Die "Arisierung" am Beispiel Ravensburg

Hintergrund

Bedeutung


Im Unterschied zu vergleichbaren Städten gab es in Ravensburg Anfang der 1930er Jahre nur eine geringe Anzahl sesshafter Juden - so lebten 1933 lediglich sieben jüdische Familien in Ravensburg mit 27 zugehörigen Personen. Diese bildeten keine eigene jüdische Gemeinde, sondern gehörten zur Gemeinde in Buchau. Allerdings befanden sich einige der wichtigsten Geschäfte der Stadt in jüdischem Besitz, etwa eine Filiale der Warenhauskette "Geschwister Knopf".

B 9, Warenhaus Geschwister Knopf

 

 

 

B 18, Übersicht: Steuerkapital 1904

 

Auch wenn die politische Lage im oberschwäbischen Ravensburg im Vergleich zu anderen Regionen im Dritten Reich in den frühen 1930er Jahren noch erträglich war, kam es zu Arisierungen, die von der Bevölkerung mitgetragen wurden.
Die zunehmend radikaleren judenfeindlichen Maßnahmen im Deutschen Reich spiegeln sich in der lokalen Geschichte vor Ort in Ravensburg wider:
In der ersten „pseudo-freiwilligen“ Phase der Arisierung wurde der Verkauf vieler Unternehmen, die Juden gehörten, durch Druck und Schikanen erzwungen. Bis auf das Kaufhaus „Wohlwert“ und den Burachhof von Dr. Ludwig Erlanger fallen in diese erste Phase alle gewerblichen Arisierungen in Ravensburg.

  

B 4, Anzeige aus dem Ravensburger Tagblatt vom 21.09.1938

 

In Folge der Reichspogromnacht waren in Ravensburg schließlich alle "jüdischen Geschäfte" „arisiert“. Die reichsweite Beschleunigung der Arisierung durch die Reichspogromnacht lässt sich auch vor Ort in Ravensburg erkennen.

Insofern ist das Beispiel Ravensburg typisch für das Dritte Reich, insbesondere mit Blick auf die gewerbliche Arisierung. Die Arisierung von jüdischem Privatbesitz fand in Ravensburg in kleinerem Umfang statt.

Die meisten der Ravensburger Juden konnten glücklicherweise noch rechtzeitig ins Ausland fliehen. Acht Ravensburger Juden fanden jedoch einen gewaltsamen Tod. 1945 lebten noch drei Jüdinnen und Juden in Ravensburg, die überleben konnten, weil sie einen „arischen“ Ehepartner hatten.

 

B 15, Stolpersteine für die Familie Sondermann

 

Beispiele für „gewerbliche Arisierungen“ in Ravensburg:
-    Kaufhaus Landauer (1935 „unter Druck“ verkauft)
-    Warenhaus der Geschwister Knopf (1938 noch vor der Reichspogromnacht deutlich unter Wert verkauft)
-    Schuhhaus Merkur (Übergabe an die langjährige Geschäftsführerin im September 1938)
-    Kaufhaus Wohlwert (Einen Tag nach der Reichpogromnacht „arisiert“)

In Folge der Reichspogromnacht wurde ebenfalls „Grundbesitz“ jüdischer Bürger rasch arisiert. In Ravensburg spiegelt sich das im Kaufvertrag zwischen dem Bürgermeister der Stadt und Dr. Ludwig Erlanger wider. In seiner Notlage verkaufte Ludwig Erlanger den Hof deutlich unter Wert.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -


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