"Homosexuelle sind Staatsfeinde" - Denunziation und Verfolgung in Südbaden 1933-1945

Hintergrund

Zeittafel


Nationalsozialistische Antihomosexuellenpolitik


Februar 1933

Schließung homosexueller Gaststätten sowie Verbot „anstößiger Schriften“ und damit homosexueller Publizistik

 

Sommer 1934

„Mordaktion Röhm“ – Auftakt zur Bekämpfung Homosexueller als „Staatsfeinde“ und „Säuberung“ der NS-Organisationen von „homosexueller Verseuchung“. Diskreditierung homosexueller Männer als „bevölkerungspolitische Blindgänger“, die nach der Logik nationalsozialistischer Propaganda keinen Platz in der „arischen Volksgemeinschaft“ hatten

 

September 1935

Verschärfung strafrechtlicher Bestimmungen und Kriminalisierung Homosexueller. Verschärfung des § 175 StGB „Unzucht zwischen Männern“ und seine Erweiterung um § 175a StGB „Schwere Unzucht“

 

B 2 Heinrich Himmler, Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums (1942)

 

ab 1936

Systematische Erfassung homosexueller Männer bei Kriminalpolizeidienststellen und Politischen Polizeidienststellen; auf Veranlassung Heinrich Himmlers wurde die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“ eingerichtet.

 

ab 1939

Radikalisierung der Verfolgung; Homosexuelle, die mit mehr als einem Partner Verkehr hatten, wurden gemäß einer Anordnung Heinrich Himmlers vom 12. Juli 1940 „nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis in polizeiliche Vorbeugehaft“ genommen; „Polizeiliche Vorbeugehaft“ war gleichbedeutend mit der Überstellung in „Besserungs- und Arbeitslager“ (Konzentrationslager).

Stigmatisierung von ca. 10.000-15.000 homosexuellen „Schutzhäftlingen“ in den Konzentrationslagern durch einen rosa Winkel. Die Todesrate von Homosexuellen in den Konzentrationslagern lag bei 60% (zum Vergleich: 14% bei politischen Häftlingen).

  

B 5 Kennzeichnung für "Schutzhäftlinge" in den Konzentrationslagern

 

bis 1940

Mindestens 78.000 Homosexualitätsverdächtige ermittelt, 42.000 Registrierungen Homosexueller in einer „Reichskartei“ und 53.000 bekannte Urteile nach § 175 StGB und § 175a StGB

 

Geschichte des § 175 StGB und § 175a StGB nach 1945

1949-1969

Die Bundesrepublik Deutschland hielt bis 1969 fest an den Fassungen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Die DDR kehrte 1950 bei § 175 StGB zur Fassung vor dem NS zurück, § 175a StGB blieb unverändert angewendet bis 1968; danach Strafgesetzbuchreform, wonach in der DDR § 151 StGB gleichgeschlechtliche Handlungen mit Jugendlichen unter Strafe gestellt wurde. Streichung erst 1989.

 

1969 und 1973

Reformen des § 175 StGB und § 175a StGB in der Bundesrepublik. Fortan sexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar.

 

1994

Beschluss des Bundestages zur ersatzlosen Aufhebung des § 175 StGB

 

2002

Bundestag erklärt Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen in der Zeit des Nationalsozialismus für nichtig.

 

2008

Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin

  

B 7 Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin

 

2017

Bundestag verabschiedet Gesetz zur Aufhebung aller Urteile des § 175 StGB und zur Entschädigung noch lebender Verurteilter


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -


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