Die Zerstörung der Weimarer Demokratie und die Herrschaft der Nationalsozialisten im Spiegel der Freiburger Zeitung
Hintergrund
Zeittafel
Die Freiburger ZeitungDie erste Ausgabe der Freyburgerzeitung erschien Anfang 1784.
Mit der Ausgabe vom 27./28. Februar 1943 stellte die Freiburger Zeitung ihr Erscheinen ein. In dem Durchhalteartikel auf der Titelseite bezeichnete Hauptschriftleiter Armin Peez die Einstellung der Zeitung als "ein sehr schweres, ein hartes Opfer [...] um alles zu gewinnen". Sich und seine Kollegen verglich er mit einem Soldaten, "der zu seiner Heimat zurückschaut, die letzte Entschlossenheit im Antlitz, der größeren Heimat jedes Opfer freudig zu bringen".
Baustein 1: Präsidialkabinette17. Juli 1930 (Erstes Morgenblatt): Schlagzeile der Freiburger Zeitung zur Ablehnung einer Vorlage von Reichskanzler Heinrich Brüning, der über keine Mehrheit im Reichstag verfügte.
18. Juli 1930 (Erstes Abendblatt): Nachdem der Reichstag die Aufhebung von Brünings Notverordnungen erzwungen hatte, löste dieser das Parlament auf.
Baustein 2: Die Hakenkreuzfahne am Freiburger RathausBei der Reichstagswahl am 5. März 1933 errangen die NSDAP und die 'Kampffront Schwarz-Weiß-Rot' - ein Wahlbündnis von DNVP und Stahlhelm - zusammen 340 von 647 Sitzen und damit die absolute Mehrheit.
6. März 1933: Am Freiburger Rathaus weht - zwischen den Fahnen von Stadt und Land - die Parteifahne der NSDAP. Bei den vor dem Rathaus angetretenen Uniformierten handelt es sich offensichtlich um Angehörige der SA beziehungsweise anderer NS-Formationen. Die Aufnahme illustriert neben der Besitzergreifung staatlicher Institutionen durch die Nationalsozialisten das Drohpotential, das ihre uniformierten Formationen darstellten.
7. März 1933: Die Freiburger Zeitung verfügt zu diesem Zeitpunkt noch über genügend Spielraum, um einen Artikel zu drucken, in dem es heißt: "Das Staatsministerium hat durch Vermittlung des Innenministeriums an sämtliche staatliche Behörden folgenden Funkspruch erlassen: Beflaggung staatlicher Dienstgebäude mit Parteifahnen ist verboten. Wo durch Ueberrumpelung Beflaggung erfolgt ist, sind Parteifahnen zu entfernen." Die mutmaßlich mit dem Funkspruch der badischen Regierung in Zusammenhang stehende "Einholung der Hakenkreuzfahne in Freiburg", über die in der gleichen Ausgabe berichtet wurde, war eines der letzten Lebenszeichen demokratischer Institutionen - am 13. März berichtete die Freiburger Zeitung von der "Ubernahme [sic] der gesamten Regierungsgewalt in Baden durch Reichskommissar Robert Wagner". Die 'Gleichschaltung' betraf auch die Presse - drei Tage danach erhielt die Freiburger Zeitung eine förmliche "Verwarnung" auf der Grundlage der Notverordnung "zum Schutze des deutschen Volkes" vom 4. Februar, weil sie sich in einem Leitartikel kritisch über die neuen Machthaber geäußert hatte (vgl. Baustein 3).
Baustein 3: Das Ende der PressefreiheitAm 6. Februar 1933 berichtete die Freiburger Zeitung über die am gleichen Tag veröffentlichte 'Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes', die zwei Tage zuvor ausgestellt worden war. Die darin enthaltenen "Beschränkungen des Versammlungs- und Presserechts" wurden in dem von 'Wolffs Telegraphischem Bureau' (WTB) übernommenen Artikel verständnisvoll kommentiert: "Vor allem in der Presse der Linken" seien "in den letzten Tagen unerhörte Beschimpfungen und Beleidigungen erhoben worden, die eine Regierung, die auf Autorität hält, sich nicht gefallen lassen kann". Ferner seien Gerüchte verbreitet worden, "die keinerlei Unterlagen besaßen".
Keine sechs Wochen später wurde die Freiburger Zeitung selbst Opfer der Notverordnung von Anfang Februar: Am 16. März musste sie eine von Reichskommissar Robert Wagner veranlasste und von der Polizeidirektion Freiburg erteilte Verwarnung abdrucken, weil die Redaktion zwei Tage zuvor deutliche, Kritik an den neuen Machthabern zum Ausdruck gebracht hatte. Im Wiederholungsfall wurde, auf der Grundlage der Notverordnung von Anfang Februar, "ein Verbot der Zeitung" angedroht.
Dennoch brachte die Freiburger Zeitung am 26. März 1933 in ihrer Sonntagsbeilage einen bemerkenswerten, ganzseitigen Beitrag von Alfons Duttlinger, der sich unter dem Titel "Wege zur Menschlichkeit" vordergründig mit dem Tierschutz beschäftigte, aber auch als Protest gegen die Nationalsozialisten gelesen werden kann. Sätze wie der folgende jedenfalls lassen sich ohne Weiteres auch auf deren gewalttätiges Vorgehen gegen politische Gegner beziehen: "Leidenschaft und Verrohung aber sind keine männlichen Tugenden!"
Baustein 4: Stalingrad - der Untergang der 6. Armee in der Freiburger ZeitungAm 4. September 1942 berichtete die Freiburger Zeitung, dass der "Angriff auf Stalingrad […] gestern bis an die westlichen Vorstädte vorgetragen werden" konnte.
Am 9. November 1942 war die Schlagzeile zum Bericht über Hitlers Rede zum Jahrestag seines gescheiterten Putschs von 1923 - der auch der Jahrestag der Novemberrevolution von 1918 war - bemerkenswert defensiv. Auf den Seiten 3 und 4 der gleichen Ausgabe gab die Freiburger Zeitung die Rede im Wortlaut wieder, in der Hitler auch die Bedeutung Stalingrads als wirtschaftlicher "Umschlagplatz" hervorhob und - "bescheiden" - feststellte, man 'habe' die Stadt bereits: "Es sind nur noch ein paar ganz kleine Plätzchen da". Das langsame Fortschreiten der Kämpfe erklärte er damit, dass er in Stalingrad "kein zweites Verdun" haben wolle.
Am 19. November 1942 begann in dem nach Osten, in Richtung Stalingrad vorspringenden Bogen des Flusses Don die 'Operation Uranus' der Roten Armee, die binnen weniger Tage zur Einkesselung der 6. Armee sowie einiger weiterer deutscher und verbündeter Verbände führte. Die Leserinnen und Leser der Freiburger Zeitung erfuhren vorerst nur, dass sowjetische Truppen angriffen. Analog zu der am 15. September kritisierten Berichterstattung der Alliierten (vgl. B 13) verbreitete nun die deutsche Propaganda, dass alle gegnerischen Angriffe "abgewehrt" würden.
Im Rahmen der Berichterstattung zum zehnten Jahrestag der 'Machtergreifung' berichtete die Freiburger Zeitung am 30. Januar 1943 auch über den "Generalappell" der Freiburger Kreisleitung der NSDAP in der Festhalle. Der Kreisleiter habe es sich erspart, "lange Reden zu halten, wenn deutsche Männer draußen kämpfen und sterben", doch weilten aller "Gedanken bei den Männern von Stalingrad". Ihr Vorbild sei eine "Fanfare": "Die Helden sollen uns lehren wie einst, dass es nur ein Aushalten bis zum Sieg gibt".
Nachdem verschiedene Artikel in den Tagen zuvor die Bevölkerung auf die Katastrophe eingestimmt hatten, berichtete die Freiburger Zeitung am 4. Februar 1943 vom Ende der Kämpfe um Stalingrad. Zwar war im Hauptartikel auch von der "Hölle von Stalingrad" die Rede, von Hunger, Kälte und einem "übermächtigen Feind", doch setzte sich die Heroisierung des "Opfergang[s]" der Armee fort, der "schwerste Gefahr von der ganzen riesigen Front im Osten" abgewendet habe. Die Behauptung, die deutschen, rumänischen und kroatischen Einheiten im Kessel hätten "bis zur letzten Patrone" gekämpft und seien gestorben, "damit Deutschland lebe", nahm Zehntausenden von Familien die Hoffnung, Angehörige im Kessel könnten überlebt haben.
Keine drei Wochen nach dem Ende der Kämpfe in Stalingrad berichtete die Freiburger Zeitung am 19. Februar 1943 von Goebbels' Rede am Vortag im Berliner Sportpalast, in der er den 'Totalen Krieg' gefordert hatte - "Stalingrad war der Alarmruf" für diese Steigerung der Kriegsanstrengungen, in deren Rahmen die Freiburger Zeitung Ende Februar 1943 eingestellt wurde (vgl. B 3).
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- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Freiburg -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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