"Homosexuelle sind Staatsfeinde" - Denunziation und Verfolgung in Südbaden 1933-1945
Hintergrund
Bedeutung
Homosexualitäten und Homophobie
Wenn die Bezeichnung männlicher und weiblicher Homosexualität und damit die sexuelle Orientierung eines Menschen abwertend Gebrauch findet, handelt es sich um eine Form von homophober Diskriminierung, pauschalisierender Ablehnungskonstruktion oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Nicht selten überschneiden sich dabei auch mehrere Diskriminierungsformen in einer Person, so dass eine intersektionale Diskriminierung vorliegt.
Besonders eindrücklich illustrieren dies die stigmatisierenden Kennzeichnungen, die an der Häftlingskleidung in den Konzentrationslagern angebracht wurde. So wurde ein Mensch beispielsweise als homosexuell (Rosa Winkel) sowie als jüdisch (gelbes Dreieck) gekennzeichnet, stigmatisiert und somit intersektional diskriminiert.
Die Erforschung männlicher und weiblicher Homosexualitäten im Nationalsozialismus
Nationalsozialistische Homosexuellenverfolgung und deren Opfer standen lange Zeit nicht im Fokus der geschichtswissenschaftlichen Forschung, so dass manche Historiker diese gar als „vergessene Opfergruppe“ (Zinn 2018) bezeichneten. Geschichtsunterrichtlich finden Homosexuelle in Baden-Württemberg als Opfer nationalsozialistischen Terrors erstmals Erwähnung im Bildungsplan Geschichte von 2016 (vgl. Könne 2017).
Die Zerstörung von amtlichen Quellen und besonders die Anwendung der von den Nationalsozialisten verschärften §§ 175 und 175a StGB bis zum Jahr 1969 in der Bundesrepublik führten nicht nur zu einer äußerst fragmentarischen Quellenlage, sondern auch zu einer Stigmatisierung und Kriminalisierung von Homosexualität bis weit nach 1945 hinaus.
Neben rechtlichen Bestimmungen wie der Verschärfung des § 175 StGB „Unzucht zwischen Männern“ und die Erweiterung um § 175a StGB „Schwere Unzucht“ waren Homosexuelle einer Vielzahl von weiteren Verfolgungsmaßnahmen in den Jahren 1933 bis 1945 ausgesetzt, worunter beispielsweise die Denunziation, medizinische Eingriffe wie die „Entmannung“ sowie Einweisungen in Konzentrationslager fielen.
B 4 Der pazifistische Publizist Kurt Hiller verfasste bereits während der Weimarer Republik im Jahr 1922 eine Aufsatzsammlung, in der er den seit 1872 in Kraft getretenen § 175 StGB als "Schmach des Jahrhunderts" brandmarkte |
Nach einer langen Phase der Tabuisierung nationalsozialistischer Homosexuellenverfolgung gibt es nun wiederum warnende Töne aus der Geschichtswissenschaft, homosexuelle Opfer nicht zu sakralisieren und deren Schicksale zu dramatisieren. Weiter sind sowohl die Erforschung weiblicher und männlicher Homosexueller, die der Verfolgung entkamen, als auch ein Blick auf Homosexuelle als Akteure und Profiteure weiter dringliche Desiderate in der schwulen und lesbischen Geschichtsschreibung (vgl. Zinn 2019).
B 8 Videoinstallation am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin |
Männliche Opfer in Südbaden
Fragmentarisch überlieferte Prozessakten aus den Landgerichten Freiburg, Konstanz, Offenburg und Waldshut wegen Verstoßes gegen § 175 StGB bilden die Quellenbasis zur Rekonstruktion von Biografien männlicher Homosexueller aus Südbaden. Häftlingsakten über Männer aus Südbaden, die wegen Vergehen nach § 175 StGB in den Konzentrationslagern saßen, sind in den Archiven der KZ-Gedenkstätten nicht vorhanden. Als Quellen verbleiben lediglich Transportlisten, Anwesenheitslisten, Sterbebücher bzw. Sterbeurkunden.
B 6 Ehemaliges Landgericht Offenburg, Fotografie aus dem Jahr 2020 |
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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