie Lebens- und Genussmittel, aus den Kolonien und Reservistenbilder erinnerten an die Dienstzeit in Tsingtau. Ein Gernsbacher Stadtvikar ging als Missionar nach Tsingtau und geriet mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft. Das heißt die Kolonialpolitik hinterließ auch in kleineren Städten wie Rastatt Spuren und sorgte bestimmt für Gesprächsstoff.

Bild des Missionars Wilhelm Seifert

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Bild des Missionars Wilhelm Seifert an der deutsch-chinesischen Schule der Mission.
© wikipedia (Bundesarchiv, Bild 137-032803 / CC-BY-SA-3.0)

Das Leben der Soldaten, die in Rastatt stationiert waren und nun in den Krieg zogen, veränderte sich mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, desgleichen das Leben in der Heimat. In vielen Bereichen wurden die Menschen mit dem Widerspruch zwischen dem propagierten Bild des Krieges und der Realität konfrontiert.

Das Thema Heimatfront kann man an ganz unterschiedlichen Beispielen aufgreifen:
Gleich zu Kriegsbeginn 1914 wurden Schüler aufgerufen, mit Arbeitseinsätzen dem Land zu dienen, Fabriken suchten Ersatz für die eingezogenen Mitarbeiter und schnell wurde auch klar, dass der eine oder andere der Verdächtigung zu spionieren durchaus vehement entgegentreten musste.

Schüler des Ludwig-Wilhelm-Gymnasiums werden aufgerufen, sich als Erntehelfer zu melden

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Schüler des Ludwig-Wilhelm-Gymnasiums werden aufgerufen, sich als Erntehelfer zu melden.
© Stadtarchiv Rastatt

Rastatt war Lazarettstadt: Zahlreiche Kriegsverwundete wurden hier versorgt und prägten damit auch die Eindrücke vom Krieg, die doch ganz andere waren, als die propagierten. Rastatter Bürger waren im Sanitätsdienst tätig und kümmerten sich um Transport und Versorgung der Verletzten.

BDas Rote Kreuz empfängt die Verletzten am Rastatter Bahnhof und verteilt sie auf die Lazarette

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Das Rote Kreuz empfängt die Verletzten am Rastatter Bahnhof und verteilt sie auf die Lazarette.
© Stadtarchiv Rastatt

Rastatt hatte diverse Kriegsgefangenenlager und Zivilistenlager, u.a. ein Ukrainerlager. Gefangene Ukrainer sollten für spätere Zeiten für den Kampf gegen Russland geworben werden, deshalb bot man ihnen bessere Lagerbedingungen, sie wurden aber auch zu Arbeiten in der Stadt herangezogen, beispielsweise zu Einebnungsarbeiten der alten Bastion und Straßenarbeiten. Die Bewohner Rastatts hatten also durchaus Kontakte mit den Gefangenen. Man ging beispielsweise auch im Laden des Ukrainerlagers einkaufen.

In den Lagern herrschten zwar auch unhygienische Zustände und Hunger, aber man kann den Quellen entnehmen, dass die Gefangenen - anders als im Zweiten Weltkrieg - wohl größtenteils gut behandelt wurden. Zum Dienstjubiläum eines Lagerkommandanten gab es sogar ein Konzert der französischen Gefangenen und ein kleines Präsent für den Jubilar.

Einträge im Gästebuch des Hotels

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Einträge im Gästebuch des Hotels "Goldenes Kreuz" in Rastatt vom 15.1.1919
© Stadtarchiv Rastatt

An diesen Beispielen wird deutlich, dass der Krieg die Heimat in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen durchaus sehr prägte.

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -

letzte Änderung: 2016-09-11