„…bis auf weiteres verboten!“ Die „Gleichschaltung“ der Presse in Offenburg

Autor: Florian Hellberg

Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Freiburg


Verleger Adolf Geck

B 1 Fotografie des Offenburger Verlegers (des sozialdemokratischen Wochenblattes „D’r alt Offeburger“) Adolf Geck

Kurzbeschreibung des Moduls:

Das binnendifferenzierte Modul für zwei Unterrichtsstunden richtet sich in erster Linie an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I. Es werden Materialien für das G-, M- und E-Niveau bereitgestellt. Anhand des vorliegenden Moduls lässt sich der Prozess der „Gleichschaltung“ der liberalen Presse in Offenburg darstellen. Insbesondere am Beispiel der „Offenburger Zeitung“, des „Offenburger Tageblatts“ und des Wochenblattes „D’r alt Offeburger“ analysieren die Schülerinnen und Schüler die Vielstimmigkeit der Presseberichterstattung in der Ortenau in den Wochen unmittelbar vor (am regionalgeschichtlichen Beispiel der Saalschlacht vom 21. Januar 1933) und nach der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten. Gerade im Zeitraum vom 30. Januar 1933 bis zum Druck der letzten Ausgabe („Verbotsausgabe“) der sozialdemokratischen Zeitung „D’r alt Offeburger“ am 18. März 1933 äußerten sich Oppositionelle, wie der Offenburger Verleger Adolf Geck, noch höchst kritisch, in Teilen spöttisch, zum tagespolitischen Geschehen. In einer optionalen Vertiefung  kann die „Gleichschaltung“ der Presse in Offenburg mit dem 65 Kilometer südlich von Offenburg gelegenen Freiburg im Breisgau verglichen werden. Empfehlenswert ist, dass die Schülerinnen und Schüler bereits im Vorfeld Kenntnisse zur „Machtergreifung“ erworben haben.    


Hintergrund

Unmittelbar nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 wurden sukzessive die Freiheitsrechte der Medien in Deutschland beschnitten und „gleichgeschaltet“. Wenige Tage nach der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten ermöglichte die Notverordnung vom 4. Februar „zum Schutze des Deutschen Volkes“ massive Einschränkungen der Versammlungs- und Pressefreiheit. Wenige Wochen später führte die sogenannte Reichstagsbrandverordnung am 28. Februar zur Aufhebung der in der Weimarer Verfassung fest verankerten Pressefreiheit, bevor es am 23. März durch das sogenannte Ermächtigungsgesetz der Reichsregierung fortan möglich war, Gesetze ohne das Parlament zu erlassen. Die letzte Etappe zur Nazifizierung und „Gleichschaltung“ der Presse in Deutschland stellte das „Schriftleitergesetz“ vom 4. Oktober dar, welches staatlich regelte, wer für die Öffentlichkeit schreiben und publizieren durfte.

Die Bevölkerung Offenburgs betrug im Jahr 1925 knapp 17.000 Einwohner und war in der Mehrzahl (73,9%) katholisch. Mit der „Offenburger Zeitung“ war in der Hochburg des politischen Katholizismus auch das führende Blatt Mittelbadens ansässig. Mit dem liberalen „Offenburger Tageblatt“ und dem sozialdemokratischen „D’r alt Offeburger“ besaß die Ortenaumetropole in der Weimarer Republik eine politisch vielfältige Presselandschaft.

Wie vielstimmig dort politisch bis unmittelbar kurz vor der „Machtergreifung“ noch über das Tagesgeschehen berichtet wurde, zeigt sich beispielsweise an der bis dato schwersten Saalschlacht zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten im Dreikönigssaal in Offenburg am 20. Januar 1933. Im Verlauf dieser Massenschlägerei wurden 40 Personen zum Teil schwer verletzt. Die örtliche Sicherheitspolizei räumte schließlich die Kundgebung. Unmittelbar im Anschluss berichtete „D’r alt Offeburger“ spöttisch über die Veranstaltung von einer ersten „Kostprobe der Hakenkreuzkultur des 3. Reiches“. Im „Offenburger Tageblatt“ hingegen wurden sowohl ein Schreiben der örtlichen NSDAP als auch der Kommunistischen Partei zu den Vorkommnissen am Vorabend gedruckt.

Gerade das sozialdemokratische Wochenblatt „D’r alt Offeburger“, seit 1899 von Adolf Geck verlegt, wurde wenige Monate nach der „Machtergreifung“, am 18. März 1933, durch die Nationalsozialisten verboten. Bis zur sogenannten Verbotsausgabe am 18. März war „D’r alt Offeburger“ weiter Sprachrohr oppositioneller Stimmen, die sich beißend ironisch, gar spöttisch zum politischen Geschehen in Deutschland und zur neuen Reichsregierung mit Reichskanzler Adolf Hitler äußerten. Aber auch über lokale Ereignisse, wie das symbolische Hissen der Hakenkreuzfahne am Rathaus Offenburgs, wurde am 11. März, eine Woche vor dem Verbot der Zeitung, berichtet.

Bedeutung

Die Presse und ihre Erzeugnisse haben im Geschichtsunterricht einen enormen Wert, da sie auf der einen Seite eine unersetzliche Quelle für die öffentliche Darstellung historischer Ereignisse und somit das Denken und die Sprache in ihrer Zeit darstellen. Sie versetzen uns besser als viele anderen Quellen in die Lage historischer Zeitgenossen, da sie über das berichteten, was von allgemeinem Interesse war. Sie ermöglichen es uns nachzuvollziehen, in welcher Informationslage und Wahrnehmungsperspektive sich zeitgenössische Leserinnen und Leser befanden. Auf der anderen Seite sind Journalisten und ihre Texterzeugnisse nicht nur Chronisten ihrer Zeit, sondern auch Protagonisten und meinungsbildend tätig. Denn Zeitungen können Sprachrohr unterschiedlicher Richtungen, Meinungen und Stimmungen vor allem in politischen Umbruchsituationen sein und nehmen aus ihrer jeweiligen Position Stellung zu wichtigen politischen Ereignissen und Konflikten. Insbesondere die politische Presse bezieht oftmals eindeutig Positionen, für die sie bei ihren Leserinnen und Leser wirbt und in deren Sinne sie versucht, öffentlich Einfluss zu nehmen. Zeitungen erscheinen täglich, manchmal wöchentlich und zur Zeit der Weimarer Republik, der „Hoch-Zeit“ der Massen- und Meinungspresse, erschienen sie stellenweise auch mehrmals am Tag.


Verlaufsplan und Materialien

Zeit/
Phase
Inhalte/
methodische Hinweise
Material
G M E (G8/G9)
Doppelstunde
 Einstieg Im Einstieg (G-/M-E-Niveau) bilden die Schülerinnen und Schüler über einen Bildimpuls (B2) Hypothesen zu den möglichen Ursachen des Verbots der Zeitschrift. Im gemeinsamen Unterrichtsgespräch sollte auch der Zeitpunkt des Verbotes, am 18. März 1933, und somit wenige Wochen nach der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten Bezug genommen werden. 

B 2 

B 2  B 2 
 Erarbeitung 1 Im Anschluss daran erfolgt die erste Erarbeitungsphase (G-/M-E-Niveau), in welcher die Schülerinnen und Schüler entweder arbeitsteilig oder eigenständig differenzierend an drei Artikeln die vielstimmige und multiperspektivisch Presseberichterstattung wenige Tage vor der „Machtergreifung“ am lokalgeschichtlichen Beispiel (der Saalschlacht zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten in Offenburg am 20. Januar 1933) untersuchen (AB1). AB 1  

 AB 1 

B 3

AB 1 

B 3

 Erarbeitung 2

Die zweite Erarbeitungsphase (G-/M-E-Niveau) setzt den zeitlichen Schwerpunkt auf die Wochen unmittelbar nach der „Machtergreifung“ am Beispiel von zwei Auszügen aus dem sozialdemokratischen Wochenblatt „D’r alt Offeburger“. Als Differenzierungsmöglichkeit insbesondere für das E-Niveau kann die gewählte Sprache (zynisch, spöttisch) Teil der Analyse sein.

AB 2   AB 2  AB 2 
Erarbeitung 3

In einer Vertiefungsphase für das M- und besonders das E-Niveau (oder als Erarbeitungsphase für die Sekundarstufe II) kann arbeitsteilig die „Gleichschaltung“ der liberalen Presse in Offenburg aspektorientiert mit Freiburg im Breisgau verglichen werden. Ebenso ist hier ein Einbezug von frei online zugänglichen digitalen Artikeln aus der Freiburger Zeitung [uni-freiburg.de] möglich. Eine weitere Möglichkeit der Vertiefung bietet das Modul von Rainer Sammet zur "Zerstörung der Weimarer Demokratie und die Herrschaft der Nationalsozialisten im Spiegel der 'Freiburger Zeitung'", das ebenfalls im Fachportal Landeskunde auf dem Landesbildungsserver publiziert ist.  

  AB 3  AB 3 

Die Beschreibung der Dateien und Angaben zu Dateiart und -größe finden Sie unten bei "Materialien und Medien"


Didaktische Hinweise und Bildungsplanbezug

Standardstufe: Sek. I Sek. II


Inhaltbezogene Kompetenzen:

Die Schülerinnen und Schüler können
(2) Mittel der Machtübernahme analysieren und bewerten ("Gleichschaltung")


Prozessbezogene Kompetenzen:

nachvollziehe2.2 Methodenkompetenz:

2. unterschiedliche Materialien (Texte) auch unter Einbezug digitaler Medien analysieren

Reflexionskompetenz:

7. Auswirkungen von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen auf die Lebens- und Erfahrungswelt der Menschen erläutern

Sachkompetenz:

7. regionalgeschichtliche Beispiele in übergeordnete historische Zusammenhänge einordnen


Leitperspektive

Medienbildung (MB)


Der Bildungsplan ist nicht unter CC veröffentlicht: (C) Bildungsplanplattform Baden-Württemberg

Materialien und Medien

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B 1 (jpg; 5,3 MB) Fotografie: Adolf Geck

B 2 (jpg; 0,1 MB) Cover: "'D'r alt Offeburger" 18.3.1933

B 3 (jpg; 0,8 MB) Zeichnung: Saalschlacht im Dreikönigssaal im Januar 1933

Die Bilder B1 - B3 sind von jeder CC-Lizenz ausgenommen.

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AB 1 (pdf; 229 KB) Pressespiegel Offenburger Saalschlacht 

AB 2 (pdf; 203 KB) Zeitungsartikel aus "D'r alt Offeburger"

AB 3 (pdf; 214 KB) Historikertext zur "Gleichschaltung" der Presse in Südbaden


Literatur

Dittler, Erwin: Adolf Geck (1854–1942). Ein Offenburger Sozialdemokrat in der Weimarer Republik, in: Die Ortenau 63 (1983), S. 234–273.

Dussel, Konrad: Die Nazifizierung der deutschen Presse. Eine Fallstudie am Beispiel der Presse Badens 1932 bis 1944, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 161 (2013), S. 427–456.

Ders.: Wie erfolgreich war die nationalsozialistische Presselenkung?, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 4 (2010), S. 543–561.

Scholtyseck, Joachim: Offenburg in den Jahren des „Dritten Reiches“, in: Eisele, Klaus / Ders. (Hg.): Offenburg 1919–1949. Zwischen Demokratie und Diktatur, Konstanz 2004, S. 239–321.


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