Die Zerstörung der Weimarer Demokratie und die Herrschaft der Nationalsozialisten im Spiegel der Freiburger Zeitung

Hintergrund

Zeittafel

Die Freiburger Zeitung

Die erste Ausgabe der Freyburgerzeitung erschien Anfang 1784.

 

'Freiburger Zeitung', 3.01.1784
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Mit der Ausgabe vom 27./28. Februar 1943 stellte die Freiburger Zeitung ihr Erscheinen ein. In dem Durchhalteartikel auf der Titelseite bezeichnete Hauptschriftleiter Armin Peez die Einstellung der Zeitung als "ein sehr schweres, ein hartes Opfer [...] um alles zu gewinnen". Sich und seine Kollegen verglich er mit einem Soldaten, "der zu seiner Heimat zurückschaut, die letzte Entschlossenheit im Antlitz, der größeren Heimat jedes Opfer freudig zu bringen".
In dem Aufruf "An unsere Leser!" begründeten "Verlag und Schriftleitung" diesen Schritt - vier Wochen nach dem Untergang der 6. Armee in Stalingrad (vgl. Baustein 4) - mit den "Erfordernisse[n] des totalen Krieges". Den Leserinnen und Lesern wurde stattdessen der nationalsozialistische Alemanne angetragen, der fortan "geliefert wird, ohne dass es einer besonderen Bestellung bedarf".
Im Juni 1943 ordnete der badische Finanz- und Wirtschaftsminister Walter Köhler auch die Schließung des Verlags der Freiburger Zeitung an. Der einstige Fraktionsvorsitzende der NSDAP im badischen Landtag war im Mai 1933 von Gauleiter und Reichsstatthalter Robert Wagner in Personalunion als Ministerpräsident, Finanz- und Wirtschaftsminister eingesetzt worden.

 

'Freiburger Zeitung', 27./28.02.1943
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In den 1980er Jahren wurden alle Ausgaben der Freiburger Zeitung von der Universitätsbibliothek Freiburg auf Mikrofilm übertragen. Ab 2000 wurde diese Mikrofilmvorlage digitalisiert und online zugänglich gemacht.

 

Baustein 1: Präsidialkabinette

17. Juli 1930 (Erstes Morgenblatt): Schlagzeile der Freiburger Zeitung zur Ablehnung einer Vorlage von Reichskanzler Heinrich Brüning, der über keine Mehrheit im Reichstag verfügte.

 

'Freiburger Zeitung', 17.07.1930 (Erstes Morgenblatt)
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18. Juli 1930 (Erstes Abendblatt): Nachdem der Reichstag die Aufhebung von Brünings Notverordnungen erzwungen hatte, löste dieser das Parlament auf.

 

'Freiburger Zeitung', 18.07.1930 (Erstes Abendblatt)
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Am 16. September 1930 (Erstes Morgenblatt) lautete die Schlagzeile der Freiburger Zeitung: "Verworrene Mehrheitsverhältnisse im neuen Reichstag". Darunter fragte sie nach der Bedeutung der Wahlen "für eine Regierungsbildung auf parlamentarischer Grundlage". Eine neue "Regierung Brüning" hatte auch jetzt keine Mehrheit.
Die Freiburger Zeitung zeigte auf der gleichen Seite neun theoretisch denkbare, praktisch aber kaum mögliche "Kombinationsmöglichkeiten" für eine parlamentarische Regierungskoalition auf - von denen jedoch nur vier über eine Mehrheit verfügt hätten, darunter eine Kooperation von SPD und KPD ("Sozialistenblock"). Die "Kombinationsmöglichkeiten" illustrieren die Schwierigkeiten, in der Endphase der Weimarer Republik eine arbeitsfähige parlamentarische Regierung zu bilden.

'Freiburger Zeitung', 16.09.1930 (Erstes Morgenblatt)
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Baustein 2: Die Hakenkreuzfahne am Freiburger Rathaus

Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 errangen die NSDAP und die 'Kampffront Schwarz-Weiß-Rot' - ein Wahlbündnis von DNVP und Stahlhelm - zusammen 340 von 647 Sitzen und damit die absolute Mehrheit.

 

'Freiburger Zeitung', 6.03.1933 (Erstes Blatt)
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6. März 1933: Am Freiburger Rathaus weht - zwischen den Fahnen von Stadt und Land - die Parteifahne der NSDAP. Bei den vor dem Rathaus angetretenen Uniformierten handelt es sich offensichtlich um Angehörige der SA beziehungsweise anderer NS-Formationen. Die Aufnahme illustriert neben der Besitzergreifung staatlicher Institutionen durch die Nationalsozialisten das Drohpotential, das ihre uniformierten Formationen darstellten.

  

Stadtarchiv Freiburg, M 7092-6
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7. März 1933: Die Freiburger Zeitung verfügt zu diesem Zeitpunkt noch über genügend Spielraum, um einen Artikel zu drucken, in dem es heißt: "Das Staatsministerium hat durch Vermittlung des Innenministeriums an sämtliche staatliche Behörden folgenden Funkspruch erlassen: Beflaggung staatlicher Dienstgebäude mit Parteifahnen ist verboten. Wo durch Ueberrumpelung Beflaggung erfolgt ist, sind Parteifahnen zu entfernen."

Die mutmaßlich mit dem Funkspruch der badischen Regierung in Zusammenhang stehende "Einholung der Hakenkreuzfahne in Freiburg", über die in der gleichen Ausgabe berichtet wurde, war eines der letzten Lebenszeichen demokratischer Institutionen - am 13. März berichtete die Freiburger Zeitung von der "Ubernahme [sic] der gesamten Regierungsgewalt in Baden durch Reichskommissar Robert Wagner".

Die 'Gleichschaltung' betraf auch die Presse - drei Tage danach erhielt die Freiburger Zeitung eine förmliche "Verwarnung" auf der Grundlage der Notverordnung "zum Schutze des deutschen Volkes" vom 4. Februar, weil sie sich in einem Leitartikel kritisch über die neuen Machthaber geäußert hatte (vgl. Baustein 3). 

  

'Freiburger Zeitung', 7.03.1933 (Erstes Blatt)
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Baustein 3: Das Ende der Pressefreiheit

Am 6. Februar 1933 berichtete die Freiburger Zeitung über die am gleichen Tag veröffentlichte 'Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes', die zwei Tage zuvor ausgestellt worden war. Die darin enthaltenen "Beschränkungen des Versammlungs- und Presserechts" wurden in dem von 'Wolffs Telegraphischem Bureau' (WTB) übernommenen Artikel verständnisvoll kommentiert: "Vor allem in der Presse der Linken" seien "in den letzten Tagen unerhörte Beschimpfungen und Beleidigungen erhoben worden, die eine Regierung, die auf Autorität hält, sich nicht gefallen lassen kann". Ferner seien Gerüchte verbreitet worden, "die keinerlei Unterlagen besaßen".

  

'Freiburger Zeitung', 6.02.1933 (Erstes Blatt)
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Keine sechs Wochen später wurde die Freiburger Zeitung selbst Opfer der Notverordnung von Anfang Februar: Am 16. März musste sie eine von Reichskommissar Robert Wagner veranlasste und von der Polizeidirektion Freiburg erteilte Verwarnung abdrucken, weil die Redaktion zwei Tage zuvor deutliche, Kritik an den neuen Machthabern zum Ausdruck gebracht hatte. Im Wiederholungsfall wurde, auf der Grundlage der Notverordnung von Anfang Februar, "ein Verbot der Zeitung" angedroht.

  

'Freiburger Zeitung', 16.03.1933 (Zweites Abendblatt)
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Dennoch brachte die Freiburger Zeitung am 26. März 1933 in ihrer Sonntagsbeilage einen bemerkenswerten, ganzseitigen Beitrag von Alfons Duttlinger, der sich unter dem Titel "Wege zur Menschlichkeit" vordergründig mit dem Tierschutz beschäftigte, aber auch als Protest gegen die Nationalsozialisten gelesen werden kann. Sätze wie der folgende jedenfalls lassen sich ohne Weiteres auch auf deren gewalttätiges Vorgehen gegen politische Gegner beziehen: "Leidenschaft und Verrohung aber sind keine männlichen Tugenden!"

 

Baustein 4: Stalingrad - der Untergang der 6. Armee in der Freiburger Zeitung

Am 4. September 1942 berichtete die Freiburger Zeitung, dass der "Angriff auf Stalingrad […] gestern bis an die westlichen Vorstädte vorgetragen werden" konnte.

  

'Freiburger Zeitung', 4.09.1942
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Am 15. September 1942 galt die größte Schlagzeile über dem Bericht "Aus dem Führerhauptquartier" den Kämpfen um Stalingrad, daneben wurden hier auch der See- und der Luftkrieg hervorgehoben. Der nicht näher erläuterte Tod eines hoch dekorierten U-Boot-Kommandanten wurde dadurch relativiert, dass sein Boot "unter dem Kommando des ältesten Wachoffiziers die Unternehmung" fortgesetzt habe. Ein britischer Luftangriff auf Wilhelmshaven, der "[v]or allem in Wohnvierteln" Schäden verursachte, wurde als "Terrorangriff" bezeichnet.
Unter der Überschrift "'Die entscheidendste Schlacht an der Ostfront'" beschäftigte sich ein weiterer Beitrag mit Stalingrad. Dessen Autor mokierte sich über alliierte Versuche, die deutschen Erfolge zu negieren: "'Die Sowjettruppen haben alle deutschen Frontalangriffe auf Stalingrad abgeschlagen. Aber es gelang den Deutschen trotzdem, immer näher an die Stadt heranzukommen.' So lautet einer der typisch zweideutigen Berichte aus London, die zwar die Fortschritte der deutschen Armee nicht leugnen können, die aber trotzdem nicht eingestehen wollen, dass Stalingrad in eine immer gefährlichere Lage kommt." Einem weiteren britischen Bericht zufolge bombardierten die Deutschen "die Stadt und die umliegenden Industriebezirke mit der größten Erbarmungslosigkeit"  mit dem Ziel, "nicht nur die Verkehrswege, sondern auch die Moral der Bevölkerung zu zerstören". Der Korrespondent der Freiburger Zeitung ließ diese Behauptung der Gegenseite kommentarlos stehen, Anlass für eine Distanzierung von derartigen Angriffen - die offensichtlich mit denen auf Wilhelmshaven vergleichbar waren - sah er offenbar nicht.

  

'Freiburger Zeitung', 15.09.1942
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Georg Nopper aus "Freiburg-West" starb am 13. Oktober 1942 an den Folgen "seiner schweren Verwundung, die er in den großen Kämpfen um Stalingrad erlitten" hatte, zehn Monate nach dem "Heldentod" seines ältesten Bruders. Georg Noppers Todesanzeige erschien am 20. November in der Freiburger Zeitung.

  

'Freiburger Zeitung', 20.11.1942
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Am 4. November 1942 brachte die Freiburger Zeitung eine Zusammenfassung der Angriffe auf Stalingrad, die durch eine Karte illustriert wurde. Mehr als sechs Wochen nach den ersten Meldungen über das Erreichen der Stadt wurde hier anhand der drei auf der Detailkarte eingezeichneten Rüstungsfabriken deutlich, wie schwer die Kämpfe waren: "In zehn Tagen, bis zum 25. Oktober, sind alle drei Rüstungswerke bis auf eine Halle des 'Roter Oktober' sowie der nördliche Vorort Spartakowka bis auf einzelne Häuser genommen."

  

'Freiburger Zeitung', 4.11.1942
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Am 9. November 1942 war die Schlagzeile zum Bericht über Hitlers Rede zum Jahrestag seines gescheiterten Putschs von 1923 - der auch der Jahrestag der Novemberrevolution von 1918 war - bemerkenswert defensiv. Auf den Seiten 3 und 4 der gleichen Ausgabe gab die Freiburger Zeitung die Rede im Wortlaut wieder, in der Hitler auch die Bedeutung Stalingrads als wirtschaftlicher "Umschlagplatz" hervorhob und - "bescheiden" - feststellte, man 'habe' die Stadt bereits: "Es sind nur noch ein paar ganz kleine Plätzchen da". Das langsame Fortschreiten der Kämpfe erklärte er damit, dass er in Stalingrad "kein zweites Verdun" haben wolle.

  

'Freiburger Zeitung', 9.11.1942
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Am 19. November 1942 begann in dem nach Osten, in Richtung Stalingrad vorspringenden Bogen des Flusses Don die 'Operation Uranus' der Roten Armee, die binnen weniger Tage zur Einkesselung der 6. Armee sowie einiger weiterer deutscher und verbündeter Verbände führte. Die Leserinnen und Leser der Freiburger Zeitung erfuhren vorerst nur, dass sowjetische Truppen angriffen. Analog zu der am 15. September kritisierten Berichterstattung der Alliierten (vgl. B 13) verbreitete nun die deutsche Propaganda, dass alle gegnerischen Angriffe "abgewehrt" würden.

  

'Freiburger Zeitung', 26.11.1942
B 17 vergrößern


Noch am 31. Dezember war in einem Rückblick auf "Die Offensiven des Jahres 1942" zu lesen, "gelegentliche […] Einbrüche in die deutsche Abwehrfront" an den verschiedenen Brennpunkten der Ostfront, einschließlich Stalingrad, seien "immer wieder bereinigt" worden. Erst in der Ausgabe vom 16./17. Januar 1943 erfuhren die Leserinnen und Leser indirekt von der Einkesselung der 6. Armee, als von dem "von allen Seiten angreifenden Feind" die Rede war. Die Hervorhebung der andauernden, 'heldenmütigen' Abwehr leitete die propagandistische Stilisierung der seit Wochen eingeschlossenen und hoffnungslos unterversorgten Armee zum "Vorbild deutschen Soldatentums" ein.

  

'Freiburger Zeitung', 16./17.01.1943
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Im Rahmen der Berichterstattung zum zehnten Jahrestag der 'Machtergreifung' berichtete die Freiburger Zeitung am 30. Januar 1943 auch über den "Generalappell" der Freiburger Kreisleitung der NSDAP in der Festhalle. Der Kreisleiter habe es sich erspart, "lange Reden zu halten, wenn deutsche Männer draußen kämpfen und sterben", doch weilten aller "Gedanken bei den Männern von Stalingrad". Ihr Vorbild sei eine "Fanfare": "Die Helden sollen uns lehren wie einst, dass es nur ein Aushalten bis zum Sieg gibt".

  

'Freiburger Zeitung', 30./31.01.1943
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Nachdem verschiedene Artikel in den Tagen zuvor die Bevölkerung auf die Katastrophe eingestimmt hatten, berichtete die Freiburger Zeitung am 4. Februar 1943 vom Ende der Kämpfe um Stalingrad. Zwar war im Hauptartikel auch von der "Hölle von Stalingrad" die Rede, von Hunger, Kälte und einem "übermächtigen Feind", doch setzte sich die Heroisierung des "Opfergang[s]" der Armee fort, der "schwerste Gefahr von der ganzen riesigen Front im Osten" abgewendet habe. Die Behauptung, die deutschen, rumänischen und kroatischen Einheiten im Kessel hätten "bis zur letzten Patrone" gekämpft und seien gestorben, "damit Deutschland lebe", nahm Zehntausenden von Familien die Hoffnung, Angehörige im Kessel könnten überlebt haben.
Während der Hinweis auf die strategische Bedeutung des Aushaltens der 6. Armee angesichts der Gefahr einer Vernichtung auch noch der in den Kaukasus vorgestoßenen Teile der Wehrmacht nicht von der Hand zu weisen ist, wurde hier die an sich naheliegende Frage nach der Verantwortung für die Planung, die Hunderttausende von Soldaten in eine derartige Lage gebracht hatte, übergangen.

  

'Freiburger Zeitung', 4.02.1943
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Keine drei Wochen nach dem Ende der Kämpfe in Stalingrad berichtete die Freiburger Zeitung am 19. Februar 1943 von Goebbels' Rede am Vortag im Berliner Sportpalast, in der er den 'Totalen Krieg' gefordert hatte - "Stalingrad war der Alarmruf" für diese Steigerung der Kriegsanstrengungen, in deren Rahmen die Freiburger Zeitung Ende Februar 1943 eingestellt wurde (vgl. B 3).

 

'Freiburger Zeitung', 19.02.1943
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- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Freiburg -


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