"Geschichte ganz nah" - Der Gedenkstättenverbund Südlicher Oberrhein im Spiegel der Geschichtsdokumentation

Hintergrund

Bedeutung


Gedenkstättenverbund Südlicher Oberrhein
Der Gedenkstättenverbund Südlicher Oberrhein umfasst gegenwärtig sechs Gedenkstätten in Breisach am Rhein (Das Blaue Haus), Emmendingen (Jüdisches Museum), Haslach (Gedenkstätte Vulkan), Kippenheim (Ehemalige Synagoge), Offenburg (Erinnerungsstätte Salmen) und Sulzburg (Ehemalige Synagoge), die aus bürgerschaftlichem und kommunalem Engagement heraus entstanden sind und sich mit dem jüdischen Leben und den Verbrechen der NS-Diktatur am südlichen Oberrhein auseinandersetzen.


B 1  Gedenkstättenverbund Südlicher Oberrhein

Die musealen (wie beispielsweise eine Dauerausstellung zum sogenannten Ortenauer Landjudentum in den Räumlichkeiten der ehemaligen Synagoge Kippenheim) und pädagogischen Angebote (wie Führungen) der Gedenkstätten werden ergänzt durch äußerst vielfältige Erinnerungskultur im digitalen Raum.


Weg des Erinnerns – Haslach
Der Jugendarbeitskreis der Gedenkstätte Vulkan und die Geschichtswerkstatt des Robert-Gerwig-Gymnasiums Hausach erstellten den vollständig online frei zugänglichen audio-visuellen „Weg des Erinnerns“ (2012). An insgesamt sechs Stationen kann den Spuren von mehr als 1700 Häftlingen gefolgt werden, die in der Endphase des Zweiten Weltkrieges von September 1944 bis April 1945 in den drei ehemaligen Außenlagern in Haslach (wovon das Außenlager Sportplatz dem KZ Natzweiler-Struthof und die Lager Vulkan und Kinzigdamm dem Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck unterstanden) gefangen gehalten wurden und im nahe gelgenengen Bergwerkstollen Vulkan Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie des Deutschen Reiches verrichten mussten.
„Geschichte ganz nah“ – Geschichtsdokumentation


Die Filmemacherin Daniela Schaffart produzierte im Rahmen ihrer Masterthesis im Studiengang Medien in der Bildung an der PH Freiburg/HS Offenburg im Jahr 2014 eine Geschichtsdokumentation, der die übergreifende Leitfrage zugrunde liegt, wie es gelingen könnte, die Gedenkstätten des Südlichen Oberrheins in einer Geschichtsdokumentation „für eine junge Zielgruppe spannend [zu] vermitteln“ (Schaffart 2014). Die Dokumentation ist frei online zugänglich (Gesamtlänge 10:30 Minuten) und beinhaltet in ihrer Extended Version (DVD-Version) (Gesamtlänge 31:24 Minuten) in erster Linie umfassendere Darstellungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.


Die aus Gegenbach stammende Dokumentarfilmerin passiert zu Beginn der Rahmenhandlung des Films zufällig mit ihrem Fahrrad ein Schild am Kinzigdamm, das an ein ehemaliges Arbeitslager in ihrer Heimat erinnert. Motiviert, mehr über die Geschichte ihrer Heimat zu erfahren, werden in der Binnenhandlung die insgesamt sechs Gedenkstätten des Südlichen Oberrheins vorgestellt. Unter Einbezug der Erinnerungskulturen an die Zeit des Nationalsozialismus in Gegenbach schließt der Dokumentarfilm in der Extended Version mit sehr persönlichen Reflexionen der Dokumentarfilmerin, die  für einen „bewussten Umgang mit der Vergangenheit“ appelliert, um „die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten“.


Zeitzeugenaussagen: Quelle oder Darstellung?
Christiane Bertram, langjährige Gymnasiallehrerin und gegenwärtig Juniorprofessorin an der Universität Konstanz, fasst in ihrer Dissertation zu „Zeitzeugen im Geschichtsunterricht“ (2016) die jüngste geschichtswissenschaftliche und geschichtsdidaktische Debatte, ob Zeitzeuginnen und Zeitzeugen als Quelle oder Darstellung zu betrachten sind, prägnant zusammen:
„Die Zeitzeugenaussage wird als ein Selbstzeugnis verstanden, das auf die Vergangenheit zurückblickt und mit einer Tradierungsabsicht verbunden ist […]. Die Erfahrungen sind vergangen und können als eine Quelle betrachtet werden, während die Jahre später innerhalb eines Interviews getätigten Aussagen als eine Darstellung (= Narration) verstanden werden kann, in die auch später gewonnene Informationen wie auch nachträgliche Deutungen und Sinnbildungen einfließen (Borries, 2010; Schreiber & Árkossy, 2009). Lernenden, die mit einem Zeitzeugen live arbeiten, kann dieses Changieren zwischen Darstellung und Quelle anschaulich vermittelt werden, denn die Zeitzeugen erzählen in der Gegenwart eine Geschichte über die Vergangenheit. Daher kann anhand einer Zeitzeugenaussage die Unterscheidung zwischen Vergangenheit und Geschichte wie auch zwischen Quelle und Darstellung erarbeitet werden.“
Christiane Bertram: Zeitzeugen im Geschichtsunterricht. Chance oder Risiko für historisches Lernen? Eine randomisierte Interventionsstudie (= Geschichtsunterricht erforschen 6), Schwalbach/Ts. 2016, S. 27.

Einsatz von Live-Zeitzeugenaussagen in der Diskussion
Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden Schülerinnen und Schülern in der Regel entweder live (unmittelbar), in Form von videografierten Interviews, Audiomitschnitten oder in Textform (mittelbar) präsentiert. Über die Wirksamkeit der Arbeit mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen (live, Video, Text) im Geschichtsunterricht und der Frage, ob aus geschichtsdidaktischer Perspektive unmittelbaren oder mittelbaren Zeitzeugenaussagen der Vorrang im Unterricht einzuräumen ist, bietet der folgende Auszug aus dem Ergebnis der Untersuchung Christiane Bertrams (2016) eine Orientierung. (D 1 Zeitzeugen im Geschichtsunterricht)


 - Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -