Der Geschichtsort „Hotel Silber“: Ausgrenzung und Verfolgung am Beispiel der Gestapo-Zentrale in Stuttgart

Hintergrund

Zeittafel


1874 bis 1919
Heinrich Silber erwarb das Gasthaus „Zum Bayerischen Hof“ und gab diesem seinen Namen. Als repräsentatives Gebäude gehörte das Hotel zu den ersten Adressen in Stuttgart, insbesondere nach der Erweiterung durch seinen Nachfolger und der Neugestaltung der Außenfassade im Neorenaissance-Stil 1913.

1919 - 1928
Das von der württembergischen Staatsfinanzverwaltung gekaufte Gebäude dient als Oberpostdirektion der Deutschen Reichspost.

1928
Einzug des Stuttgarter Polizeipräsidiums inklusive der Abteilung der Politischen Polizei.Diese Abteilung beobachtete und überwachte mit modernen kriminaltechnischen Mitteln Vereine, Parteien und einzelne Personen, die sie als potentiell staatsfeindlich ansah. Dazu gehörte insbsondere die KPD, aber auch ab 1923 die NSDAP. Gegen Ende der Weimarer Republik wurde die politische Unparteilichkeit der Politischen Polizei immer wieder bestritten, insbesondere von KPD, SPD und DDP. Für einzelne Beamte der Abteilung ist nachgewiesen, dass sie aus politischer Sympathie mit rechten Gruppen diese schonten oder gar informierten.

Schutzpolizisten sowie SA- und SS-Männer vor dem Eingang zum Hotel Silber, März 1933

 

Ab November 1933 - 1944

Die personell auf 200 Mitarbeiter verdreifachte und 1936 in Geheime Staatspolizei unbenannte Politische Polizei nutzte nun das Gebäude alleine. Unter der Leitung von Hermann Mattheiß setzte sie die sogenannte "Reichstagsbrandverordnung" konkret um: politische Gegner wurden verfolgt und in „Schutzhaft“ genommen. Dafür wurde bei Stetten am kalten Markt mit dem Lager Heuberg ein Schutzhaftlager errichtet, das der Politischen Polizei unterstand.

Kriminalbeamte begutachten einen anti-nationalsozialistischen Kreideschriftzug auf der Landstraße zwischen Ludwigsburg und Beihingen-Heutingsheim, August 1942

1936

Auf Anordnung von Heinrich Himmler wurden alle Dienststellen der Politischen Polizei im Reich in Geheime Staatspolizei umbenannt und nun direkt dem Reichssicherheitshauptamt in Berlin unterstellt.

Die Gestapo wirkte maßgeblich bei der Bekämpfung der Gegner des Nationalsozialismus sowie bei der Überwachung und Verfolgung der aus der propagierten "Volksgemeinschaft" Ausgestoßenen mit. Durch die Durchführung und Organisation der Deportationen der Sinti und Roma sowie der württembergischen Juden ab 1941 war die Stapo als zentraler Akteur am Völkermord beteiligt.

Führende Stuttgarter Gestapo-Beamte wie der ehemalige Leiter der Zentrale im Hotel Silber, Dr. Walter Stahlecker, führten mit Einsatzgruppen Massenerschießungen im Baltikum und der Ukraine durch.

Karte aus einem Bericht der Einsatzgruppe A für den Zeitraum 15. Oktober 1941 bis 31. Januar 1942

 

12. und 13. September 1944
Teilweise Zerstörung des Gebäudes bei einem alliierten Luftangriff, Verlegung der Zentrale in das "Eduard-Pfeifer-Haus".

Mai 1945
Umzug des neuen Stuttgarter Polizeipräsidiums in die erhalten gebliebene Hälfte des Hotel Silber. Es bleibt bis 1984 Polizeidienststelle.

2008
Eine Bürgerinitiative gründete sich mit dem Ziel, den im Rahmen eines Bebauungsplans vorgesehenen Abriss des Hotel Silber zu verhindern.

2010
Die Landesregierung bewilligte Mittel für die Erforschung der Geschichte des Hotel Silber und der Gestapo in Württemberg-Hohenzollern.

2011
Die neue grün-rote Landesregierung entschied sich für den Erhalt des Hotel Silber.

2018
Eröffnung des Hotel Silber als "Ort des historisch-politischen Lernens und der Begegnung".

 


- Kompetenzzentrum für Geschichtliche Landeskunde im Unterricht -